Mit Hilfsgütern nach Indien gereist
Ramona Anna Glogowski engagiert sich weiter
Einmal mehr reiste die Siegburger Ehrenamtlerin Ramona Anna Glogowski
, die im „normalen“ Leben im Helios Klinikum arbeitet, mit vielen
Hilfsgütern im Gepäck nach Indien, um dort den Kindern zu helfen.
„Das Wertvollste, das ich auf Reisen, vor allem durch Südostasien,
gelernt habe, ist zu lächeln... meist sogar ohne, dass es mir im
ersten Moment bewusst ist. In vielen Situationen war mir ganz und gar
nicht nach Lachen zumute - kranke und hungernde Kinder und Menschen,
die sich unseren europäischen Standard niemals vorstellen können,
die unter ärmlichsten Bedingungen leben und ihren schweren Alltag
jeden Tag aufs Neue meistern müssen – egal, ob in Slums, auf
Müllhalden oder mit harter Arbeit, für die sie kaum gerecht entlohnt
werden. Etwas, das wir uns ebenfalls nicht vorstellen können, wenn
man es nicht erlebt hat.“
Bevor man in ein Land reist, macht es Sinn sich die Geschichte und die
Kultur dahinter bewusst zu machen, um zu
verstehen, wieso der oft so „dreckige“ Lebensstil, vor allem in
Ländern mit niedrigem Einkommen, als solcher
wahrgenommen und nicht nachvollzogen werden kann. Nicht selten stecken
unbehandelte psychische Belastungen
und Erkrankungen dahinter... Überbleibsel aus den oft tragischen
Geschichten verschiedener Länder, denn
psychische Betreuung ist in der Regel nur den Wohlhabenden oder der
westlichen Welt zugänglich. Aber natürlich
gibt es tausende weitere Gründe. Auch ich fühle ich nach einen
Reisen oft einige Tage sehr traurig und muss so
einiges verarbeiten, trotzdem liebe ich die Atmosphäre der Slums. Wir
leben alle nur in einer Welt, jeder in seiner
selbst kreierten, und doch ist es nur eine. Doch fühle ich mich jedes
Mal, als würde ich eine andere Welt besuchen.
Meine Tränen kann ich mir nach einigen Jahren bei meinen Reisen immer
noch nicht in jeder Situation verkneifen.
Jedoch, egal wo ich bisher war, gaben mir die Ärmsten der Armen das
wertvollste, das sie zu bieten haben – ein
Lächeln, oft begleitet von einer herzlichen Berührung. Jede dieser
Erfahrungen lässt mich trotz all dem Leid in diesen
Gegenden lächeln... wirklich lächeln, auch wenn mein Herz blutet.
Das besondere an Slums, trotz all der Armut, des Gestanks und des
Mülls, ist für mich eine besondere Energie, das
wahre Leben der einfachen Menschen, oft voller bunter Farben und
wunderbarer Herzlichkeit. Nach meinen Reisen
und meiner möglichen Hilfe in Kambodscha, die auch noch weiterhin
bestehen wird, habe ich es nun gewagt, Indien
zu erkunden und kennenzulernen. Diesmal hatte ich meinen Vater dabei.
Ein Mann, der viel durchgemacht und sein
Leben lang hart gearbeitet hat. Er kennt das einfache Leben, reich
waren wir nie, aber es ging uns immer gut und
meine Eltern lehrten meinen beiden Geschwistern und mir frühzeitig
mit anderen zu teilen. Doch auch mein Vater
konnte sich seine Tränen nicht verkneifen, als wir in einem Slum (2
km von Jaipur entfernt) besuchten, in denen ca.
10.000 Menschen, darunter ca. 200 Kinder leben. Für ihn, für uns
„Westler“ eine ganz andere Welt. Familien, die
meist in nur einem Zimmer schlafen, essen und den Alltag verbringen,
der Müll häuft sich und vor einigen Jahren
nutzen sie noch ein großes Feld als Toilette, das nicht mal durch
Büsche oder Bäume etwas Privatsphäre bot.
Mittlerweile hat die Regierung Indiens einige Toiletten und
Wasserpumpen gespendet. Es ist ein „Gypsy-Slum“. Die
Familien leben von Musik und Tanz, aber stellen auch selber kleine
Puppen und Figuren her, die sie verkaufen. Die
Kindern erlernen das Musizieren auf den wenig vorhandenen Instrumenten
von den älteren Generationen: sie
singen und tanzen fast den ganzen Tag. Dies könnte einer der Gründe
für ihr wunderbares Lachen sein. Zudem
versucht die mittlere Generation, den Kids einige Wörter Englisch
beizubringen. Selten verirrt sich hier ein
Freiwilliger, der für einige Wochen kostenlosen Sprachunterricht
gibt. Lachen ist jedoch die Sprache des Herzens, die
jeder versteht! Und wir verstanden uns super!
Als wir am ersten Tag im Slum ankamen, hatten wir noch nichts an
Spenden dabei. Geldspenden kommen für mich
nicht in Frage: ich schaue mir die Gegend an, spreche mit den
Menschen, lerne ihr Leben kennen und entscheide
dann, was ich spenden bzw. schenken möchte. Wahnsinnig auffallend
waren die quirligen und neugierigen Kinder,
mit ihren wunderschönen lachenden Gesichtern und den leuchtenden
Augen, die uns begrüßten, uns zugewinkten
und nicht von unserer Seite wichen, obwohl wir noch nichts dabei
hatten. Sie nahmen uns an die Hand und zeigten
uns ihr zu Hause. „What´s your name?“ fragten sie uns ständig
und verrieten uns dann ihre Namen. Sie können in
englischer Sprache etwas zählen, aber besonders können sie Lieder
singen, wie zum Beispiel „Buffalo Soldier“ von
Bob Marley oder „Just the way you are“ von Bruno Mars. Das
Gefühl, bei ihnen zu sitzen, ihnen zuzuhören und
mitzusingen, ist nicht zu beschreiben. Wir fuhren mit zwei Tuk Tuks
und drei jungen Männern zum Markt und kauften die nötigsten
Lebensmittel. Drei
Wagen voller Reis, Zucker, Öl, Weizen, Linsen und natürlich etwas zu
Naschen für die Kinder. Auch zwei Trommeln
wurden gespendet, damit die Kinder das Musizieren von den älteren
Generationen nicht verlernen, es ausweiten
können und auch damit etwas Geld verdienen können.
Drei Tage später brachten wir Seife, Süßigkeiten und einiges an
Spielzeug mit, denn beim ersten Mal habe ich dort
nicht mal einen Ball gesehen... es sind Kinder, jedes Kind liebt
Spielzeug! Zuerst haben wir alle zusammen gesungen,
getanzt, viel gelacht und jeder wollte ein Foto mit uns machen ...
„Selfie, Selfie“ riefen sie– eine Kamera hatten sie
natürlich nicht. Danach wurde gegessen, von den Lebensmitteln, die
noch von unserer ersten Spende übrig waren.
Teilweise „fütterten“ mich zwei Mädchen mit ihren Händen: es
gab Reis und Linsen. Eine für mich sehr liebevolle
Geste! Wir verbrachten dort einige Stunden, ich bekam meine Hände mit
Henna bemalt und ich hatte viel Spaß mit
den jungen Frauen, die mir viel über ihr Leben erzählten, wenn auch
nur im gebrochenen Englisch. Die meisten
Informationen erhielten wir von drei jungen Männern, mit denen ich
weiterhin Kontakt zum Slum halten möchte.
Die Kinder wussten nicht, was in den Kartons verpackt war, diese waren
erst in einem kleinen Raum verstaut. Sie sangen und tanzten wieder mit
uns und schließlich verteilten wir einige Süßigkeiten und die
Spielsachen.
Das Gefühl ist nur sehr schwer zu beschreiben: die Kinder waren kaum
zu bändigen, die Freude über einen einfachen Ball, Seifenbasen oder
sogar über Knete habe ich so in Europa noch nie erlebt. Es war laut,
wild und quirlig. Niemand kann sich das laute Schreien, Lachen aber
auch Zanken der Kinder, um verschiedene Spielsachen, vorstellen, wenn
er es nicht selbst gehört und miterlebt hat. Unbeschreiblich laut und
unglaublich berührend, ein Gänsehaut-Moment!
Neben all den Dingen, die wir Ihnen schenkten, habe ich jedoch
gemerkt, dass die Aufmerksamkeit, das Kuscheln mit ihnen, das
gemeinsame Zusammensitzen, singen und tanzen einen viel höheren Wert
hatte, als die gespendeten Dinge. Denn noch bevor wir irgendetwas in
dem Slum abgaben, erhielten wir schon unzählige Lächeln und viele
fest haltende Kinderhände... und das ist mehr als Gold wert!
Auch hier möchte ich meine private Hilfe weiterhin anbieten. Über
jede Hilfe freue ich mich sehr, werde dies aber auch weiterhin auf
eigene Faust tun. Jeder kann etwas tun, egal wie klein es ist, selbst
wenn es „nur“ ein geschenktes Lächeln ist. Wie ich bereits schon
einmal sagte, ein Verein für Kinder und Menschen, die nicht viel
haben, im Vergleich zu unserer Konsumgesellschaft, ist in Planung.
Allerdings muss ich erst in diesem Jahr mein Studium beenden. Wir als
„Wegwerf-Gesellschaft“ sollten uns mehr Gedanken über dieses
riesige Thema machen und wenigstens das Teilen, was uns am wenigsten
kostet- ein Lächeln, egal wo wir sind!
Das Lachen der Kinder in Indien – mehr haben sie nicht, es ist
jedoch unbezahlbar!
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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