Die „Sonnenblume“ als Zeichen
Für mehr Verständnis und gegen Vorurteile
Bergisch Gladbach (hh). Wenn über Behinderungen gesprochen wird, haben die meisten Personen sichtbare Erkrankungen vor Augen. Hierzu zählt etwa eine körperlich eingeschränkte Person im Rollstuhl, eine blinde Person oder ein Mensch mit Down-Syndrom. Rund 80 Prozent aller Behinderungen entstehen jedoch häufig erst durch Erkrankungen im Laufe des Lebens und sind auf den ersten Blick nicht erkennbar, zum Beispiel Multiple Sklerose, Diabetes, Asthma, Autismus oder Epilepsie wie auch psychische Leiden.
Hiervon Betroffene leiden bisweilen weniger unter den damit einhergehenden Einschränkungen, sondern vielmehr unter dem fehlenden Verständnis der Mitmenschen. So ist es beispielsweise Personen mit künstlichem Darmausgang erlaubt, eine Behindertentoilette zu nutzen, obwohl die Einschränkung nicht offensichtlich ist. Dies könnte zu Unverständnis bis hin zur Ablehnung dieser Person führen.
Symbol des Verständnisses
Um mehr Verständnis für solche Personen zu erzeugen und zugleich gegen Stigmatisierungen anzukämpfen, gründete sich 2016 am Londoner Flughafen Gatwick die „Hidden Disabilities Sunflower“-Initiative. Hier wurde erstmals eine Sonnenblume als Symbol für nicht sichtbare Behinderungen angewendet, die Mitmenschen auf diskrete Art mitteilen soll, dass eine Behinderung vorliegt und diese entsprechende Person gegebenenfalls Hilfe oder mehr Zeit, etwa in Geschäften, benötigt. In Deutschland steht die Initiative noch am Anfang, doch soll die Sonnenblume, die inzwischen als Umhänge Band mit personalisiertem Ausweis, Anstecknadel oder Armband an betroffene Personen ausgegeben wird, nun auch hier bekannter gemacht werden.
Tanja Weber, die 2012 die Diagnose „Asperger-Autismus“ erhielt und die Selbsthilfegruppe „Aspies mitten im Leben“ für Menschen mit Autismus-Spektrums-Störung in Bergisch Gladbach gründete, möchte insbesondere im Bergischen Land die öffentlichkeitswirksame Vorstellung des blumigen Zeichens vorantreiben. Unterstützt wird sie in ihrem Anliegen vom inklusiven Verein „einfach gemeinsam e.V.“. Die 34-jährige Assistenzkraft der Bereichsleitung Kinder- und Jugendhilfe bei der Karl Immanuel Küpper-Stiftung hat schon selbst negative Erfahrungen machen müssen. „Aufgrund meiner Erkrankung brauche ich mehr Struktur. So stand ich mal an der Supermarktkasse und hatte meinen Einkaufswagen noch nicht vollständig ausgeräumt, als schon der nächste Kunde seine Waren aufs Band legte. Die Kassiererin war jedoch sehr hilfsbereit und unterstützte mich. Ich hatte seinerzeit noch nicht die Sonnenblume, könnte mir aber vorstellen, dass der andere dann anders reagiert hätte.“
Die Sonnenblume kann entweder deutlich sichtbar getragen oder schnell hervorgeholt werden. Eine Statistik, wie viele Personen in Deutschland bereits die Sonnenblume als Verständnis und Rücksicht hervorrufendes Symbol nutzen, existiert aktuell nicht. „Vieles geschieht zurzeit noch über Mundpropaganda“, weiß Weber zu berichten. Momentan wird über eine Förderung des Projekts durch die „Aktion Mensch“ nachgedacht; zudem soll im kommenden Frühjahr im Rahmen eines Protesttags für Menschen mit Behinderungen eine Aktion zur weiteren Bekanntmachung der Sonnenblume gestartet werden.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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