Kein Beruf wie jeder andere
Wenn der Autoscooter den Alltag bestimmt
Waldbröl - Der große Autoskooter von Schausteller Manuel Schneider, mit dem er
schon im fünften Jahr während des Stadtfestes vor der Markthalle
stand, ist längst abgebaut. Schausteller, das ist kein Beruf wie
jeder andere!
Viele kommen aus großen Familien, die schon Jahrzehnte im Geschäft
sind. Auch Schneiders Wiege, so erzählt er, stand in einem schlichten
Kirmeswagen! Heute, 45 Jahre später, ist sein rollendes Zuhause ein
Luxus-Wohntrailer im Wert von 100 000 Euro und mit 12 Metern Länge
und 3,50 Metern Breite ein imposanter Blickfang. Nur wenige Meter
entfernt steht sein moderner Zweisäulen-Autoskooter, der im
blinkenden Licht der 16500 bunten Brennstellen erstrahlt.
Ein Fahrgeschäft für das locker eine Million auf den Tisch des
Herstellers hingeblättert werden muss. Wer bei solchen Summen
erschrocken zusammenzuckt, ist für das Gewerbe nicht geeignet. „Wir
sind in fünfter Generation als Schausteller auf Achse und kennen das
Geschäft“, so Schneider. Mit „wir“ meint er seine Geschwister,
die mit dem Hang Over - einem sogenannten Freefall Tower - und einer
Achterbahn unterwegs sind. Welten liegen zwischen Opas
Ketten-Karussell und den Großfahrgeschäften der Enkel.
Von Ostern bis zur Soester Allerheiligen Kirmes ist Schneider mit
seiner Lebensgefährtin Patricia Hortz und den vier Mitarbeitern auf
Festplätzen zuhause. Hortz, die auch aus einer Schaustellerfamilie
kommt, kocht jeden Tag für die gesamte Mannschaft, für die der
Speiseplan auch schon mal ein Wunschkonzert ist.
Von Sauerbraten über Eintopf bis zu internationalen Spezialitäten
wird alles gekocht. „Das Essen muss stimmen, daraus nimmt man die
Kraft “, lacht Schneider.
Nach Waldbröl kommt er gern! Im Gegensatz zu so manchen Großstädten
ist für das Schaustellerpaar hier die Welt noch in Ordnung. Schneider
erinnert sich gut an den Gottesdienst, der im vergangenen Jahr auf
seinem Autoskooter mit Pfarrer Jochen Gran stattfand. „Da hatte ich
Gänsehaut“, gesteht der sympathische Mann, der in einem harten Job
offensichtlich seinen weichen Kern bewahrt hat. Schneider holt alte
Familienfotos aus dem Schrank und blickt zurück: Schon als Kind war
er lieber auf dem Fahrgeschäft als in der Schule.
Oft sagte sein Vater am Ende einer Kirmes: „Entweder du hilfst
abbauen oder du gehst zur Schule!“ Abbauen, das war als Kind für
mich das Größte und die Entscheidung war klar, schwärmt der
erfolgreiche Schausteller, dem es damals nicht unbedingt gefallen hat,
dass ihn seine Eltern in Düsseldorf mehrere Jahre fest zur Schule
schickten.
Oft jedoch war der Schulweg wöchentlich ein anderer, denn als
Schaustellerkind mussten die Schulen in dem Ort besucht werden, wo das
Fahrgeschäft aufgebaut war.
Nach der Zukunft für seine Zunft befragt antwortet Schneider sachlich
und ohne ein Klagelied anzustimmen: Es wird immer schwerer für uns.
Die kleinen Plätze fallen mehr und mehr weg, lediglich die großen
Feste wie die Cranger Kirmes, Pützchens Markt oder die Oberkassler
Kirmes als Beispiele, werden langfristig bleiben. Die Auflagen werden
größer und die Kosten steigen immens. Auf der 200 Kilometer langen
Anfahrt nach Waldbröl schluckten die Zugmaschinen allein für 1000
Euro Sprit. Urlaub und Freizeit sind alles in allem rar. Ist das
große Saisongeschäft vorbei, wird mit gebrannten Mandeln auf
Weihnachtsmärkten weitergemacht! Im Winterquartier in Lippstadt
werden die Wagen in der Halle überholt, poliert, die Elektrik
geprüft und alles für die neue Saison picobello hergerichtet. Wenn
dann noch Zeit bleibt, geht es in den Urlaub auf Familienbesuch in die
USA. Dort wartet kein Fahrgeschäft auf die Schneiders. Dort ist
Abwechslung angesagt! Die Verwandten der German-Schneiders ernten mit
ihrer akrobatischen Hochseilschau Bewunderung und Applaus im Land der
unbegrenzten Möglichkeiten.
- Jürgen Sommer
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.