60. Geburtstag
Faszination Buch: Bücherei im Wandel
Waldbröl - In diesen Tagen feierte die Evangelische Gemeindebücherei Waldbröl
ihren 60. Geburtstag. Älter als die Bücherei ist heute die
überwiegende Mehrzahl der aktiven Leser. Über 60 und teils auch
über 70 Jahre alt waren die rund 50 Besucher der Feierstunde im Saal
des evangelischen Gemeindehauses am Wiedenhof.
Diese Zahl entspricht ungefähr der Hälfte, der noch in der Kartei
registrierten Leser. „Die jungen Leser kommen nicht mehr“,
erklärt Ellen Bertrams (80) die gemeinsam mit ihrer Vize, Barbara
Schumacher, die Bücherei leitet. Unterstützt werden die beiden von
Gunhild Becher, Marlene Simon und einem Helferteam.
Ellen Bertrams lässt in ihrer Ansprache zur Begrüßung der Gäste
die Vergangenheit Revue passieren. Mit 500 Büchern im Verleihbestand
wurde 1958 begonnen. Es waren zuerst Kindergartenkinder, die sich an
den Bilderbüchern erfreuten oder Konfirmanden, die ein Buch mit nach
Hause nahmen.
„Den Höhepunkt erlebte die Bücherei in den Jahren von 1980 bis
1990, doch dann brach die Zahl der Leser dramatisch ein“, erinnert
sich die heutige Leiterin. Der Computer veränderte das Leseverhalten.
Obwohl auch die Bücherei mitzog und einen Computer aufstellte, war
der Entwicklungsgeschwindigkeit nicht Herr zu werden.
Die jungen Leser wanderten ab! Sachbücher wurden durch das Internet
zum Ladenhüter und das ist bis heute so geblieben! Die Konkurrenz
dagegen wuchs ständig. Jede Schule hatte eine eigene Bücherei, die
städtische Bücherei zog Leser an sich und ebenso das „Kaufhaus
für alle“. „Bei letzterem entstand eine Konkurrenz im eigenen
Haus“, betonte Pfarrer Thomas Seibel in seinem Grußwort.
„Im Kaufhaus der Kirchengemeinde erwarb man ein Buch für ein paar
Groschen und konnte es, ohne auf Ausleihfristen achten zu müssen,
lesen“, so Seibel. Die Bücherei versuchte in Eigeninitiative immer
mit der Zeit zu gehen und bot ihren „Kunden“ durchgängig
attraktive und neueste Medien an. Neben den Büchern wurden Kassetten,
Comics, CDs und DVDs sowie Videos angeboten, sogar Aufzeichnungen der
Gottesdienste konnten ausgeliehen oder erworben werden.
Die Mitarbeiter warten heute nicht nur am Tresen auf die Leser, denen
sie eine Auswahl von 5.000 Büchern präsentieren können, sondern sie
gehen seit einiger Zeit auch in die Alten- und Pflegeheime um dort
vorzulesen. „Darin sehen wir einen sozialen Auftrag“, so Bertrams.
Auch bei der Jubiläumsfeier sollte vorgelesen werden, „denn die
Freude am Lesen verdanken wir den Autoren und deshalb hatten wir
Birgit Rabisch eingeladen, die aus ihrem Buch „Putzfrau bei den
Beatles“ vorlesen sollte. Leider hat die Hamburger Autorin aus
Krankheitsgründen vor wenigen Tagen absagen müssen“, erklärte
Bertrams nicht ohne Enttäuschung.
Ganz kurzfristig sprang Buchhändlerin Angelika Abels in die Bresche
und las mit Engagement die von Rabisch markierten Textpassagen. In dem
Roman geht es um Konflikte und Krisen der »68er Generation« und
deren Nachkommen. So war es trotz einiger Sorgen ein runder Abend zum
60. Jubiläum, in dem sich letztlich ein Hauch der 1960er Jahre im
Saal breit machte.
Wie dem auch sei, als Walter Köster am Piano gemeinsam mit
Klarinettist Marius Mortsiefer den alten Beatles Song von der
„Yellow Submarine“ anstimmte und zum Mitsingen aufforderte, kam
Schwung in die Ü60er und dann war sie plötzlich wieder da, die
„gute“ alte Zeit, als man sich entspannt dem Lesen hingab, weil
der Computer mit dem flimmernden Bildschirm seinen Siegeszug noch
nicht angetreten hatte.
Und will man die Jugendlichen von heute, die sogenannten Digital
Natives, als Leser zurückgewinnen, dann muss ihnen - von wem auch
immer - die Faszination des Buches wieder nahegebracht werden. Eine
sehr schwere Aufgabe für die Zukunft der Büchereien!
- Jürgen Sommer
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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