Einzelhandel nimmt langsam wieder Fahrt auf
Shut-Down wird aufgeweicht

Blcik auf die Siegburger City. | Foto: Archiv/dwo
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Siegburg - In der vergangenen Woche wurde seitens der Regierung darüber
informiert, wie es in der Corona-Krise weitergehen soll. Unter anderem
wurde dabei verkündet, dass ab 20. April nun weitere Geschäfte unter
bestimmten Bedingungen öffnen durften.

Über dieses Thema sprach das Extra-Blatt mit Sissis Vassiliadis,
erster Vorsitzender des Verkehrsvereins Siegburg.

- Wie viele Geschäfte gibt es in Siegburg bzw. wie viele Mitglieder
hat der Verkehrsverein?Der Verkehrsverein als Repräsentanz des
Einzelhandels, der Gastronomie und der Dienstleister in Siegburg
vertritt rund 200 Mitglieder. - Wie viele davon haben bislang komplett
schließen müssen?Das können wir nicht beziffern. Aber ein Blick in
unsere Fußgängerzone zeigt, dass alle Restaurants, Gaststätten und
der Non Food-Sektor bis auf sogenannte systemrelevante Unternehmen
geschlossen sind. - Wie sehen Sie die aktuelle Lage der Geschäftswelt
in Siegburg durch die bisherigen Einschränkungen?Unsere Mitglieder
haben teilweise fünfstellige Lieferantenrechnungen und gleichzeitig
Warenbestände, die sie nicht verkaufen können. Sie haben ihr
Personal in Kurzarbeit schicken oder freistellen müssen. Ich bedauere
sehr, dass auch unsere Mitarbeiter schmerzhafte Einbußen hinnehmen
müssen.

Boutiquen werden eingekaufte Frühjahrskollektionen im Frühsommer
nicht mehr zu auskömmlichen Konditionen verkaufen können, zumal sie
laut GfK infolge der Corona-Krise mit einem gegenüber dem Vorjahr
deutlich schlechteren Konsumklima konfrontiert sind. Bereits im März
lag der Wert auf dem niedrigsten Niveau seit 2009, dem zweiten Jahr
der zurückliegenden Weltwirtschaftskrise.

Unsere Einzelhändler, Gastronomen und Dienstleister zahlen hohe
Gewerbekaltmieten. Energiekosten und Umlagen laufen weiter. Hier
kommen selbst bei einem kleinen Laden schnell Kosten von 3.000 bis
5.000 Euro pro Monat zusammen, ohne dass bislang ein Cent Einnahme
dagegengestanden hat. Hinzu kommen möglicherweise Kreditraten und
Abschreibungen für getätigte Investitionen. Die Lage eines kleinen
Familienunternehmens oder Soloselbstständigen kann man sich vor
dieser Kulisse ausmalen: Sie ist prekär. Einen längeren Shutdown
hätten viele von ihnen nicht durchstehen können. - Wie viele dürfen
jetzt wieder öffnen und wie viele werden dies tatsächlich tun?Ein
großer Teil unserer Geschäfte ist eher kleiner – das macht gerade
den Reiz der Angebotsvielfalt in der Kreisstadt aus – und liegt
demnach unter der von der Bundesregierung definierten Obergrenze von
800 Quadratmetern Ladenfläche. Insofern wird eine von mir nicht
bezifferbare, aber große – wohl überwiegende – Zahl an Läden in
Siegburg wieder offen sein, zumal sie ihre langjährig gewachsene
Kundschaft schnellstmöglich wieder bedienen möchten. - Wie viele
Geschäfte werden dann noch geschlossen bleiben müssen?Zu meinem
Bedauern profitieren wichtige Akteure im Siegburger Einzelhandel, wie
der Kaufhof oder das Elektrokaufhaus Saturn nicht von den Lockerungen
des Shutdowns, weil sie das Limit von 800 Quadratmetern
überschreiten. Ich teile hier die Kritik des Handelsverbandes
Deutschland, HDE, an dieser Differenzierung. Zu Recht macht der HDE
darauf aufmerksam, dass Abstands- und Hygieneregeln „sowohl in
kleinen als auch in großen Geschäften eingehalten werden“ können.
Aus Sicht des Siegburger Einzelhandels bedauere ich vor diesem
Hintergrund, dass zwei Gerichte die Klagen von Galeria Kaufhof auf
Öffnung abgelehnt haben. Wir alle wissen derzeit nicht, wie sich die
Pandemie noch entwickeln wird: Es ist aber aus meiner Sicht nicht
nachvollziehbar, wieso beispielsweise Möbelhäuser öffnen dürfen
– und ein auch in Siegburg für die Versorgung der Menschen
bedeutendes Kaufhaus nicht. - Wie werden die geforderten Bedingungen
(Hygienestandards/Personenbeschränkungen) umgesetzt?Wir erleben im
Lebensmittelhandel bereits jetzt, wie verantwortungsvoll der
Einzelhandel mit seinen Kunden und Mitarbeitern umgeht: beispielsweise
Plexiglas oder Folien an den Kassen, um Angestellte vor
Tröpfcheninfektionen zu schützen, Klebestreifen auf dem Boden, um
den gebotenen Abstand zwischen einzelnen Personen zu wahren, Schilder
an den Eingängen, die eine Höchstzahl von Kunden im Laden
definieren. Das sind wir – und das sage ich als Siegburger
Einzelhändler ausdrücklich – unseren Kunden UND unseren
Mitarbeitern*innen schuldig!- Gibt es da eine einheitliche Regelung,
die von der Stadt Siegburg oder dem Verkehrsverein beschlossen wurde
oder wird das jeder Einzelne an seine ganz persönlichen Gegebenheiten
vornehmen?Wir besprechen im Einvernehmen mit Fachleuten der Stadt alle
notwendigen Maßnahmen im Detail. Lassen Sie mich aber bitte auch
anmerken, dass die Forderung der Bundesregierung nach
Schutzausrüstung auch mit Gegebenheiten am Markt in Einklang stehen
muss. Versuchen Sie einmal, eine zugelassene Schutzmaske oder
virocides Desinfektionsmittel zu bekommen! Nach meiner Beobachtung
verhalten sich die meisten Menschen in Deutschland aber verantwortlich
in dieser Krise. Essenziell ist, dass alle das Abstandsgebot
einhalten. Wir haben hierzulande zwar – noch – keine
Schutzmaskenpflicht beim Einkauf, wie etwa in Österreich, aber ich
hoffe, dass auch zum Schutz unseres Personals und anderer Kunden viele
Besucher unserer Läden wenigstens auf Behelfsmasken zurückgreifen
werden. - Wie stehen Sie dazu, dass Gastronomiebetriebe weiterhin
nicht öffnen dürfen?Natürlich könnten Abstandsgebote im
gastronomischen Umfeld ebenso eingehalten werden wie in Läden.
Insofern bedauere ich es für unsere Kollegen aus der Gastronomie
sowie deren Mitarbeiter, dass die Zeit des erzwungenen Stillstandes
für sie noch andauert. Wir erleben aber auch in Siegburg, dass sich
Gastronomen mit großem unternehmerischen Engagement in
Liefer-Services engagieren. Und der Bedarf ist offenbar vorhanden: Vor
allem in sozialen Netzwerken gut vernetzte Gastronomen sind damit
erfolgreich. Auch ein Siegburger Weinhaus hat einen solchen Service
aus dem Boden gestampft – und er funktioniert offenbar gut. So
gelingt es diesen Anbietern, ihre Kunden weiter zu bedienen. Das freut
mich sehr.

Blcik auf die Siegburger City. | Foto: Archiv/dwo
Sissis Vassiliadis, Vorsitzender des Verkehrsvereins Siegburg. | Foto: Archiv/dwo
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