12 Stolpersteine erinnern an die Opfer der Nazis
"Ich bin nur noch alleine übrig geblieben"
Mit einer Verlegung von 12 „Stolpersteinen“ erinnert die Kreisstadt Bergheim an die Opfer des Nationalsozialismus aus Quadrath-Ichendorf. Mit dabei auch Schülerinnen und Schüler des Zeitzeugen-Projektkurses der Gesamtschule Bergheim und ihre Lehrerin Elisabeth Amling, die im Rahmen der „Jüdischen Kulturwochen“ 2021 Familienforschung betrieben hatten, Stadtarchivarin Lena Delbach, Ortsbürgermeister Edwin Schlachter, Vertreter der Stadt und Politik, Vereinen und dem Museum Bergheimat.
„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, zitierte die stellvertretende Bürgermeisterin Elisabeth Hülsewig den Initiator, Gunter Demning. Um den verfolgten und ermordeten Opfern des Nationalsozialismus zu gedenken, hatte der Künstler 1992 das Projekt „Stolpersteine“ ins Leben gerufen. Die kleinen, in den Bürgersteig eingelassenen Gedenktafeln erinnern an den Orten, an denen die Verschleppten zuletzt gelebt haben, an die einstigen Bewohner – die Familie Eckstein an der Fischbachstraße 5, Familie Simons an der Köln-Aachener Str. 181, August Krüll am Katzenberg 2 und Heinrich Zehnpfennig in der Sebastianusstraße 21 . Realisiert werden konnte die Stolperstein-Verlegung in Bergheim durch zahlreiche Spenden von Firmen, Privatpersonen und anderen Organisationen.
Ob durch Zufall oder unermüdliches Forschen und Suchen: Nach 65 Jahren tauchten Briefe auf, die von den Juden Sally Simons und seine Nichte Rosa Eckstein aus Ichendorf 1947 an ihre Verwandte Herta in London gerichtet waren. Im Jahrbuch des Bergheimer Geschichtsvereins 2010 wurden sie zum ersten Mal abgedruckt und erzählen die bewegende Geschichte ihrer Deportation ins Rigaer Ghetto und ihre Rückkehr nach Bergheim nach dem Krieg.
„Im November 1941 ging der zweite Zug Juden aus Köln nach dem Osten. Es waren meist immer 1.000 Mann. In der Messehalle Köln-Deutz war der Sammelpunkt. Jeder konnte 50 kg Gepäck mitnehmen (…) natürlich alles auf „nimmer Wiedersehen“, schreibt Sally Simons, geboren am 7. April 1900 in Ichendorf. „Da standen die Menschen mit ihren Koffern und Rucksäcken, Alte und Kinder, mit Angst in den Augen, wo geht es hin mit uns? (…) Als wir Abschied nehmen, hatten wir das Gefühl, dass es für uns kein Wiedersehen geben wird. (…) Am 7. Dezember 1941 kamen wir an die Reihe.“
Rosa Eckstein, 1914 in Ichendorf geboren, kam erst 1958/1960 auf Vermittlung Adenauers und Ulbrichts wieder zurück in die alte Heimat. „1941 kamen wir ins Ghetto Riga. Von dieser Zeit an wurden wir nur wie Vieh behandelt. 1944 vom November bis Januar 1945 wurden wir nur auf der Straße geführt. Jeden Tag 25 Kilometer bei hohem Schnee. Holzschuhe hatte ich in Größe 45, dann ohne Strümpfe (…), in einem Sträflingskleid und mit einem rasierten Kopf. (…) Dank der roten Armee sind wir noch beizeiten gerettet worden.“
Über 200 Jahre lebten jüdische Familien in Bergheim, Seite an Seite mit ihren christlichen Nachbarn. Familie Simons und Familie Eckstein wurde aufgrund ihres jüdischen Glaubens von den Nazis verfolgt. Während Herta Eckstein 1938 die Flucht nach England gelang, wurden Hermann, Carolina und Manfred Eckstein sowie Max Simons, dessen Frau Rosa und deren Söhne Phillipp und Samuel in Konzentrationslagern ermordet. August Krüll, geboren 1899, wurde aufgrund einer angeblichen geistigen Einschränkung, zuerst in eine Heil- und Pflegeanstalt überführt und später ermordet. Heinrich Zehnpfennig wurde als „asozial“ stigmatisiert und kam im KZ Buchenwald um.
Vierzig Männer, Frauen und Kinder aus Bergheim im Alter von sechs bis 86 Jahren wurden Opfer des Holocaust, gerade einmal drei überlebten das Grauen, Sally Simons – Ehrenbürger und Träger des Bundesverdienstkreuzes, Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr, Schützenbruder, Kommunalpolitiker und Mitglied des Radfahrvereins „Staubwolke Quadrath“ war einer von ihnen, seine Nichte Rosa lebte später in Köln und arbeitete in einem Hutgeschäft. Mit Sally Simons, der am 7. Juli 1977 im Alter von 77 Jahren starb und in Quadrath beerdigt ist– endet die Geschichte der Juden in Bergheim.
LeserReporter/in:Andrea Floß aus Bergheim |
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