Sommerinterview
Bergheim ist, was wir daraus machen!

Foto: Test1

Die Stadt Bergheim hat, auch in Zusammenarbeit mit der Werbe- und
Interessengemeinschaft, viele interessante Ideen entwickelt und auch
schon umgesetzt, um die City attraktiver zu machen. Angefangen bei der
Beschilderung historischer Gebäude, Stichwort "W-Lan für alle",
über Themen-Stadtführungen, Bepflanzungen der Blumenkübel, die
Attraktivierung des Wochenmarktes, Street Food Festival, City Fest,
Public Viewing bis hin zu einem vielversprechenden neuen Konzept eines
Weihnachtsmarktes. Trotz alledem hinkt die Realität den vielen guten
Ideen hinterher, denn es gibt immer noch sehr viel Leerstand in den
Geschäften der Fußgängerzone. Wie erklärt sich das? Man kann sich
in Bergheim als Konsument wohl fühlen und viel erleben, aber nicht
alles kaufen, was man zum Leben braucht. Was kann die Stadt da noch
unternehmen?

 

Maria Pfordt: Ich bedaure das auch sehr. Ich persönlich und als
Bürgermeisterin erst recht. Aber es gibt Faktoren, die kann die Stadt
nicht beeinflussen. Wenn zum Beispiel Immobilienbesitzer zu hohe
Mieten nehmen oder wenn sie überhaupt nicht vermieten wollen, hat die
Stadt keinen Einfluss. Man kann nicht mehr als Gespräche führen, da
bleibe ich am Ball. Vielen Betreibern sind die Geschäfte zu klein,
die suchen großflächigen Einzelhandel. Das ist ja auch der Grund,
wieso wir das Areal am Bahnhof entwickelt haben. Da kann sich der
Investor jetzt richtig austoben. Das Projekt Bahnhof kommt, der Rat
hat die Entscheidung getroffen - ich bin froh, dass diese einstimmig
war und dass wir das Bus-Depot erwerben konnten. Wir werden ein
vielschichtiges Handlungskonzept für die Zukunft der Innenstadt auf
den Weg bringen. Die Politik hat uns beauftragt, wir werden auch
Fördermittel beantragen und vor allem die Fußgängerzone wird davon
profitieren, so wollen wir den Einzelhandel stärken.

Sie sind auch schon auf die Immobilienbesitzer zugegangen, was
bekommen sie da zu hören? 

Pfordt: Sie sagen, "Ich finde keinen". Und wenn ich frage, wie hoch
denn die Miete sei, bekomme ich die Antwort: "Das muss ich nehmen,
sonst kann ich nicht existieren".

 

Im Augenblick bekommen manche ja gar keine Miete, wenn ihre
Laden-Lokale leer stehen. 
 

Pfordt: Ich vermute, die schreiben das steuerlich ab. Andere sind aus
verschiedenen persönlichen Gründen nicht interessiert und blocken
jede Verhandlung ab.

 

Wundern kann man sich auch darüber, dass ein schönes Restaurant
wie das Riva nicht mehr öffnet.

Pfordt: Dafür habe ich auch kein Verständnis. Ich kann nicht mehr
tun, als zu appellieren und Gespräche zu führen. Ich bin da auch
richtig sauer, das muss ich ehrlich sagen. Auch wenn man es nicht
nötig hat, das Lokal zu öffnen, ist das für mich kein Argument.
Wenn ich ein Restaurant an solch exponierter Stelle baue, muss ich es
auch betreiben oder vermieten. Ich werde ständig darauf angesprochen,
weil die Leute da sehr gerne hingegangen sind, das ist ja auch eine
1A- Lage in der Stadt. Deshalb müssen wir mit unseren Konzepten dazu
beitragen, die Aufenthaltsqualität in der Fußgängerzone zu
erhöhen, um die Stadt bekannt und interessant zu machen, zum Beispiel
durch Events. Damit auch Menschen in die Stadt kommen, die Bergheim
noch nicht kennen.

 

Wie entwickelt sich die Flüchtlingssituation in Bergheim? Kann
Bergheim die Mammutaufgaben von Unterbringung und Integration
langfristig schultern?

Pfordt: Wir haben bisher 700 Menschen aufgenommen, die verfolgt wurden
und aus Kriegsgebieten kamen. Das ist natürlich eine Herausforderung
für eine Kommune und die vielen Menschen, die helfen. Wir haben sehr
viele Ehrenamtliche in dem Zusammenhang gefunden, das betone ich auch
immer wieder gerne, wie engagiert die Menschen in unserer Stadt sind.
Es ist schön, wenn man seine Stadt von dieser positiven Seite sieht.
Ich hatte ganz tolle und interessante Erlebnisse, auf die ich nicht
verzichten möchte. Wir haben die Menschen untergebracht, die Hälfte
in Wohnungen. Unsere Maxime ist immer "dezentral und menschenwürdig",
also keine Gettos schaffen. Wir haben auch schon eine Planung, wenn
noch weitere Menschen kommen sollten. Wir sind auf jeden Fall gut
gerüstet. Es sind ja jetzt noch viele Reihenhäuser im Bau. Das ist
das eine. Jetzt haben wir die Aufgabe, die Flüchtlinge zu
integrieren.

Anwohner haben Ängste und Sorgen, wie zum Beispiel in Oberaußem,
Abts-Acker-Straße am Spielplatz. Will man da nur junge Männer
unterbringen? Kann man einen Hausmeister beschäftigen? Hier suchen
Bürger Antworten auf Fragen.
 

Pfordt: Ja, das ist genau der Punkt. Unter Integration verstehe ich,
dass wir eine Verpflichtung haben, uns um die Menschen zu kümmern.
Für mich ist das selbstverständlich, dass da Leute vor Ort sind, die
ansprechbar sind, wie zum Beispiel Hausmeister oder Sozialarbeiter.
Wichtig sind auch Integrationskurse, die Flüchtlinge müssen Deutsch
lernen. Ich bedaure sehr, dass wir die Flüchtlinge nicht
beschäftigen dürfen. Ich hatte hier eine Gruppe, die die
Fußgängerzone bepflanzt hat. Immer, wenn ich sie sehe, fragen sie,
ob sie was tun können. Es scheitert letztlich daran, dass wir sehr
hohe Auflagen haben. Die Bestimmungen sind ein echtes Hindernis für
uns.

Mit dem Wegbrechen der Steuereinnahmen durch RWE hat sich ein
Strukturwandel in der Kreisstadt vollzogen. Wie gleicht Bergheim die
fehlenden Steuereinnahmen langfristig aus? 

Pfordt: Als ich ins Amt kam, hatte Wirtschaftsförderung Priorität
vor dem Hintergrund, dass der Strukturwandel angefangen hat. Wir
wussten ja genau, dass das mit RWE lange nicht mehr lange so
weitergehen würde. Dann brachen ja die Steuereinnahmen weg. Wir haben
inzwischen ein Defizit von sieben Millionen Euro jährlich. Das ist
eine Menge, und das muss irgendwie kompensiert werden. Meine Devise
war es immer, neue Betriebe anzusiedeln, zu werben für eine
Ansiedlung in unserer Stadt. Genauso wichtig war mir, dass derjenige,
der kommt, auch Arbeitsplätze bietet und Gewerbesteuern zahlt, dass
der Sitz der Firma in der Kreisstadt Bergheim bleibt. Ab und zu lege
ich den Firmen auch den roten Teppich aus. Wir haben gute Leute im
Rathaus, sie reagieren schnell auf Anfragen, wir haben eine gute
Wirtschaftsförderung. Den Strukturwandelwollen wir auch über eine
funktionierende interkommunale Zusammenarbeit schultern.

Warum würden Sie jungen Familien empfehlen, nach Bergheim zu
ziehen? 

Pfordt: Weil Bergheim eine perfekte Infrastruktur hat. Wir haben hohe
Qualitätsstandards in den Kitas, wir haben alle Schulformen in der
Stadt, ein breites Bildungsangebot, die Betreuungsangebote und die
Erziehung stimmen. Wir haben preiswertes Bauland im Vergleich zu
anderen Kommunen. Wir sind ständig auf der Suche nach neuen Flächen,
die wir anbieten können.

 

Liegt Ihnen im Augenblick ein Thema besonders am Herzen?

Pfordt: Ich möchte gerne, dass die Menschen sich in der Stadt
wohlfühlen. Hier wird immer so viel gemeckert. Manchmal denke ich,
muss man denn immer alles so negativ sehen? Es gibt doch auch viele
positive Dinge. Bergheim ist das, was wir gemeinsam daraus machen. Wer
meckert, der möge mitarbeiten, Ideen entwickeln und versuchen, zu
helfen. Wir haben die Kreisstadtdenker, die lokale Agenda, die
Bürgerbeteilung ist sehr wichtig.

Wohin geht es im Urlaub?

 

Pfordt: Nach Portugal. Im EM-Endspiel habe ich für Portugal gehalten.
Meine Schwiegertochter ist Portugiesin.

- Hanno Kühn

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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