Motorradgottesdienst
Kirchenglocken chancenlos

Viele Biker nutzten nach dem MOGO die Möglichkeit an einem geführten Korso teilzunehmen. Start und Ziel war der Platz an der evangelischen Kirche.                                                         | Foto: Jürgen Sommer
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  • Viele Biker nutzten nach dem MOGO die Möglichkeit an einem geführten Korso teilzunehmen. Start und Ziel war der Platz an der evangelischen Kirche.
  • Foto: Jürgen Sommer

Waldbröl. Immer wieder schaute Pfarrer Jochen Gran zum Kirchturm hoch. Läuten die Glocken nun oder läuten sie nicht? Zu hören waren sie jedenfalls nicht, als die Biker auf seine Initiative hin, am Ende des 23. Waldbröler Motorradgottesdienstes (MOGO), den Gashahn aufdrehten und rund 100 Motoren aufheulen ließen, um in den Wettstreit mit den Kirchenglocken einzusteigen.

Immer schön der Reihe nach: Anlassen und Gas geben, vom Ein- bis zum Vierzylinder und dann alle zusammen. Ein infernalischer Sound machte sich über dem sonst so beschaulichen Kirchplatz breit. Da mühten sich die Glocken vergeblich. Traditionell beendet Jochen Gran mit diesem sogenannten „Läuten der Motoren“ den von der Evangelischen Kirchengemeinde organisierten Biker Gottesdienst.

In diesem Jahr, so der Pfarrer, sollte es ein Protest gegen alle Kriege dieser Erde sein. Überhaupt schlängelte sich viel zeitgeistige Problematik und Information durch den Gottesdienst. Ist das Biker-Image im Sinkflug? Lassen Motorradpiloten den Egoismus obsiegen indem sie „sinnlos“ Rohstoffe verpulvern? Lässt der Klimawandel dies noch zu? Kann man sich noch mit einem russischen Motorrad, einer Ural, sehen lassen?

Muss sich hier nicht das schlechte Gewissen einschalten? Doch was ist Gewissen? Claudia Koch, in der Psychologie geschult, antwortete auf der Bühne, dass das Gewissen ein Produkt der individuellen Sozialisation sowie moralischer Instanzen sei. Doch jede gesellschaftliche Gruppierung habe ihre eigene Moral. Empfehlung: Das eigene Gewissen wach halten und den Lebensstil dem Gewissen anpassen. „Gewissen, das ist der moralische Kompass unseres Lebens“, ergänzte Gran. Doch wo liegt der Nordpol dieses Lebenskompasses?

Die Kirche, so stellte der Pfarrer resigniert fest, habe in der westlichen Welt den Stellenwert für dieses Richtinstrument verloren. Heute sind es wohl eher die Medien, Influencer oder die Politik, die die Richtung angeben. Auf dem Kirchplatz empfiehlt Gran, nicht den neuen moralischen Instanzen nachzulaufen, sondern sich auf Jesus zu besinnen, d i e moralische Instanz.

Dass auch die Lebensfreude wichtig sei, verdeutlichte Christa Schmidthaus, die in Vertretung für ihre Tochter Barbara Futh, von Bikern berichtete, die zusammenkamen, um behinderte Menschen in ihren Seitenwagen durch die Landschaft zu kutschieren.

„Für 160 unserer Behinderten war es gelebte Teilhabe, die rund 100 Gespann-Fahrer ermöglichten“. Zeitgeist heißt auch E-Mobilität. Frank Engelberth stellte ein schweres elektrogetriebenes Motorrad der Marke ZERO Motorcycles vor. Zwei Sekunden von 0 auf 100 Km/h, da heißt es sich festhalten, wenn es dann auch noch mit 200 über die Bahn geht. So richtig konnte oder wollte Engelberth, erklärter Verfechter des Sounds von Verbrennern, kein Kredo für den elektrischen Vortrieb, den Wolf im Schafspelz, abgeben. Jedoch die Zeiten ändern sich und zur aktuellen Debatte um die Legalisierung des Cannabis Konsums meinte der Biker-Pfarrer bewusst scherzhaft: „Nächstes Jahr gibt es an Stelle einer Bratwurst möglicherweise einen Joint!“ Mit einer Gedenkminute für die im letzten Jahr verunglückten Biker und dem Vaterunser endete der von der Jordan Wells Band begleitete Gottesdienst. Wer wollte, konnte an einem geführten Korso teilnehmen, der nach einer Runde wieder auf dem Kirchplatz endete, wo zwar kein Joint aber eine leckere Bratwurst auf die Biker wartete.

Viele Biker nutzten nach dem MOGO die Möglichkeit an einem geführten Korso teilzunehmen. Start und Ziel war der Platz an der evangelischen Kirche.                                                         | Foto: Jürgen Sommer
Der Zeitgeist greift auch beim MOGO Raum. Pfarrer Jochen Gran (l.) im Gespräch mit Frank Engelberth, der das Elektro Motorcycle im Vordergrund vorstellte.                                                | Foto: Jürgen Sommer
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Jürgen Sommer aus Waldbröl

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