Besuch vor Ort
Keine Flutamnesie für Metternich
Der Vorsitzender des Untersuchungsausschusses II zur Hochwasserkatastrophe, Sven Wolf (MdL), besuchte die kleine Gemeinde in Weilerswist – Viele Schäden im Ort sind noch immer nicht behoben
Weilerswist-Metternich (red). Die Flutkatastrophe vom 14. Juli 2021 ist nun schon fast eineinhalb Jahre her. Doch noch immer sind längst nicht alle Schäden beseitigt. Die Politik hatte am Tag nach dem Jahrhundertereignis viel versprochen und auch vieles davon gehalten, aber leider nicht alles. Kleinere Orte, wie beispielsweise Metternich, die noch nie im medialen Fokus standen, fühlen sich daher ein wenig vergessen.
Im Kernort sind die Spuren der Flut noch immer gut zu erkennen. Das umgerissene Straßenschild „Bergstraße“ liegt noch so dort, wie die Flut es umgerissen hat. Die Kinder müssen auf ihrem Weg zur Schule an Straßenabsperrungen vorbei, die sie täglich an die Flut erinnern. Manche Häuser sollen abgerissen werden, stehen aber noch. Über anderen Gebäuden schwebt das Damoklesschwert.
„30 Prozent aller Haushalte waren in unserem Ort von der Flut oder vom Starkregenereignis am Vortag schwer betroffen“, erinnert sich der Metternicher Ortsvorsteher Michael Spies von Büllesheim. Grund für seinen Rückblick liefert der Besuch von Sven Wolf (MdL), seines Zeichens Vorsitzender des Untersuchungsausschusses II zur Hochwasserkatastrophe. Wolfs Aufgabe ist es nicht, weitere Versprechungen zu machen, sondern zu analysieren, was in der Flutnacht, aber auch danach alles schiefgelaufen ist, um so den Hochwasserschutz in Nordrhein-Westfalen zu optimieren. Er möchte dazu beitragen, Fehler aufzuklären und dem Parlament dann konstruktive Verbesserungsvorschläge im Katastrophenschutzrecht unterbreiten. Dazu besucht er auch die einzelnen Katastrophenorte.
Wolf ist nach Metternich gekommen, um vor allem zuzuhören. Vereinsmitglieder von „Metternich Hilft“ führen ihn durch den Ort, erklären ihm nebenbei, wie der Verein sich gegründet hat. „Von den sieben Gründungsmitgliedern waren fünf selbst von der Flut betroffen“, berichtet Vereinsmitglied Holger Heidemann und macht klar, bei „Metternich Hilft“ geht es vor allem um Hilfe von Bürgern für Bürger. Und die kann sich mittlerweile sehen lassen: 400 Menschen in über 100 Haushalten konnte schon konkret geholfen werden. Heidemann: „Wir haben bereits über 400.000 Euro verteilt. Vorrangig an Familien, Paare und Einzelpersonen, die keinen oder keinen ausreichenden Versicherungsschutz hatten.“ Mittlerweile sei sogar ein Förderverein gegründet worden, bei dem man zu einem symbolträchtigen Beitrag von 14,07 Euro - in Erinnerung an den 14.7.21 - Mitglied werden könne. „Aus dem anfänglichen Fluthilfeverein soll etwas Nachhaltiges entstehen. »Metternich Hilft« soll auch weiterhin für die Bürgerinnen und Bürger da sein“, so Heidemann, denn die Flut habe die Menschen zusammengeschweißt und sie gelehrt, dass es wichtig sei, aufeinander aufzupassen.
„Wir gehen jetzt in die dritte Ausschüttung“, freut sich auch Bernd Giesen, „diesmal wollen wir mit 30.000 Euro unsere Vereine unterstützen, denen in der Flutnacht quasi das gesamte Inventar abgesoffen ist.“ Während die Selbsthilfe also prima funktioniert, ist man über andere Entwicklungen in dem kleinen Örtchen weniger glücklich.
„Die Brücke hier an der Bergstraße, die während der Flut schwer gelitten hat, soll saniert werden“, erklärt Michael Spies von Büllesheim dem Besucher. „Das ist an sich ja löblich, aber wir haben ein Hochwasserschutzkonzept auf den Weg gebracht. Sollte sich dabei herausstellen, dass die Brücke für ein weiteres Hochwasser ganz andere Durchlassdimensionen haben muss, dann muss sie abgerissen werden. Also erst saniert und dann abgerissen.“ Der Ortsvorsteher macht keinen Hehl daraus, dass er das für Steuerverschwendung hält.
Ein weiteres Ärgernis sei die Bürokratie. Zwar sieht man auch bei „Metternich Hilft“, das man Vorsorge treffen muss, um mit den Hilfsgeldern keine schwarzen Schafe zu finanzieren, aber das Beantragen der Gelder sei für einige Metternicher kaum zu stemmen. So berichtet der Ortsvorsteher aus eigener Erfahrung, dass er als Landwirt für Wiederinstandsetzungen nach der Flut noch ungefähr 30 Gewerke zu vergeben habe, für jede anfallende Arbeit aber drei Kostenvoranschläge einholen solle. „Das macht 90 Kostenvoranschläge. Versuchen Sie mal in dieser Zeit, von einem Handwerker einen Kostenvoranschlag zu bekommen“, sagt er, „und am Ende weiß ich nicht einmal mehr, ob alle anfallenden Kosten auch übernommen werden, oder ob ich nicht auf meine getätigten Vorleistungen sitzenbleibe.“
Auf die Frage, was sich die Metternicher am meisten wünschen, antwortet der Ortsvorsteher: „Vor allem ein funktionierendes Frühwarnsystem. Wir haben gesehen, dass die vielgepriesene Digitalisierung uns im Katastrophenfall nicht weiterhilft. Wenn der Strom ausfällt, funktionieren auch die Übertragungsmasten für die Smartphones nicht mehr. Wir setzen daher lieber wieder auf Sirenenalarm.“
Sven Wolf betont, dass es sehr wichtig sei, die Katastrophe in Erinnerung zu behalten. Das Ereignis müsse einen festen Platz in der Erinnerungskultur bekommen: „So wie heute jeder Hamburger die Sturmflut von 1962 kennt, auch wenn er nicht dabei gewesen ist, so muss auch die Flutkatastrophe von 2021 in den Köpfen der Menschen bleiben.“ Nichts wäre schlimmer, als wenn dieses Unglück rasch wieder in Vergessenheit gerate. Besser wäre es vielmehr, auch in Zukunft für den Notfall gerüstet zu bleiben, so Wolf und: „Wir müssen das Warnen wieder üben!“
Dem können die Metternicher, die für die Erinnerung bereits ein Buch mit Augenzeugenberichten erstellt haben, sich nur anschließen. „Wir sind Ihnen sehr dankbar, dass Sie heute zu uns gekommen sind, fernab der Orte, die normalerweise die gesamte mediale Aufmerksamkeit auf sich ziehen“, verabschiedet der Ortsvorsteher den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses. „Und Sie haben Recht: Es darf keine Flutamnesie für Metternich und natürlich auch nicht für all die anderen betroffenen Orte in NRW und Rheinland-Pfalz geben.“
Redakteur/in:Holger Slomian aus Pulheim |
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