Swisttaler Lesetage
Maria Michels las Geschichten aus ihrer Kindheit

Swisttal-Ludendorf - ). „Bichte jonn“ – zur Beichte gehen - war mindestens einmal im
Monat Pflicht in der Kindheit von Maria Michels (78). Und offenbar
fiel irgendwie auch auf, wenn ein Kind die Beichte mal versäumt
hatte. Wenn dann auch noch die Christenlehre am Nachmittag ebenfalls
verpasst wurde, stand nicht nur Ärger mit dem Pastor fest: Das
Evangelium von Zachäus musste auswendig gelernt werden. „Och deheem
joof et en Faht Ress“ (auch zuhause gab es eine Tracht Prügel). Um
sich beidem nicht ein zweites Mal auszusetzen, waren die Odendorfer
Mädchen Maria und ihre Freundin erfinderisch: „Mie jonn noh
Löngdörep bichte“ (wir gehen nach Ludendorf zur Beichte). Also
wurde das Sündenregister vorab feinsäuberlich auf ein Stück Tapete
aufgeschrieben, und die Mädchen zogen zu Fuß  los an einem heißen
Sommertag. Dumm nur: die Ludendofer Kirche war geschlossen.
„Öndörp wollte me net, Löngdörp wor zoh – also noh Ollem“,
(Odendorf wollten wir nicht, Ludendorf war zu – also auf nach
Ollheim). Und die Mädchen gingen die lange Straße von Ludendorf nach
Ollheim, wo sie vorher noch nie gewesen waren. Waren sie auch richtig
angezogen, für Odendorf hätten ihre altfränkschen Kleider gereicht,
aber für Ollheim? „Oss Kleede woren altfränksch. Füe Öndörp
hätten se et jedonn, ävve für Ollem?“, kamen ihnen Zweifel.
Irgendwann kamen sie erschöpft und durstig in Ollheim an, gingen brav
zur Beichte und wunderten sich, dass sie nur zwei Ave Maria als Buße
auferlegt bekamen. Das, so vermuteten sie, weil der Pastor erkannt
hatte, dass die beiden Mädchen mit ihrem mühsamen Fußweg schon
Buße genug getan hatten. Schließlich stand auch noch der lange
Rückweg nach „Öndörp“ an.
Ihr helles Vergnügen hatten die Zuhörer, als die Odendorferin Maria
Michels, Jahrgang 1937, im Rahmen der Swisttaler Lesetage aus ihrem
Manuskript „De Huttjass jenannt de Theate’stroß“ ihre
Geschichten aus der Kindheit vorlas. Als sie diese Erlebnisse in und
um die heutige Odendorfer Orbachstraße im einzigen Manuskript 1988
handschriftlich festgehalten hatte, ging es ihr nicht nur darum,
Ortsgeschichte und Geschichten aus der früheren Zeit für ihre Kinder
und Enkel festzuhalten. Es ging ihr auch darum, den lokalen Dialekt
und seine alten Ausdrücke, die verloren gehen, zu sammeln und
lebendig zu halten. Spreet, Äälsteooch, Puffmaue, Spruute oder
Poppeköchekäppesje, en Faht Ress krieje – wer kennt heute noch
diese Begriffe? Maria Michaels hat die Ausdrücke „vonn ose
Mottesprooch“, wie für Decke, Hühnerauge, Puffärmel, Rosenkohl
oder Prügel bekommen in ihren Geschichten  „opp Önndörbe
Platt“ erhalten in ihrem Buch, das es nirgendwo zu kaufen gibt, an
dem sie aber in Lesungen Interessierte gerne teilhaben lässt.

- art

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

27 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.