Wenn das Erlebnis vor Ort fehlt ...
Staatliche Hilfen machen Hoffnung auf Fortbestand

Foto: pixabay
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Siegburg - Wie gingen die Unternehmer mit den Schließungen ihrer Geschäfte um

„Stationärer Einzelhandel lebt von der persönlichen Begegnung mit
dem Kunden. Wenn unsere Läden geschlossen sind, sind alternative
Vertriebsmaßnahmen ein Kampf gegen Windmühlen, weil unseren Kunden
das Einkaufserlebnis fehlt.“

Sissis Vassiliadis, Vorsitzender des Siegburger Verkehrsverein bringt
es auf den Punkt. Monate der Schließung treiben die Einzelhändler
und Gastronomen an die Grenzen ihrer Belastung. Wie kommen die
Geschäftsleute in Siegburg damit zurecht? Setzt man sich in der Stadt
mit den verschiedenen Branchen auseinander, erhält man ein
Stimmungsbild, das nur einen Hauch der gesamten Lage vermittelt.

„Die augenblickliche Situation finde ich sehr bedenklich“,
erklärt Susann Muth, Inhaberin des gleichnamigen Kosmetikinstituts in
der Brauhofpassage. „Meine Türen sind bereits seit fast fünf
Monaten geschlossen. Ich habe zwar auch auf online umgestellt, da es
nötig war, die bestellte und bezahlte Ware gerade in der
Weihnachtszeit abzusetzen.“ Doch das Unternehmen lebt in erster
Linie vom Dienst am Kunden. „Alles musste ja weiterlaufen, auch die
bestehenden Grundlasten des Instituts. Zum Glück bekommt mein Team
Kurzarbeitergeld. Das hat zwar nach dem ersten Lockdown zwei Monate
gedauert, bis der Antrag durch war. Aktuell braucht es nur ein paar
Tage.“ Die Erfahrungen mit den staatlichen Hilfen sieht Susann Muth
kritisch. „Mitte Februar erhielt ich die Kompensation Dezemberhilfe.
Solch starken Schwankungen der Soforthilfen sind nicht tragbar, mental
wie unternehmerisch. Überbrückungshilfe III habe ich nicht
beantragt, da sie so umfangreich ist und noch 45 offene Fragen im Raum
stehen. Es soll für das Institut auch eine Prognose meinerseits bis
Juni gestellt werden. Wie soll das gehen? Die Soforthilfe vom letzten
Jahr mussten wir ebenfalls zurückzahlen. Aber ich werde
weitermachen.“ Dennoch lässt sie keinen Zweifel an der Richtigkeit
des Lockdowns. „Die Schließung war notwendig, da mir die Gesundheit
meiner Angestellten ausgesprochen wichtig ist. Aber alles andere
hätte einfacher laufen können.“

Auch Kay-Uwe Hübscher erwischte es mit seinem Bastelladen auf der
Kaiserstraße mitten im Weihnachtsgeschäft. „Die Kunden hatten sich
schon recht früh mit Dekoration und künstlerischem Material
eingedeckt. Das war spürbar.“ Der Inhaber befand sich dennoch jeden
Tag vor Ort und nutzte die Zeit des Lockdowns für Umbauarbeiten.
Außerdem beteiligte er sich am „Click & Collect“-Verfahren, bei
dem die Kunden vorbestellte Ware an der Tür abholen. „Ohne das geht
es gar nicht.“ Für ihn waren die staatlichen Hilfen ein Segen.
„Nachdem die Bewilligung eintrudelte, konnte ich besser schlafen.
Das hat zwar gedauert, aber letzten Endes ist man froh für die
Unterstützung.“ Für ihn erschienen die Hürden des Antrags, in
Kooperation mit dem Steuerberater, nicht so hoch. „Das beugt einem
Missbrauch vor. Und er brachte das Ganze schnell auf den Weg.“
Ferner zeigten sich viele Menschen in der Situation solidarisch.
„Selbst der Vermieter drängelte nicht.“ Kay-Uwe Hübscher hat
sich zukünftig allerdings gegen einen Online-Shop entschieden. „Ich
denke, im Kreativbereich kommen die Leute gerne in den Laden. Hier
geht es vordergründig um den Austausch und die persönliche Beratung,
sich Zeit zu nehmen und mit den Kunden gemeinsam ihre künstlerischen
Projekte zu planen.“

In Seligenthal hingegen bleibt die Küche in der „Villa Waldesruh“
kalt. Mit den ersten warmen Temperaturen bieten Timo Müller, Sandor
Krönert, Inhaber der Villa Waldesruh sowie Restaurantleiter
Maximilian Arnolds, den Spaziergängern jedoch jedes Wochenende kleine
Snacks zum Mitnehmen an, wie etwa frische Wild-Hotdogs aus eigener
Jagd. „Zurzeit machen wir als Inhaber den Service einfach selber, so
haben wir etwas zu tun“, so Sandor Krönert, „und es macht richtig
Spaß.“ Corona-Hilfen konnte die Villa, mit
Übernachtungsmöglichkeit und Restaurant, leider nicht in Anspruch
nehmen. „Wir hatten eigentlich noch gar nicht richtig offen, als uns
die Pandemie traf. Ergo griffen hier keine Hilfen.“ Da die Villa
Waldesruh aber zum „Tanzhaus Bonn“ gehört, nutzte die Mutterfirma
die November- und Dezemberhilfe. „Das zu beantragen war recht
kompliziert, doch der Steuerberater stand helfend zur Seite. Außerdem
konnte man die Anträge erst sehr spät stellen, zu einem Zeitpunkt,
wo das Geld bereits dringend gebraucht wurde. Wir hatten das Glück,
auf Rücklagen zugreifen zu können, sonst wären wir nicht
durchgekommen. Ebenso mussten wir die Soforthilfe zurückzahlen, da im
Ergebnis aufgrund unserer Rücklagen kein Liquiditätsengpass
bestand“, schilderte Timo Müller. „Man soll aber auch nicht auf
die Politik schimpfen, selbst wenn es lange gedauert hat. Viele
Menschen verknüpfen hiermit Hoffnung. Ich persönlich möchte nicht
in der Lage der Entscheidungsträger stecken.“ Dennoch schwingt
etwas Kritik mit. „Man bekam automatisch 75 Prozent vom
Vorjahresumsatz. Eine Bemessung am Gewinn wäre vielleicht sinnvoller
gewesen.“ Das Team glaubt allerdings, dass wesentlich weniger
Betriebe insolvent gehen, als gedacht. „Nun freuen wir uns darauf,
wenn es wieder losgeht.“

Sissis Vassiliadis vom Verkehrsverein sieht das nicht ganz so positiv:
„Gerade kleinere Unternehmen, die die Individualität der
Shopping-Stadt Siegburg ja ausmachen, haben oft nicht die
Kapitaldecke, um einen weiteren monatelangen Lockdown durchzustehen.
Wenn der Staat die Läden trotz guter Hygiene-Konzepte schließt, muss
er unseren Einzelhändlern und Gastronomen auch unbürokratische
Angebote zur Kompensation ihrer Umsatzausfälle bereitstellen. Ein
Blick in eins der Antragsformulare wird jeden unbefangenen Betrachter
sofort davon überzeugen, dass ein verwaltungsjuristisch unerfahrener
Mensch da nicht durchsteigt. Wenn aber der Staat unsere Läden
wangsweise schließt, kann er die Gastronomen, Einzelhändler und
Dienstleister nicht im Regen stehen lassen. Es ist klar, dass sie
schnelle Hilfe benötigen.“

- Dirk Woiciech

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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