Im Gespräch mit Sissis Vassiliadis
Sissis Vassiliadis zur aktuellen Situation

Sissis Vassiliadis, erster Vorsitzender des Verkehrsvereins Siegburg. | Foto: Verkehrsverein Siegburg
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Siegburg - Das Extra Blatt im Gespräch mit Sissis Vassiliadis, erster
Vorsitzender des Verkehrsvereins Siegburg

Die Ausbreitung des Corona-Virus hat auch extreme Auswirkungen auf die
Kreisstadt. Die Bürger sollen möglichst zu Hause bleiben, Geschäfte
und Restaurants müssen schließen. Im Interview äußert sich Sissis
Vassiliadis, Vorsitzender des Verkehrsvereins Siegburg, zur aktuellen
Situation.

Wie ist die aktuelle Situation bei Ihnen? Wie gehen Sie mit der Krise
um?Bis auf den täglichen Bedarf sind auch in Siegburg alle Läden
geschlossen. Wir haben eine nie zuvor gekannte Ausnahmesituation und
versuchen das Beste draus zu machen. Ich selbst verhalte mich
entsprechend den staatlichen Anweisungen, um das Ansteckungsrisiko
für andere zu minimieren. Niemand weiß, wie es weitergeht. Wir
hören viele Hilfsankündigungen des Staates, aber Konkretes ist bei
uns noch nicht angekommen.

Wie geht es Unternehmen, die schließen mussten? Haben Sie da
Rückmeldungen?Die Unternehmen sind alle sehr verunsichert und hoffen
auf Unterstützung durch Staat und Kommunen. Viele unserer Unternehmen
haben in der Vergangenheit sehr solide gewirtschaftet und Steuern
bezahlt. Jetzt ist aus meiner Sicht der Staat in der Pflicht, sie
nicht leichtfertig ins Aus gehen zu lassen.

Wie sieht es nun aus, im Hinblick auf Personal, das weiterbeschäftigt
werden muss, oder Miete von Geschäftslokalen?Der Staat hat den Zugang
zu Kurzarbeit erleichtert. Das ist ein erster wichtiger Schritt zur
Entlastung. Dabei muss man aber berücksichtigen, dass Arbeitnehmer
ernsthafte Einkommenseinbußen haben. Natürlich laufen Miete und
Betriebskosten weiter. Staatliche Kredite helfen uns hier nicht! Wir
brauchen hier Sofortmaßnahmen – in Bayern gibt es unbürokratische
Soforthilfen. Bayern hat ein Sofortprogramm für Soloselbstständige,
Freiberufler, Selbstständige, kleine und mittlere Unternehmen
aufgelegt. Diese Corona-Soforthilfe wird beschleunigt ausgezahlt.

Gibt es für die Unternehmen und Einzelhändler Alternativen – zum
Beispiel Lieferservices oder Online-Shops?Viele Restaurants in
Siegburg haben krisenbedingt auf Lieferservice umgestellt. Darauf
mache ich ausdrücklich aufmerksam, damit dieser Service auch
wahrgenommen wird. Viele personennahen Dienstleistungen lassen sich
nicht auf Online umstellen.

Wissen Sie, ob die Leute, die schließen mussten, nun zuhause sitzen
oder irgendwie weiterarbeiten?Unsere Banken haben, soweit es ging, auf
Home-Office umgestellt. Viele meiner Kollegen und auch ich selbst
halten digital Kontakt zu ihren Mitarbeitern und Kunden, weil wir so
schnell wie möglich wieder starten wollen, wenn die Lage es erlaubt.

Sind Einzelhändler jetzt schon in der Existenz bedroht?Ganz sicher!
Viele unserer Gewerbetreibenden in Siegburg arbeiten als Klein- oder
Familienunternehmen – zum Beispiel Gastronomen oder auch Friseure
sowie weitere Gewerke, die persönliche Dienstleistungen erbringen,
haben vielfach bereits im laufenden Betrieb Liquiditätsprobleme und
sind auf laufende Einnahmen angewiesen. Nicht wenige von ihnen werden
in Zeiten, die von Corona-bedingter Distanz geprägt sind, sehr
kurzfristig in ernsthafte Probleme geraten. Gerade die vielen
kleineren und mittleren Einzelhandels-, Dienstleistungs- und
Gastronomie-Unternehmen, die unsere Stadt prägen, brauchen weitere
unbürokratische und schnelle öffentliche Unterstützung.

Haben Sie noch eine persönliche Einschätzung der Situation?Die
Öffentliche Hand muss nach langen Jahren auch von uns
mittelständischen und kleinen Unternehmen erbrachter üppiger
Steuereinnahmen nun schnell Hilfe leisten. Carsten Linnemann,
Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, fordert zu Recht,
dass die Vorfälligkeit der Beiträge zur Sozialversicherung
abgeschafft werden müsse. Das würde unsere Unternehmen dringend
benötigte Liquidität verschaffen. Denn die Kosten für Mieten,
Betriebskosten und Personal laufen ja Monat für Monat weiter. Ein
weiteres drängendes Thema sind die Quartalsvorauszahlungen zur
Einkommensteuer. Sie richten sich nach den zurückliegenden
Betriebsergebnissen. Diese müssen schnell und unbürokratisch von den
Finanzämtern an die nun deutlich niedrigeren und bei geschlossenen
Geschäften gar nicht vorhandenen Ergebnisse angepasst werden.

Mein großer Respekt gilt den Menschen, die in Supermärkten, Praxen
und Apotheken, bei der Feuerwehr, bei der Polizei und beim Ordnungsamt
für die Grundversorgung unserer Bevölkerung arbeiten. Unsere
Rücksichtnahme gebietet es, dass wir einen Mindestabstand von zwei
Metern zu Ihnen einhalten, wenn wir einkaufen oder ihnen begegnen.

Möglicherweise können wir erst im Spätsommer mit einem Abflauen der
Epidemie rechnen. Und danach könnte es sein, dass die Menschen ihren
Konsum einschränken werden. Wir kennen das aus den Zeiten des
Angstsparens in den 90er-Jahren. Das wird den stationären
Einzelhandel besonders treffen. Dieser hat sich zudem bereits in der
Vergangenheit mit dem Online-Versandhandel auseinandersetzen müssen.

Wenn wir weiter vitale Innenstädte haben wollen, müssen nun
gemeinsam Lösungen gefunden werden. Denkbar wäre in Siegburg ein
Runder Tisch unter Beteiligung von Banken, Handelstreibenden und
Finanzbehörden, um gemeinsam Lösungen zur Bewältigung dieser Krise
zu finden, die auch die Kreisstadt hart trifft.

Die Fragen an Sissis Vassiliadis stellte Dirk Woiciech.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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