Von Wesseling nach Bangladesch
Ein Zettel, der das Leben zweier Familien veränderte

Dirk Höner und Claudia Klütsch. Der Autor hatte damals den Stein ins Rollen gebracht, und die Klütschens zu „Stern TV“. Bei den Reisen nach Bangladesch war er dabei. | Foto: Sammlung Klütsch
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  • Dirk Höner und Claudia Klütsch. Der Autor hatte damals den Stein ins Rollen gebracht, und die Klütschens zu „Stern TV“. Bei den Reisen nach Bangladesch war er dabei.
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Am 20. Oktober 2005 fand die Wesselingerin Claudia Klütsch in dem Kragen eines Herrenhemdes, welches ihre Tochter in Wesseling gekauft hatte, einen Zettel, auf den jemand namens „Gazi“ in Englisch geschrieben hatte, dass er arm sei, Geld brauche und Hilfe benötige. Dazu hatte der Unbekannte den Namen eines Dorfes in Bangladesch geschrieben. Und: „May you live long“.[/b]
Klütsch gab damals dem ersten Impuls ihres Mannes, den Zettel wegzuschmeißen, nicht nach. Die beiden forschten dem Geschriebenen hinterher und wurden fündig. 13 Jahre später, zwei Besuchen in Bangladesch und einer Menge Geld, die die Klütschens zu Gazi geschickt haben, ist aus der Botschaft eine Freundschaft fürs Leben geworden. Gazis erstes Kind wurde nach Martin benannt und Claudia Klütsch, die eigentlich ihre Brötchen als inklusive Schulbegleiterin verdient, hat mithilfe des Autors Dirk Höhner ein Buch über die Geschehnisse beim renommierten Blanvalet Verlag herausgegeben.
Der Buchtitel „Von einem kleinen Zettel, der in einem Herrenhemd um die halbe Welt reiste und unser Leben für immer veränderte: Eine wahre Freundschaftsgeschichte“ klingt erst mal etwas lang, beschreibt aber genau, worum es geht. Mit flotter Feder und mitreißend erzählt Claudia in der „ich“ Form die Ereignisse nach dem Zettelfund vor 13 Jahren. Für den unsere Zeitung hat die Redaktion Claudia Klütsch interviewt

Redaktion: „Liebe Claudia, danke dass Du Dir die Zeit für uns nimmst! Kurze Frage vorneweg: Hat Gazi heute schon einen Beitrag von Dir bei Facebook „gelikt“? :)“

Claudia Klütsch: „Nein , heute noch nicht, weil ich noch nichts gepostet habe. Aber gestern hat er das Bild unserer zwei neuen Kaninchen geliked.“

Damals, als der Zettel in dem Hemd, dass für Deinen Mann zum Geburtstag gekauft worden war, gefunden wurde, war Martins erster Impuls, ihn wegzuschmeißen. Was hat Dich zurückgehalten, dem nachzugeben, Claudia?
Das Hemd hat unsere älteste Tochter Christina gekauft. Mich hat die krakeliger Schrift irritiert. Es sah aus, als hätte es jemand in großer Eile geschrieben. Und dazu noch diese Botschaft. Mein Gefühl sagte mir, hier ist irgendwer völlig verzweifelt.
[b]

Was hätten Sie getan, wenn Sie den Zettel gefunden hätten?

Du hast lange recherchiert, bis es soweit war, und ihr Gazi einen Brief an die auf dem Zettel notierte Anschrift geschrieben habt. Wie ging es dann weiter?
Wir haben einfach auf gut Glück 23 Dollar an die Adresse gesendet, die auf dem Zettel stand und abgewartet was passieren würde. Es gab zwei Möglichkeiten: entweder wir waren einem Betrüger aufgesessen oder es meldet sich jemand zurück. Und tatsächlich kam ca. 8 Wochen später ein Dankesschreiben samt Fotos zurück. Was genau Gazi uns geschickt hat, kann man im Buch nachlesen.

Ihr wart 2006 in Bangladesh um mithilfe von Stern TV, wo ihr zuvor eure Geschichte erzählt hattet, Gazi und seine Familie zu treffen. Im Buch nimmt diese Reise einen nicht unerheblichen Teil ein, natürlich völlig zurecht. Du schilderst von der Ankunft und dem damit verbundenen Kulturschock schon am Flughafen über das Hotel, die Menschen, die Vegetation und ja sogar die Gerüche des Landes alles sehr eindringlich, man kann es sich wirklich gut vorstellen. Höhepunkt der ersten Reise zu Gazi ist natürlich das Treffen mit ihm und seiner Familie. Kannst Du für unsere Leserinnen und Leser diesen Moment in Deinen Worten noch einmal nacherzählen?
Es war - obwohl man sich auf das Kennenlernen freute - anfangs sehr distanziert. Keiner, weder Gazi noch wir, wussten wie wir uns verhalten sollten. Denn manche Gesten haben dort eine andere Bedeutung als hier bei uns. Ein Beispiel: Martin und ich gehen Händchen haltend durch Dhaka. Die Leute gucken uns seltsam an und lachen. Unser Dolmetscher erklärt uns dann: hier halten nur Gleichgeschlechtliche die Hände als Ausdruck von Freundschaft. Oh Gott, war uns das peinlich. Deshalb waren wir anfangs etwas vorsichtiger, denn wir wollten Gazi und seine Familie ja nicht durch unsere Unwissenheit beleidigen oder verärgern. Aber nach ein paar Stunden lockerte sich die Stimmung und man lachte und redete miteinander - natürlich mit Hilfe des Dolmetschers. Und als wir dann abreisten stand das ganze Dorf vor Gazis Hütte. Und auf dem Weg zum Auto nahm Raija mich an die Hand. Da ich die Bedeutung jetzt kannte, war ich sehr glücklich und wusste instinktiv, dass uns dieser Besuch eine Adoptivfamilie beschert hat. Und mit einem Mal brachen alle Eindrücke und die Anspannung auf mich ein und ich weinte hemmungslos und Raija mit mir.

Wieder zurück in Wesseling, wie ging es dann weiter? Was passierte bis zu eurer zweiten Reise nach Bangladesh, im Sommer 2018?
Liebe Montserrat, ich möchte ja nicht den Inhalt des ganzen Buches verraten, deshalb nur so viel: es gab viele schöne, aufregende und auch verwirrende Momente. Aber eins ist geblieben und weiter gewachsen: die Freundschaft zu Gazi und seiner Familie und die Liebe zu diesem Land.

In diesem Jahr, bei der zweiten Reise, habt Ihr viele Veränderungen gesehen, Gazi hat ein richtiges Haus dort gebaut, wo bei eurer ersten Reise noch eine Wellblechhütte stand. Was gab es noch für Veränderungen?
Es kam ein zweites Baby zur Welt und Gazi konnte ein kleines Stück Land erwerben, auf dem er Mangroven, Kokospalmen und anderes Obst anbaut, um es während der Saison zu verkaufen. Sein Sohn Rakibul oder auch» Klein Martin« geht mittlerweile zur Schule. Und endlich gibt es auch positive Veränderungen für die Textilarbeiter in Bangladesch. Denn langsam scheinen sich die Arbeitsbedingungen zu verbessern, wenn auch nur in kleinen Schritten. Aber es gibt Grund zur Hoffnung.

Natürlich wird auch die zweite Reise ausführlich geschildert, und am Ende ist man als Leser geradezu enttäuscht, dass Ihr nicht doch einen bengalischen Tiger gesehen habt. Interessant ist aber auch, dass ihr eine Kleiderfabrik besichtigen durftet. In Deinem Buch schreibst Du, liebe Claudia, darüber, wie schwer es ist, das richtige zu tun, wenn man Kleidung kauft. Dass man mitnichten die Garantie hat, „gute“ Ware gekauft zu haben, wenn sie denn von einem teuren Label kommt. Auch diese würden in Billiglohnarbeit fertigen lassen. Hast Du einen Tipp für unsere Leser, was man tun kann?
Nun ja, es gibt immer zwei Seiten einer Medaille. Kauft man keine Kleidung aus Bangladesch, dann geht ein riesiger Wirtschaftszweig verloren und damit fast alle Arbeitsplätze. Ich denke um die Lösung dieses Problems müssen sich die Politiker dieser Welt kümmern.

Das Buch ist jetzt auf dem Markt, wie geht es denn nun weiter? Gehen Du und Dirk auf Lesereise? Geht es an exotische Orte? Ist vielleicht sogar eine Übersetzung ins bengalische geplant? Stellst Du Dein Buch auch in Deiner Heimatstadt vor? Wie können die Wesselinger an ein von Dir persönlich signiertes Exemplar kommen?
Es gab eine Signierstunde in der Buchhandlung Kayser hier in Wesseling und am gleichen Abend folgte dann ein Liveauftritt bei sternTV. Ich kann schon mal verraten, dass ich noch öfter im Fernsehen zu sehen sein werde, unter anderem in der WDR-Talkshow „Kölner Treff“. Eine aufregende Zeit, aber ich freue mich auf alles, was kommt!

Bekommt Gazi etwas ab von den Bucheinnahmen? Oder ist vielleicht auch mal ein Gegenbesuch geplant, von Gazi in Deutschland?
Ganz bestimmt wird er etwas davon abbekommen, denn wir werden ihn noch die nächsten Jahre zumindest bei der Schulbildung seiner Kinder unterstützen. Denn Bildung ist unserer Meinung nach der einzige Weg aus dem Elend.

Liebe Claudia, sehr herzlichen Dank, auch im Namen der Leserinnen und Leser, dass Du Dir die Zeit für uns genommen habt! Dem Buch wünschen wir einen Platz in der Bestseller-Liste und euch alles Liebe für euren weiteren Weg!

"Von einem kleinen Zettel, der in einem Herrenhemd um die halbe Welt reiste und unser Leben für immer veränderte: Eine wahre Freundschaftsgeschichte“ ist im Blanvalet Verlag erschienen, kostet 16 Euro und ist im Buchhandel und als E-Book (15,99 Euro) erhältlich.  ISBN 978-3-7645-0680-3

Dirk Höner und Claudia Klütsch. Der Autor hatte damals den Stein ins Rollen gebracht, und die Klütschens zu „Stern TV“. Bei den Reisen nach Bangladesch war er dabei. | Foto: Sammlung Klütsch
Claudia, Martin und Gazi in Bangladesch.
 | Foto: Sammlung Klütsch
Redakteur/in:

Montserrat Manke

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