Bürgermeisterin bringt den Stein ins Rollen
Neue Hausarztpraxis in Wipperfürth
Im vergangenen Jahr haben in Wipperfürth zwei Hausarztpraxen ihre Türen geschlossen. Die ärztliche Tätigkeit wurde aus Altersgründen aufgegeben. Die bislang von diesen Medizinern betreuten Patienten standen vor großen Herausforderungen sich neue Ärzte suchen zu müssen. Das war nicht einfach, da die bestehenden Wipperfürther Hausarztpraxen dem Ansturm von zusätzlichen 3000 Patienten alleine nicht bewältigen konnten.
Nicht wenige Patienten waren gezwungen auf umliegende Orte auszuweichen. Insbesondere für ältere oder mobilitätseingeschränkte Menschen stellte das vor großen Herausforderungen.
Bügermeisterin Anne Loth war dieser Umstand naturgemäß nicht verborgen geblieben und sie hat die Initiative ergriffen und damit den Stein ins Rollen gebracht. In Zusammenarbeit mit den Ärzten, den zuständigen ärztlichen Gremien, dem Heimatministerium, dem Landtagsabgeordneten Christian Berger und weiteren politsch Tätigen wurde nach einer Lösung gesucht und gefunden wie sie gestern bei der Vorstellung des neuen Ärzteteams im Ratssaal verkünden konnte.
Der Sohn von Dr. Klaus Wigger, der vor einiger Zeit in den Ruhestand getreten ist, Dr. Dietmar Wigger und seine Frau Dr. Dorothea Wigger -sie ist Internistin- werden die Praxis an der Hochstr. wieder eröffnen. Zuvor müssen allerdings noch Umbau- und Renovierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Der Praxisbebetrieb soll voraussichtlich im November 2023 starten. Das Ehepaar ist derzeit noch in Troisdorf tätig und wird bei Praxisstart ihren Wirkungskreis nach Wipperfürth verlegen.
Matthias Wigger, der Sohn von Dr. Bernd Wigger, ist schon seit längerer Zeit in der Praxis seines Vaters in der Hindenburgstraße tätig. Er darf als studierter Mediziner offiziell den Titel "dr.med." führen, da er sein Medizinstudium in Ungarn absolviert hat. Dr. Bernd Wigger wird zum Jahresende den Stabwechsel vollziehen.
Die Praxis von Dr. Bernd Wigger hat nach Schließung der beiden Wipperfürther Hausarztpraxen rund 1.000 Patienten von seinen Kollegen übernommen. Eine höhere Zahl war aus Kapazitätsgründen nicht möglich. Im gleichen Zeitraum fand eine Anmietung von weiteren Räumlichkeiten statt.
Ein weiteres Dilemma besteht darin, dass nicht genügend Ärzte zur Verfügung stehen. Ausserdem ist eine Niederlassung im ländlichen Raum mit besonderen Herausforderungen verbunden.
Es hat ferner den Grund, dass nicht genügend Ausbildungsplätze für Mediziner zur Verfügung stehen und die Anforderungen an die Bewerber recht hoch sind. Die Ausbildung der angehenden Ärzte dauert rund 6 Jahre und die Weiterbildung zum Facharzt verschlingt weitere 5 Jahre, so dass insgesamt rund 11 Jahre bis zum Abschluss verstreichen.
Ein weiteres Hindernis ist die arbeitsmässige Belastung und die immer größeren Belastungen durch die Bürokratie.
Die Anforderungen werden kontinuierlich weiter nach oben geschraubt. Tägliche Arbeitszeiten von 10 Stunden verbunden mit den Wochenend-, Notfall- und Bereitschaftsdiensten kommen dazu.
"Geld ist nicht alles" wirft Dr. Bernd Wigger in die Diskussion mit ein. Das Familienleben leidet und ein planbares Zeitfenster für Freizeit und Erholung wird manchmal durch unvorhergesehene Ereignisse schwer planbar hin bis zur Unmöglichkeit bereits zugesagter privater Termine.
Egal, ob ein Arzt in eigener Praxis tätig, als angestellter Arzt in einer Praxis eines Kollegen oder im Krankenhaus tätig ist, gehen im realen Leben die Arbeitszeiten weit über das normale Maß hinaus. So sind wöchentliche Arbeitszeiten von 60 bis 80 Std. pro Woche fast die Regel. 150 bis 200 Überstunden pro Halbjahr sind keine Seltenheit.
Ohne angestellte Ärzte und die Einbeziehung des Praxispersonals (die sind besonders erfahrene und geschulte Mitarbeiterinnen mit Fortbildung) wäre die Belastung nicht zu bewältigen.
Neben alledem kommt der Verwaltungsaufwand ausserdem auf den Arzt zu. Die Anfragen von Verwaltungen, Gerichten oder sonstigen Antragstellern sind dabei noch gar nicht eingerechnet. Die Bundespolitik mit ihren dauernden Hürden sind ein weiterer Knüppel zwischen den Beinen der Ärzte. Die Sparmaßnahmen seit den 1980iger Jahren rächen sich.
Es gibt regelmässig Probleme mit den Abrechnungsstellen, die bis zum Regreß gegen die Ärzte führen können. Für Klärung dieser Dinge werden nach den Angaben von Dr. Bernd Wigger ca. 6 Arbeitsstunden pro Woche beziffert. Auch die EDV-mässigen Abläufe erfordern einen nicht unerheblichen Arbeitsaufwand.
Die Ärzteschaft hat in dieser schwierigen Situation Übermässiges geleistet.
Durch die Wiedereröffnung der Praxis an der Hochstraße hat sich die Anzahl der Ärzte zwar erhöht, aber ist weiterhin noch nicht auf dem Stand vor der Schließung der beiden Praxen.
Allein in Deutschland fehlen rund 150.000 Ärzte und diesen Mangel bekommen wir auch im ländlichen Raum zu spüren. Alle Seiten versuchen gemeinsam auf den sich abzeichnenden Ärztemangel in den einzelnen Fachgebieten entgegen zu wirken.
Dankenswerterweise konnte das Ehepaar Dr. Dietmar Wigger von einem Förderprogramm profitieren, der es ihnen ermögicht, wenigstens einen Teil der Umbaukosten zu stemmen.
LeserReporter/in:Wilfried Storb aus Wipperfürth |
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