Vom Wasser überrollt
„Fertig und fassungslos“
Weilerswist-Metternich - Darauf hatten Petra Bianco und Oliver Knolle sich seit Wochen
gefreut. In dieser Woche wollten sie wieder in ihr Haus an der
Meckenheimer Straße ziehen. Seit Mitte März hatten die beiden in
einem Wohnwagen auf ihrem Hof gewohnt, nachdem ihr Haus nach einem
Wasserschaden im Februar kernsaniert werden musste. Das Hochwasser hat
ihren Traum zerstört, das frisch sanierte Haus im Erdgeschoss erneut
unbewohnbar gemacht und den Keller in eine Schlammwüste verwandelt.
Die Küche, die schon zum Einbau bereitstand, auch die ist dem Wasser
zum Opfer gefallen.Die Situation der Familie aus Metternich steht für
die Schicksale der vielen, vielen anderen Hochwasseropfer.
Dort, wo es an einem Sonntag normalerweise um die Mittagszeit auf der
Straße nach einem guten Essen duftet, hängt jetzt ein muffiger
Geruch in der schwülen Luft. Container, Abfallberge, Bagger und das
Geräusch der vielen Schaufeln, die Schutt und Schlamm wegräumen,
prägen am Sonntagmittag das Bild der Meckenheimer Straße. Die
Einwohner sind dabei die Spuren der Hochwasserkatastrophe zu
beseitigen. Eine Arbeit, die wie eine Sisyphusaufgabe anmutet.
Auch das Helferteam rund um das Haus von Petra Bianco und Oliver
Knolle räumt unermüdlich den vom Schlamm verschmierten Kellerinhalt
auf einen riesigen Container. Das Erdgeschoss ist schon vom
Schlimmsten befreit.
„Alles aus dem Keller muss weggeworfen werden“, teilt Oliver
Knolle seiner Lebensgefährtin unter Tränen mit.
Alles, bis auf ein paar kleine, von einer Schlammhülle überzogene
Kindersandalen, die eine Freundin aus dem Schlammfeld im Keller
gezogen hat und Petra Bianco überreicht. Es sind Sandalen des
erwachsenen Sohnes, die die 58-Jährige im Keller als Erinnerung
aufbewahrt hatte. Als just in diesem Augenblick der Sohn anruft, da
kommen Petra Bianco die Tränen.
Das Paar war im Wohnwagen am frühen Morgen von der Gewalt des
Wassers, das wie ein reißender Strom durch die Straße schoss,
überrascht worden.
„Wir haben einen lauten Knall gehört und einen gewaltigen Ruck
verspürt“, schildert Petra Bianco die dramatische Situation. Das
war der Moment, als die Wassermassen das Tor aus ihrer Hofeinfahrt
drückten und alles, was sich in den Weg stellte, mit sich fort
rissen. So auch den Dodge Charger, der im Hof abgestellt war. Das
Fahrzeug wurde von der Flutwelle gegen den Wohnwagen gedrückt, der
zwischen einer Wand und dem Fahrzeug eingekeilt stecken blieb. Das hat
den beiden vermutlich das Leben gerettet. „Sonst wären wir mit dem
Wohnwagen weggeschwemmt worden“, befürchtet Petra Bianco. Bis 18
Uhr saß das Paar im Hof fest. Über das Haus gelangten beide
schließlich mitsamt ihres Hundes und der Hilfe der Feuerwehr auf die
Straße, denn der Weg über die zerstörte Toreinfahrt war nicht
passierbar.
Zu Fuß ging es Richtung Weilerswist, wo sie Stunden an der Straße
warteten, bevor sie von einem Bekannten abgeholt werden konnten, bei
dem sie für die ersten Tage unterkamen. „Die ersten drei Tage habe
ich nichts mitbekommen. Ich war durch. Man ist nur fertig und
fassungslos“, schildert Petra Bianco ihre Gefühle.Die
Hilfsbereitschaft der Menschen aber sei der Hammer, berichtet sie.
„Jeder hilft jedem!“
Eine gebürtige Metternicherin, die in Münster lebt, habe sogar einen
Bus mit 40 Helfern in die Heimat geschickt. Nicht vom
Hochwasser-Betroffene verteilen Suppe im Ort. Es gebe
Verpflegungsstationen und auch Kleidung könne man bekommen.
Petra Bianco und Oliver Knolle sind in ihr Haus zurückgekehrt,
schlafen im ersten Stock auf einer Matratze und versuchen nun alles so
gut wie möglich zu organisieren.
Neben der Situation rund um das Haus drückt auch die Sorge um die
berufliche Existenz. Die beiden betreiben einen Kiosk mit Post und
Lotto in Erftstadt-Friesheim, den sie gerade erst mal wieder für
wenige Stunden öffnen konnten aufgrund der Aufräumarbeiten an Haus
und Grundstück.
Auch in Friesheim gab es viele Überflutungen. Bis auf einen
Stromausfall blieb der Kiosk glücklicherweise vom Unwetter verschont.
„Was ich mir am meisten wünsche, ist, dass wir schnell ins Haus
kommen“, hofft Petra Bianco. Sie sei sehr so sehr mit dem Haus
verbunden und der Rotbuche im Garten, die dort vor Jahrzehnten zur
Geburt von Sohn Andreas gepflanzt wurde und zu einem stattlichen Baum
herangewachsen ist. „Wie mein Sohn“, lacht die 58-Jährige in
diesem Augenblick. „Den Humor darf man trotz allem nicht verlieren.
Wir sind mit dem Leben davongekommen. Das ist das, was zählt.“
Redakteur/in:Martina Thiele-Effertz aus Hürth |
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