Verkaufsoffene Sonntage
Händler befürchten massive Umsatzeinbußen
Siegburg - „Keine verkaufsoffenen Sonntage in Köln.“ Diese Nachricht
schockierte nicht nur die Einheimischen in der Rheinmetropole, sondern
ebenso die Menschen im ganzen Land. Die Klage der Gewerkschaften vor
dem Verwaltungsgericht hatte dazu geführt, dass über 30 genehmigte
verkaufsoffene Sonntage gestrichen wurden. Mittlerweile haben sich die
Stadt und „verdi“ auf eine kleinere Zahl von vier oder fünf in
ausgewählten Ortsteilen geeinigt. Diese Situation führte jedoch zu
einer Verunsicherung in beinahe jeder Kommune von Nordrhein-Westfalen.
Viele anvisierte Termine sagte man vorsorglich ab. Die Händler
befürchten massive Umsatzeinbrüche. Sicherlich haben Kirche und
Gewerkschaften gute Gründe, an diesem arbeitsfreien Ruhetag, als
verlässliche, planbare Institution der Erholung, festzuhalten.
Historisch hat der Sonntagsschutz seinen Ursprung im Artikel 139 der
Weimarer Reichsverfassung. Damals ging es darum, an einem Tag in der
Woche die Geschäftigkeit niederzulegen, um zum einen die Ausübung
der Religionsfreiheit zu bewahren, aber auch dem Menschen die
physische und psychische Regeneration zu ermöglichen. Es galt also,
die „körperliche Unversehrtheit zu schützen“. Natürlich kam
ferner eine soziale Komponente dazu, denn in seiner Freizeit sollte
man sich der Familie widmen, oder sich in gesellschaftlichen
Verbänden, wie Verein oder Partei, engagieren. Für das Wohlbefinden
und der gesundheitlichen Stabilität spielte das Einkaufen als
„seelische Erhebung“ keine Rolle.
Vielleicht sieht die Bevölkerung das anno 2017 anders, denn für
manch einen ist das Shoppen schon ein entspannender Ausgleich. Doch
bis heute bleiben die Gesetze in dieser Hinsicht eindeutig. Während
im Europarecht keine Regelung zur Ladenöffnung an Sonn- und
Feiertagen existiert, überlässt die Bundesrepublik diese den
einzelnen Ländern. Nordrhein-Westfalen ermöglicht pro Stadtteil
maximal vier verkaufsoffene Sonntage. So kam es in Köln durch die
Summe aus Innenstadt und vielen Stadtteilen zu einer großen
Terminschwemme. Je größer eine Stadt, desto problematischer stellt
sich diese dar. Die Verwaltungen der Städte und Gemeinden prüfen
aufgrund des „Ladenöffnungsgesetzes NRW“ (LÖG NRW) die
anvisierten Tage und genehmigen sie. Diese gängige Praxis hat sich
eigentlich nicht geändert. Doch in der momentanen Situation könnten
die Gewerkschaften bis zur letzten Minute eine Klage einreichen, und
den Sonntag stoppen. Um sich bei einem Antrag schon vorab bestmöglich
abzusichern wird empfohlen, die Einkaufsmöglichkeit nicht in den
Vordergrund zu rücken, vielmehr in erster Linie einen Anlass zu
finden, der Besucher in die Stadt lockt. Traditionell wiederkehrende
Ereignisse ständen so im Brennpunkt, wie Weihnachtsmarkt, Volksfeste
oder eine Kirmes. Ebenso infrage kämen Sport- und Freizeitevents, wie
Marathonläufe und Musikfestivals, Kino- oder Literaturtage, die viele
Gäste interessieren. Die Ladenöffnung wäre dann nur ein Bonus am
Rande.
Für die Händler in den Städten sind die Verkaufsoffenen Sonntage
unerlässlich. Sie gleichen oftmals Umsatzrückgänge aus, und tragen
nicht unwesentlich dazu bei, sich den Besuchern von außerhalb zu
präsentieren. Besonders beim geänderten Käuferverhalten, im Zuge
der Digitalisierung, ist dies ein wichtiger Faktor. Da für den
Onlinehandel keine Ladenöffnungszeiten existieren, nutzen Jung und
Alt die Gelegenheit, gerade am Sonntag ihre Bestellungen im Internet
abzusetzen. Warum sollten sie die Besorgungen nicht lieber mit einem
schönen Ausflug im stationären Handel verbinden? Mal abgesehen
davon, arbeitet die Belegschaft in vielen Unternehmen auch gerne mal
an einem Sonntag, da speziell in den Tarifverträgen der ver.di gut
bezahlte Zulagen zugesichert werden. Außerdem unterstützt der Handel
auf diese Weise die lokalen Feste und Veranstaltungen erheblich und
trägt zu einer lebendigen Innenstadt bei. Das fördert obendrein die
Attraktivität der Städte und Gemeinden. In Rücksicht auf die
Gottesdienstzeiten starten die „Verkaufsoffenen Sonntage“ ohnehin
erst um 13 Uhr. Das sollte keinen Widerspruch darstellen. Zumal es
sich im Fall von Nordrhein-Westfalen in der aktuellen Gesetzgebung um
maximal vier Sonntagen jährlich handelt. 48 von 52 Sonntage bleiben
damit geschlossen und Feiertage, als auch die sogenannten stillen
Feiertage sind ebenso ausgeschlossen und von den vier Adventssamstagen
kann auch nur einer geöffnet werden.
Was passiert, wenn diese Sonntage wegfallen? Der Einzelhandel ist ein
wichtiger Gewerbesteuerzahler für die Kommune, und stärkt so den
Standort. Darüber hinaus schafft er Arbeits- und Ausbildungsplätze.
Wenn die Chancen fürs Einkaufen an Sonntagen genommen werden,
könnten betriebswirtschaftliche Probleme entstehen, die die Existenz
des Geschäftes und die damit verbundenen Arbeitsplätze bedrohen.
Doch man darf nicht den Fehler machen, den verkaufsoffenen Sonntag als
weiteren Werktag zu sehen. Hier müssten zusätzliche Anreize, wie
etwa Extra-Preisnachlässe, den Fokus bilden. Ferner wünschen sich
die Kunden neben Sonderrabatten häufig weitere Attraktionen, oftmals
auch für Kinder. Eine große Veranstaltung, wie Sport, Kunst oder
Kultur, animiert die Generationen vor allem, sonntags eine Stadt
aufzusuchen.
Eine Umfrage der „Ostfalia, Hochschule für angewandte
Wissenschaften“, in den Kommunen Lüneburg und Uelzen im Juni
letzten Jahres belegt genau diese Einstellung. Bei den befragten
Passanten standen vermehrt das Event im Vordergrund und weniger die
Einkaufsmöglichkeit.
Alles rund um dieses Thema ist in Bewegung. Während der Landtag in
Brandenburg für flexiblere Ladenöffnungszeiten gestimmt hat, haben
sich im niedersächsischen Garbsen einige Händler über die
Gewerkschaftsklage hinweggesetzt. Besondere Aufmerksamkeit dürfte
aber ein Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim bekommen. Die
Stadt Ludwigsburg hatte anlässlich einer „Oldtimer-Sternfahrt“
verkaufsoffene Sonntage genehmigt. Hiergegen wendete sich ver.di mit
einem Normenkontrollantrag, der abgelehnt wurde. Bemerkenswert in
diesem Zusammenhang ist die direkte und deutliche Kritik des
Mannheimer Verwaltungsgerichtshofs am relevanten, übergeordneten
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.11.2015 (Az.: 8 CN 2.14).
Der zuständige Mannheimer Senat hegt maßgebliche Zweifel daran, ob
die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene vergleichsweise enge
Auslegung der Erfordernisse für verkaufsoffene Sonntage tatsächlich
notwendig ist und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem
Urteil vom 01.12.2009 entspricht. Das heißt im Klartext, dass das
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts über das verfassungsgebotene
Schutzkonzept mit einem Mindestschutzniveau für die Sonn- und
Feiertage, und die Einhaltung eines Regel-/Ausnahmeverhältnisses
hinausgeht, und somit unverhältnismäßig sei.
In Siegburg stimmte der Stadtrat kürzlich drei verkaufsoffenen
Sonntagen für dieses Jahr zu. Nach der bereits gefallenen
Grundsatzentscheidung für den Termin 3. Dezember (aus Anlass des
Mittelalterlichen Marktes zur Weihnachtszeit) kommen jetzt der 17.
September - "Siegburg sportlich", unter anderem mit Station der
"Biathlon auf Schalke Tour" - und der 5. November - "Janz Jeck" mit
"Karnevalserwachen", einem neugestalteten Martinsmarkt, dem
"Kartoffelfest" von Marktbeschickern und Verkehrsverein sowie der
Baumesse "Zukunft Haus" in der Rhein-Sieg-Halle - hinzu. Nach einem
vor Jahren unter anderem mit den Kirchen getroffenen
Grundsatzentscheid schöpft die Stadt bewusst nicht den Rahmen von
vier möglichen Öffnungsterminen aus.
- Dirk Woiciech
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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