Erwin Rußkowski
„Ich habe stets den Schalk im Nacken“

Erwin Rußkowski wird sich bald aus dem jecken Leben Lohmars zurückziehen. | Foto: Woiciech
  • Erwin Rußkowski wird sich bald aus dem jecken Leben Lohmars zurückziehen.
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Erwin Rußkowski ist als Förderer von Nachwuchs und Bewahrer der Mundart bekannt

Lohmar. Für viele Einheimische prägte Erwin Rußkowski den Karneval wie kein anderer, dennoch verabschiedete er sich bei der diesjährigen Kostümsitzung von „Saach hür ens“ mit einer emotionalen Rede.

„Nach 46 Jahren war es meine letzte Sitzung. Es wird im Alter von 73 Jahren Zeit, ein wenig zurückzufahren“, erklärte der Vorsitzende des Vereins.

Schließlich hat er sich nicht nur dem Karneval, sondern auch der Bewahrung der Mundart und der Förderung des Nachwuchses im Karneval verschrieben.

1976 begann er seinen Dienst als Lehrer an der Lohmarer Hauptschule und erlebte dort ein Jahr später begeistert seine erste Schulkarnevalssitzung. „Es war eine sehr schöne Zeit. Ich war immer gerne Lehrer.“ Gemeinsam mit Kollegin Gisela Schäfer organisierte er die Veranstaltung erstmals 1978. „Da kamen jährlich im Schnitt 120 bis 150 Schüler auf die Bühne, von der Büttenrede über Tanz bis zum großen Schulchor.“ Im Laufe der Zeit entstanden für Erwin Rußkowski gute Kontakte nach Köln, wo seine Schüler bei der Kajuja und später im Literarischen Komitee beim Festkomitee Kölner Karneval aufgenommen wurden und sich ab 2004 bis 2018 in zehn der großen Kölner Vorstellabende mit den von ihm geschriebenen Reden präsentieren durften. Durch die hier gewonnenen Kontakte bei Probeabenden und Castings, war es möglich „Newcomer“ wie „Cat Ballou“, „Querbeat“ oder den „Tuppes vum Land“, Ingrid Kühne und „Willi und Ernst“ immer wieder nach Lohmar zu holen, lange bevor diese im rheinischen Karneval so richtig Fuß fassten und zu großen Stars des Karnevals wurden.

Die letzte Schulsitzung fand 2013 anlässlich des Jubiläums „50 Jahre Schulkarneval“ statt.

Kurz darauf hob der Schreiber von Sketchen und Büttenreden die Mundartgruppe, bzw. der „Rednerschule“ der Musik- und Kunstschule der Stadt Lohmar aus der Taufe. „Zu Beginn der Arbeit unterrichtete ich zwölf bis 14 Schüler. Heute sind es - auch wegen der Aussichtslosigkeit für Auftritte bedingt durch „Corona“ - nur noch drei: Noah Marnett, Celina Sysk und Luisa Klüser.“

Die Nachwuchsriege gehörte stets zu den Höhepunkten der Sitzungen bei „Saach hür ens“, die mit ihren Reden 2014 phänomenal startete. „Mundart kann man nicht lernen wie die Muttersprache. Wenn die Texte neu sind, üben wir das gemeinsam ein. Hat sich in der Aussprache einmal ein Fehler eingeschlichen, brennt sich das sofort ein.“

Die Reden richten sich durch die Bank an das erwachsene Publikum, sodass es vorkommt, dass die Jugendlichen ab und an gewisse Pointen nicht auf Anhieb verstehen. „Man muss in der Mundart auch zwischen „Dialekt“ und „Regiolekt“ unterscheiden. So kann man heraushören, aus welcher Gegend die Leute stammen.“

Erwin Rußkowski wurde die Leidenschaft für die Mundart nicht unbedingt in die Wiege gelegt, obwohl er in Siegburg geboren ist. Seine Eltern kamen nach dem Krieg aus Pommern ins Rheinland. Aber schon im Kindesalter faszinierten ihn zum Beispiel bei Verwandtschaftsbesuchen in Schleswig-Holstein dort die Einheimischen, wenn sie in ihrem Dialekt sprachen, und er versuchte das nachzusprechen. Noch heute sitzt ihm der Schalk im Nacken.

Humor gehört zu Rußkowskis Lebenselixier. Eine Vielzahl seiner Sketche und Reden wurden in seinen Büchern veröffentlicht, etwa in „Laache is jesund“ und „Uss demm Levve“. Der Band „Nachwuchs in die Bütt“ verzeichnet 16 Reden in rheinischer Mundart und hochdeutscher Übersetzung, darüber hinaus viele praktische Tipps - ein Leitfaden, den man sich als Jungredner besorgen sollte. „Außerdem war mir wichtig, dass mit den Aufritten der Kinder das Selbstwertgefühl und -bewusstsein gesteigert wird. Es braucht schon viel Mut, auf der Bühne zu stehen und das mit der richtigen Gestik und Mimik fehlerfrei hinzukriegen.“

„Saach hür ens“ engagierte für die Gruppe immer wieder Fachleute wie die Regisseurin und Schauspielerin Selda Akhan aus Köln sowie die Theaterpädagogin Heike Werntgen und nicht zuletzt Jörg Runge den „Tuppes vum Land“, die in Workshops gemeinsam mit Erwin Rußkowski mit den Jugendlichen arbeiteten.

„Früher kamen die Schüler der Mundartgruppe oft durch ihre Eltern und Großeltern zu ihrem Hobby. Da hieß es dann: „Die Oma hat mich geschickt“. Noah Marnett hingegen las in der Zeitung von der Rednerschule und rief bei mir an. Er hat mittlerweile auch bereits eine Kindersitzung in Seelscheid geleitet“.

Durch den Rückzug des Urgesteins entsteht eine große Lücke. „Es gibt leider niemanden, der diese Arbeit fortführt“. Bei den Kostümsitzungen von „Saach hür ens“ wird Henning Jahnke das Ruder in die Hand nehmen. „So eine Veranstaltung benötigt gut zwei Jahre Vorbereitung, und da steckt viel Arbeit drin. Ich bleibe dem Verein auf jeden Fall bis zur nächsten Vorstandswahl im Mai 2024 erhalten und freue mich darauf, den Sitzungskarneval als Zuschauer genießen zu dürfen.“

Freie/r Redaktionsmitarbeiter/in:

Dirk Woiciech aus Siegburg

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