Kamingespräch mit Franz Müntefering
"Demokratie kennt keinen Schaukelstuhl"
Swisttal - Wenn zwei Sozialdemokraten, die sich über viele Jahrzehnte auf
verschiedenen Ebenen politisch und gesellschaftlich engagiert haben,
aus ihrem Leben erzählen und ihre Sicht auf die Dinge preisgeben,
kann es nur interessant und unterhaltsam werden. Franz Müntefering,
seit 51 Jahren Mitglied der SPD, unter anderem deren früherer
Bundesvorsitzende, Vize-Kanzler, Bundes-Verkehrsminister und
Bundes-Arbeitsminister, und Hermann Leuning, Ortsvorsteher von
Heimerzheim, seit „gefühlten 70 Jahren“ Mitglied der SPD,
stellvertretender Vorsitzender der AWO Swisttal, früherer Swisttaler
Ratsherr, pensionierter Feuerwehrmann und ehemaliger Zehnkämpfer. So
wurden die Gäste dieses Kamingesprächs mit dem
SPD-Landtagskandidaten Folke große Deters im bis auf den letzten
Platz gefüllten Restaurant Klosterstuben auch nicht enttäuscht. Der
Anlass: in diesem Jahr lädt die SPD am 1. Mai zum 40. Mal zur
zentralen linksrheinischen Kundgebung auf den Velten-Platz ein und
deren Mitinitiator und Mitorganisator Hermann Leuning blickt im Mai
seinem 80. Geburtstag entgegen. Für ihn war klar: „Die
Maikundgebung findet hier statt solange ich kriechen kann.“ Auch
Müntefering hielt diese Tradition aus der Arbeiterbewegung keineswegs
für überholt. Solche Foren brauche man, auch für das politische
Gespräch. Denn: „Richtig lernen tust du, wenn du mit anderen
sprichst.“ Der 1. Mai müsse eine selbstverständliche Tradition
bleiben, sie sei ein selbstverständlicher Wert, schließlich sei
„die rote Fahne die wichtigste Farbe.“ Und er zog einen Vergleich
mit einem Bonmot: „Parteien sind ja auch säkulare Kirchen. Wir
haben alles gewagt, außer Weihrauch.“
Leuning blickte auf die Anfänge zurück, als er als „Roter“ im
„schwarzen“ Heimerzheim die ersten SPD-Wahlplakate aufgehängt
hatte – bei Nacht. Und nachts die Fenster geöffnet und gerufen
wurde, er solle abhauen und die Plakate abhängen, man würde sie
ohnehin am nächsten Tag wieder abreißen. Rund 40 Jahre später sei
er selbst mit den Stimmen der CDU zum Ortsvorsteher gewählt worden
und die SPD-Bürgermeisterkandidatin Gisela Hein „wäre für
Heimerzheim allein durchgekommen, in ganz Swisttal fehlten ihr nur 200
Stimmen, sonst wäre sie Bürgermeisterin geworden“. Ans Aufhören
denken weder Müntefering mit 77 Jahren noch Hermann Leuning mit fast
80 Jahren. Müntefering brachte es so auf den Punkt: „Demokratie
kennt keinen Schaukelstuhl, ob du 40 bist, 60 oder 80. Menschen
können immer Dinge verändern und dafür sorgen, dass es immer ein
bisschen besser wird.“
- Gerda Saxler-Schmidt
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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