Fahrkarten für den Zug ins KZ
Drei Millionen Juden fuhren mit der Reichsbahn in de ...
Waldbröl - Drei Millionen Juden wurden von den Nationalsozialisten in die
Konzentrationslager deportiert. Zur Aufarbeitung der NS Zeit gehört
auch die Frage: „Wie sind die Juden in die Lager gekommen?“ Dr.
Ludger Heid stellte in seinem Vortrag unter dem Titel „Mit der
Reichsbahn in den Tod“ genau diese Frage. Vor Oberstufenschülern
des Hollenberg-Gymnasiums und der Gesamtschule Waldbröl brachte er
Licht in ein spezielles Kapitel der NS Zeit.
„Die Nürnberger Prozesse haben diese Frage ausgeklammert und
niemand, der für die technische Abwicklung zuständig war, wurde
verurteilt“, so der Historiker Heid.
Federführend für die Durchführung der Transporte, von Millionen
Juden in die Vernichtungslager, war der NS-Staatssekretär und
stellvertretende Generaldirektor der Deutschen Reichsbahn Albert
Ganzenmüller.
Er ist der einzige Reichsbahner, dem unter Nennung von 190 Zeugen im
Jahr 1972, nach seiner Rückkehr aus Argentinien, der Prozess gemacht
wurde. Zu einem Urteil kam es nie, da Ganzenmüller von 1973 bis zu
seinem Tod für verhandlungsunfähig galt.
Die Organisation der Reichsbahn war trotz der Kriegsereignisse
perfekt. 1000 Juden transportierte jeder Zug, für den extra
Fahrpläne erstellt wurden und für die jeder Jude auch eine Fahrkarte
kaufen musste. „Umgerechnet drei Milliarden Euro
„erwirtschaftete“ die Reichsbahn durch die Transporte“, so Heid,
der den Schülern eine Abfertigungsliste vom 11. Dezember 1941 zeigte,
auf der akribisch per Strichliste, geordnet nach Alter und Berufen,
die Insassen eines Deportationszuges erfasst waren. 1007 Insassen
fuhren damals mit diesem Reichsbahnzug in den Tod.
Wie die Schuldzuweisung in der Hierarchie der Reichsbahn zu beurteilen
sei wollte ein Schüler in der anschließenden Diskussion wissen.
Traf den Lokführer auch eine Teilschuld? „Jeder hat etwas
gewusst“, erklärte Heid ohne in der Schuldzuweisung konkret zu
werden. „Leider hat die Deutsche Bundesbahn als Rechtsnachfolgerin
erst sehr spät begonnen, die Vergangenheit aufzuarbeiten“, so der
Historiker.
In Deutschland der Nachkriegszeit gab es bei manchen Personen wohl
auch einiges zu verbergen, deshalb lebten viele Nazigrößen
unbehelligt in Südamerika, vornehmlich in Argentinien. „Aber die
Geschichte der Juden ist nicht nur eine Verfolgungsgeschichte“,
erklärte Heid, der Mitglied der jüdischen Gemeinde in Duisburg ist,
in seinem Resümee.
Er bemängelte allerdings, dass eine umfassende positive Darstellung
des Judentums in Deutschland sowie eine Würdigung der Leistung der
Juden in vielen Schulbüchern fehle.
„Einstein und Freud waren Juden! Darüber mal nachdenken!“ Diese
Aufforderung gab er den Schülerinnen und Schülern mit auf den Weg.
- Jürgen Sommer
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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