Gedenkstunde "Am Isebahnsjrave"
Zeitzeugen erinnern sich
Bornheim (fes). „Bedenket – gedenket“ mahnt der Findling, der hinter dem Bahndamm zwischen Roisdorf und Bornheim ein wenig im Verborgenen liegt. Der Gedenkstein, 1993 vom Heimat- und Eifelverein Bornheim dort „Am Isebahnsjrave“ platziert, erinnert an ein besonders grausames Ereignis während des Zweiten Weltkrieges: Am 4. Dezember 1944 kamen bei einem Tieffliegerangriff auf einen Personenzug ein Kind, acht Frauen und zehn Männer ums Leben. 80 Jahre später gedachten der Verein und Bornheims Bürgermeister Christoph Becker gemeinsam an das Schicksal der Opfer. Mit dabei waren auch zwei Zeitzeugen, die sich an Tag des Angriffs noch genau erinnern konnten. Beide sind heute 92 Jahre alt. Als Zwölfjährige hatten sie diese Katastrophe miterlebt.
Walter Thiel spielte mit einem Freund in der Nähe des Bahndammes als sich die Tiefflieger näherten: „Dann fielen auch schon die ersten Bomben. Obwohl wir große Angst hatten, war dies für uns aber eher ein Abenteuer.“ Die beiden Jungen kletterten den Bergrücken hinauf. Was sie sahen, war ein Bild des Grauens: Tieffliegerbomben hatten einen Personenzug getroffen, Menschen rannten verzweifelt und panisch hin und her und schrien: „Wir standen mit den Tränen in den Augen auf dem Bahndamm und ich erinnere mich auch noch an eine Frau, die einen verbluteten Kopf hatte“, schilderte Walter Thiel. Auch Lambert Kuhl war der Einladung zu der Gedenkstunde gefolgt. Er wohnte mit seiner Familie damals in der Nähe des Bornheimer Klosters. „Wir hatten dort einen Garten in dem ich mir ein Erdloch gebohrt hatte. Immer wenn es Fliegeralarm gab, bin ich da hineingesprungen.“ An dem Tag des Unglücks hatte er dies auch so getan: „Ich erinnere mich daran, wie die leeren Patronenhülsen an meinem Kopf vorbeigeflogen waren.“
Heimatliche Themen lagen den Gründervätern des Heimat- und Eifelvereins von Anfang an am Herzen, schilderte Wegewart Walter Kuhl in seiner Rede. Dazu gehört auch immer wieder die geschichtliche Aufarbeitung wie die der Katastrophe von 1944. Tieffliegerangriffe der Alliierten, die längst die Lufthoheit über das Deutsche Reich erlangt hatten, waren damals an der Tagesordnung. So wurde auch dieser Personenzug angegriffen. Die genauen Umstände der Ereignisse seien laut Walter Kuhl heute schwer rekonstruierbar. Die Inschrift des Steins besagt, dass es sich um einen Personenzug und bei den Opfern um Passagiere gehandelt hatte. In einer anderen Quelle heißt es, dass der Zug auch Munition für die Wehrmacht geladen und außerdem Soldaten befördert hatte. Das hätten wohl die Amerikaner in Erfahrung gebracht. Für diese Version sprechen auch die großflächigen Zerstörungen an der Mauer zum Diergardtschen Parks jenseits des Bahndamms, die bis heute sichtbar sind. Vermutlich seien diese Zerstörungen kaum durch einen Beschuss nur mit Bordwaffen eines Kampffliegers zu erklären. Außerdem wären Bombenabwürfe auf den Zug auch eine Erklärung für das Ausmaß der Zerstörung: „Die Erzählungen des damals für die Pflege des Parks zuständigen Gärtners untermauern diese Version. Er hatte bei der Bergung der Opfer geholfen und berichtete von den verheerenden Explosionen der im Zug mitgeführten Munition“, erklärte Walter Kuhl. Wie auch immer die Umstände gewesen sein mögen: „Schrecklich genug ist die Tatsache, dass bei diesem Ereignis sinnlos Menschen sterben mussten und weitere zahlreiche Personen zum Teil schwer verletzt worden sind.“
Die Vorsitzende des Heimat- und Eifelvereins, Hilka Farnschläder-Händel, sagte: „Wir sollten uns bewusst machen, dass wir immer noch auf einer Insel des Friedens leben, der aber durch Hass und Hetzte bedroht wird. Aus Worten werden häufig Taten und großes Leid. Wir alle haben eine Verantwortung für unser Land und für den Frieden.“.
Bürgermeister Christopher Becker betonte, wie wichtig es sei, dass Zeitzeugen von damals ihre Eindrücke heute weitergeben. Die Menschen, die am „Isebahnsjrave“ zu Tode kamen, starben nicht an der Front, sondern in ihrem „normalen Leben“, in der Eisenbahn: „Das schreckliche Schicksal dieser Menschen zeigt uns, dass der Krieg nicht einfach ein allgemeines und abstraktes Unglück ist, sondern aus vielen persönlichen, ganz konkreten Unglücken besteht. Es zeigt, dass der Krieg schlagartig Leben vernichtet und Familien zerstört. Und es zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, die Erinnerung wachzuhalten“, unterstrich Becker. Becker dankte dem Heimat- und Eifelverein dafür, diese Erinnerung mit dem Mahnmal lebendig zu halten. Dafür hatten auch die Vorstandsmitglieder Sonja und Bernd Großmann gesorgt. Sie hatten vor einigen Wochen die verwitterte Inschrift des Gedenksteins erneuert.
Und nicht nur die zerstörte Mauer auf dem Bahndamm erinnert heute noch an die Katastrophe vom Dezember 1944, sondern auch eine Christusfigur auf dem Bornheimer Friedhof, wie die ehemalige Bornheimer Ortsvorsteherin Margot Widdig schilderte. In einem Bein des Korpus ist heute noch ein Einschussloch zu sehen verursacht durch die Splitter.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.