Oberlar - abgehangener und vergessener Ortsteil?
Der vergessene Ortsteil
Oberlar - Jeden Tag schauen Hans-Werner und Heidi Kamps von ihrer Wohnung auf
den Hügel der Willy-Brand-Ring und Siegfeld Straße trennt. In dem
Wildwuchs von Büschen und Gräsern ist das Kunstwerk
„Gratwanderung“ des Bonner Bildhauers Georg Wittwer kaum mehr zu
erkennen. Man muss schon zweimal hinschauen, um die ausgehöhlten
Baumstämme zu entdecken.
In den 90er Jahren wurde an der Straßenkreuzung Sieglarer Straße und
Agnesstraße die neue Ortsumgehung geschaffen. Auf dem damaligen
Schutzwall verwirklichte der Künstler sein Projekt. Die Bäume
füllte er mit Beton aus und ordnete diese dann zu einer
„Schlange“ auf der Spitze des Walls an. Nach gut 35 Jahren ist das
alles längst verfault.
Übrig bleiben die Betonkerne, die nun Gräser überwuchern, -
vielleicht die Absicht von Georg Wittwer, das „ineinander Übergehen
von Natur und dem von Menschen Geschaffenen“ darzustellen. Aber
fürs Ehepaar Kamps ist es ein furchtbarer Anblick. „Das ist doch
das Entree nach Oberlar. Jeder der da reinfährt, bekommt einen
Schreck und fragt sich: Was erwartet mich hier?“, fasst Hans-Werner
Kamps seine Sorge zusammen.
In der Regel wird der Hügel zweimal im Jahr gemäht. „2018 dagegen
nur einmal und in diesem Jahr war noch keiner hier“, fügte Heidi
Kamps hinzu. Diverse Anrufe beim Baubetriebsamt und bei der
Stadtverwaltung führten nicht zum Erfolg. „Es fühlt sich niemand
zuständig. Wir wurden stets weitergeleitet.“
Hierzu Ortsvorsteher Kronenberg: „Der Zustand des Oberlarer
„Entrees“ am Willy-Brandt-Ring ist bereits in der Vorschlagsliste
aufgenommen, im Haushalt der Stadt wurden Mittel eingestellt, um in
Oberlar auch diesen Bereich zu verändern. Hierzu werden Vorschläge
zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern erarbeitet. Von einer
Vermüllung der Straßen und Parkplätze kann nicht die Rede sein.
Regelmäßig kommen Einwohner unseres Ortsteils auf mich zu. Ich
besuche ca. 150 Oberlarer anlässlich ihres Geburtstags. Bisher hat
kein einziger vorgetragen, dass die Straßen oder Parkplätze
zugemüllt seien.“
Angela Pollheim ist nicht nur SPD-Stadtverordnete im Rat und
Vizebürgermeisterin, sondern sie wohnt vor allem selbst in Oberlar.
Sie kennt seit Langem die Unzufriedenheit der Anwohner. „Immer
wieder wird der Wunsch geäußert, die Sieglarer Straße freundlicher
zu gestalten und die Bepflanzung mit Stauden und Wildblumen zu
ergänzen. Es gab bereits Eigeninitiative von Anwohnern mit
Blumenbeete in den Baumscheiben. Allerdings wurde durch
Schnittarbeiten diese Aufwertung einfach gestutzt. Das hat natürlich
den Anwohnern die Lust genommen. Außerdem ist das Kunstwerk nicht
Jedermanns Sache. Die Kaiserkrone hat sich durch eigene Aussaat
verbreitet, was das Grünflächenamt unterstützt. Ich denke, ein
Biogarten muss gleichfalls gepflegt werden und habe das vor geraumer
Zeit bei der Vorstellung des „Integrierten Stadtteilkonzeptes für
Oberlar“ im Ausschuss bemängelt.“
Aber nicht nur der Zustand des Denkmals, auf das noch nicht mal mehr
ein Schild hinweist, macht die Oberlarer traurig, auch den
Gesamteindruck des Ortsteils empfinden sie als bedenklich, etwa die
Vermüllung auf dem Parkplatz vor der „Gratwanderung“ durch Becher
und Pizzakartons, ebenso die Nahversorgung sei mangelhaft. Der Netto
in der Nähe schloss bereits im letzten Jahr. Ein Pächter als
Nachfolger hat sich bis heute nicht gefunden. Einzig ein Metzger, ein
türkischer Lebensmittelladen und ein Backshop sind erreichbar. Ferner
gibt es keine Poststelle. Dies wird auch vom Ortsvorsteher Ralf
Kronenberg bestätigt, der jedoch darauf hinweist, dass die
Kommunalpolitik nur die Rahmenbedingungen schaffen kann, um Händler
gemeinsam mit der Stadt anzuwerben. Zudem gebe es den
Senioren-Einkaufsdienst der AWO, den jeder nutzen könne.
„Für Senioren, die beschränkt mobil sind, wachsen die
Herausforderungen ständig“, findet Familie Kamps. Obwohl die
ärztliche Versorgung gewährleistet ist, fehle es an Kulinarischem
und Kulturellem. Außer der Marktstube verfüge man über keine
Gaststätte, höchstens Imbissbuden.
Zwar bieten AWO und evangelische Kirche kurzweilige Veranstaltungen
für Senioren, darüber hinaus sind die Möglichkeiten begrenzt.
„Beim „Schützenhof“ steht Tanz für Ältere auf dem
Programm“, erzählt Heidi Kamps. „Ansonsten gibt es hier keine
nennenswerte Vereinswelt“, ergänzte ihr Ehemann. „Oberlar ist der
abgehangene und vergessene Ortsteil, denke ich, da ist es zum Beispiel
in Altenrath noch besser.“
Das Angebot für Senioren empfindet die SPD-Politikerin ebenso wie der
Ortsvorsteher Kronenberg und der Vorsitzende des Ortsrings, Oliver
Roth, allerdings als ausreichend: „ Es gibt Seniorengymnastik mit
anschließender Tagesstätte zweimal die Woche im Martin-Luther-Haus,
das Haus Oberlar punktet mit einer Frühstücksrunde und die AWO hält
regelmäßig das Sonntagscafé offen. Diese organisiert zudem
monatlich eine Tagesstätte mit Kaffee, Kuchen und Programm.“
Genauso sehen Oliver Roth (Vorsitzender des Ortsrings Oberlar) und
Ralf Kronenberg als Ortsvorsteher das auch. Sie betonen, dass die
„Oberlarer Freunde“ beispielsweise in jedem Jahr eine
Karnevalssitzung für Senioren organisieren.
Vor rund sieben Jahren standen wohl Pläne der Stadt auf der Agenda,
den Ortsteil zu entwickeln und aufzuwerten. „Es wurden extra Firmen
dafür bezahlt, aber bis heute hat sich nichts getan.“
Bemerkenswert findet das Oberlarer Paar jedoch, das hier viele
ausländische Bürger hinziehen, die Häuser renovieren und zu neuem
Glanz verhelfen. „Seit zehn Jahren beteilige ich mich aktiv in der
Politik und versuche Beschwerden der Bürger an die Verwaltung zu
vermitteln. Ferner veranstaltet die SPD Troisdorf regelmäßig
Ortsbegehungen, bei denen auf Wünsche und Bedürfnisse eingegangen
wird. Aber leider findet das nicht immer Gehör bei der Verwaltung,
die gerne, wie beim Rückbau der Treppe von der Lindenstraße zur
Sieglarer Straße vollendete Tatsachen schafft. Wir hatten uns für
Renovierung und Erhalt der Treppe eingesetzt. Leider hat sich die
Verkehrssituation nach der ersten Stadtteilkonferenz 2014 eher
verschlechtert als verbessert“, erklärt Angela Pollheim.
Geschwindigkeitsbegrenzungen werden laut Anwohnern nicht eingehalten.
Der lärmende LKW-Verkehr tut sein Übriges, um die Wohnqualität zu
mindern. Die Verwaltung arbeitet aktuell an einem Stadtteilkonzept und
versucht Projektgelder zu beantragen.“
Bis dahin schauen Hans-Werner und Heidi Kamps weiterhin auf den Hügel
mit dem Denkmal: „Es fehlt an so vielem in Oberlar.“
Ralf Kronenberg, Ortsvorsteher Oberlar und Oliver Roth, CDU
Kreistagsabgeordneter, 1. Vorsitzender Ortsring Oberlar weisen
ebenfalls darauf hin, dass sich Anfang dieses Jahres eine Initiative
gegründet hat, die sich zum Ziel gemacht hat, auf die positiven Dinge
im Ort hinzuweisen, aber auch selbst positive Dinge zu bewirken. Diese
Initiative habe einen starken Zulauf, was auf die starke
Mitwirkungsbereitschaft der Oberlarer Bürger hinweise.
- Dirk Woiciech
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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