HGB: Schüler erforschten unbekannte Kriegsgräber
Denkmalen eine Biografie geben

Foto: Heinrich-Böll-Gymnasium
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Ein außergewöhnliches Projekt: Schüler der neunten Jahrgangsstufe des Heinrich-Böll-Gymnasiums haben sich ein Schuljahr lang im Rahmen des Projekts „Den Denkmalen eine Biografie geben“ mit dem Kriegsgräberfeld auf dem Kriegsdorfer Friedhof beschäftigt. Sie haben sich auf eine lokale Spurensuche begeben, um den Kriegergedenkstein und die Kriegsgräber zu erkunden. Über diese Gräber war bislang wenig bis gar nichts bekannt. Es wurden Kirchenbücher ausgewertet, Archive kontaktiert, das Troisdorfer Stadtarchiv durchforstet und ein Zeitzeugengespräch mit einer 90-Jährigen durchgeführt.

Kürzlich fand hierzu eine feierliche Projektpräsentation auf dem Friedhof statt. Mehr als 100 Interessierte hatten sich auf dem Kriegsdorfer Friedhof eingefunden. Zu den Gästen zählten Bürgermeister Alexander Biber und weitere Vertreter aus dem Rathaus, zahlreiche Kommunalpolitiker verschiedener Ratsfraktionen, Repräsentanten der Kirchengemeinden, viele Engagierte aus den örtlichen Vereinen und eine Vielzahl an interessierten Bürgern.

Zahlreiche außerschulische Projektpartner haben der Forschungsgruppe, bestehend aus 15 Schülern, bei ihrer Spurensuche geholfen: Ortsring Kriegsdorf, Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, katholische Kirchengemeinde St. Johannes Troisdorf, das Stadtarchiv Troisdorf.

Foto: Heinrich-Böll-Gymnasium

Im Rahmen ihrer Projektpräsentation haben die Schüler genauere Einblicke in ihren Forschungsprozess gegeben und vorgestellt, was sie über die Kriegsgräber und die Situation während des Zweiten Weltkriegs im Stadtteil Kriegsdorf herausgefunden haben. Ziel des Projekts war es zum einen, die Denkmale in dem historischen Ortskern als begehbare Quelle zu erforschen, Verborgenes rund um die Gräber sichtbar zu machen und den unbekannten oder vergessenen Toten „ihre Biografie zurückzugeben“. Dies ist beeindruckend gelungen. Zu fast allen Toten konnte das Forschungsteam Informationen herausfinden. Zu den gefallenen Soldaten gibt es nun zugängliche Informationen zum Werdegang und zum Teil auch zu den Umständen ihres Todes.

Aber auch zu den Zivilisten in der Kriegsgräberreihe gab es interessante Erkenntnisse: In den Kriegsjahren des Zweiten Weltkriegs 1939-1945 wurde auch Kriegsdorf nicht verschont. Besonders im Jahr 1941 gab es einen großen Bombenangriff, welcher auch viele zivile Opfer forderte. Laut Kirchenbuch (Register Kapellengemeinde Kriegsdorf) und Sterbeurkunden aus dem Stadtarchiv Troisdorf wurden acht Einwohner aus Kriegsdorf bei einem feindlichen Fliegerangriff am 14. Oktober 1941 tödlich verletzt und am 18. Oktober 1941 auf dem Kriegsdorfer Friedhof beigesetzt. Zu einigen dieser Opfer gibt es nun detaillierte Informationen, die bislang noch nicht für die Öffentlichkeit zugänglich waren.

Die Veranstaltung auf dem Friedhof diente vor allem auch als Startschuss für die offizielle Übergabe der Forschungsergebnisse an die Troisdorfer Bevölkerung. Im Rahmen der Arbeit mit den unterschiedlichen Quellen sind zwei Informationstafeln entstanden. Eine Tafel, die sich vor allem mit den Denkmalen auf dem Friedhof beschäftigt, steht in unmittelbarer Nähe des Kriegsgräberfeldes. Eine weitere wurde in der Reichensteinstraße / Ecke Alte Uckendorfer Straße enthüllt. Auf dieser Tafel wird der besonders verheerende Luftangriff auf Kriegsdorf am 14. Oktober 1941 dargestellt.

Darüber hinaus haben die Schüler einen Biparcours (eine digitale Führung für Smartphones und Tablets) entwickelt, der die vielfältigen Ergebnisse der Projektgruppe zukünftig allen Interessierten interaktiv zur Verfügung stellt. In dieser digitalen Anwendung erhalten Neugierige nun detaillierte Informationen zu einzelnen Toten in der Gräberreihe, Hintergrundinformationen zum Kriegsgeschehen in Kriegsdorf während des Zweiten Weltkrieges, Denkanregungen zu den Denkmalen auf dem Friedhof sowie authentische Einblicke durch Audioeinspielungen aus dem geführten Zeitzeugengespräch.

Foto: Heinrich-Böll-Gymnasium

Dass die Schüler etwas Großartiges geleistet haben, empfindet auch Daniel Mühlratzer, einer aus dem Forschungsteam des Heinrich-Böll-Gymnasiums: „Auch wenn so ein Forschungsprojekt durchaus sehr anstrengend sein kann und viel Zeit benötigt, war es für mich sehr interessant und auch lehrreich. Außerdem sind wir Schüler schon auf gewisse Weise stolz, dass wir mit den Stelltafeln etwas für die Gesellschaft geschaffen haben.“

Ähnliches klang auch bei der Rede der Schülerinnen Lara Zickermann und Linda Hoffmeister an, die in der Gruppe teilgenommen haben, die das Zeitzeugengespräch vorbereitet, durchgeführt und ausgewertet haben: „Es war interessant zu sehen, wie nah die Menschen am Kriegsgeschehen dran waren. Für uns ist das unvorstellbar gewesen. Es ist beeindruckend zu hören gewesen, wie sehr ein Krieg die Menschen um ihn herum prägt. Durch unser Interview haben wir die Möglichkeit erhalten, nicht nur durch aufgezeichnete Daten, sondern auch durch die Erinnerungen einer Person, die all dies miterlebt hat, zu lernen und einen Eindruck zu bekommen, wie prägend Krieg bis heute sein kann.“

Mit den Informationstafeln und dem Biparcours ist eine beeindruckende Sammlung an Quellen entstanden, die nicht nur Schülern einen niederschwelligen Zugang zu den gegenseitigen Abhängigkeiten von Krieg, Frieden, Diktatur, Demokratie und bürgerschaftlichem Engagement eröffnet: Die Errichtung von Kriegsgräberfeldern war früher während des Zweiten Weltkriegs von großer Bedeutung. Neben Soldaten haben auch Kriegsgefangene, Opfer von Bombenangriffen, Zwangsarbeitskräfte, Häftlinge aus Konzentrationslagern, Personen aus dem Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime auf solchen Stätten ihre letzte Ruhe gefunden. Heute sind Kriegsgräberfelder wie auf dem Kriegsdorfer Friedhof immer noch wichtige Denkmale, weil sie Orte sind, an denen der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft in besonderer Weise gedacht wird. Zukünftige Generationen sollen erkennen und immer wieder daran erinnert werden, welch schreckliche Folgen Krieg und Gewaltherrschaft haben.

„Frieden beginnt nicht in New York bei den Vereinten Nationen, nicht in Brüssel bei der NATO, nicht in Berlin. Frieden beginnt im Lokalen vor Ort. Und zwar immer dann, wenn Menschen sich der Frage stellen, wie alle friedlich miteinander leben können“, so Projektleiter Andreas Wüste. „Mit den Ergebnissen des Projekts ‚Den Denkmalen eine Biografie geben‘ möchten Schüler des Heinrich-Böll-Gymnasiums den Troisdorfern Anregungen geben, sich dieser Frage immer wieder neu zu stellen.“

Das Projekt und speziell die Stelltafel auf dem Friedhof wurden durch das Programm „denkmal aktiv – Kulturerbe macht Schule“ der Deutschen Stiftung Denkmalschutz mit Mitteln des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes NRW gefördert. Die zweite Stelltafel zum Luftangriff im Jahr 1941, der ebenfalls von besonderer Bedeutung bei der Denkmalerforschung gewesen ist, steht in der Reichensteinstraße und wurde durch die Städte- und Gemeinden-Stiftung der Kreissparkasse Köln im Rhein-Sieg-Kreis finanziert.

Freie/r Redaktionsmitarbeiter/in:

Daniel Engel aus Troisdorf

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