«Miró - Welt der Monster»
Außergewöhnliche Ausstellung im Max Ernst-Museum
Brühl - Joan Miró (1893-1983) gehört zu den bedeutendsten und populärsten
Künstlern des 20. Jahrhunderts. Sein Werk bietet ein faszinierendes
Spektrum bildnerischer Mittel, die durch ihre Vielfalt und
Erfindungskraft beeindrucken. Unter dem Titel „Miró – Welt der
Monster“ stellt die Ausstellung im Max Ernst Museum Brühl des LVR
vom 3. September 2017 bis zum 28. Januar 2018 das weniger bekannte
plastische Schaffen des weltberühmten in Barcelona geborenen Malers,
Grafikers und Bildhauers in den 1960er- und 70er-Jahren heraus. In
dieser Zeit entstanden zahlreiche, aus Fundstücken und ausgedienten
Gegenständen kombinierte Figuren, die anschließend in Bronze
gegossen wurden. Einige von ihnen sind farbig bemalt und wirken wie
seinen sprühend-bunten Gemälden entsprungen. Für Miró bevölkern
sie eine „wahrhaft traumhafte Welt lebender Monster“. Rund 40 bis
zu drei Meter hohe Bronzeplastiken bilden das Herzstück der
Ausstellung, die insgesamt 67 Werke umfasst. Sie stehen in
unmittelbarem Dialog mit ausgewählten Gemälden, Arbeiten auf Papier
und einer Tapisserie und erlauben verblüffende Einblicke in das auf
alle Gattungen übergreifende Schaffen des Künstlers. Die Ausstellung
„Miró – Welt der Monster“ entsteht exklusiv in Zusammenarbeit
mit der Fondation Marguerite et Aimé Maeght im südfranzösischen
Saint-Paul-de-Vence, die über eine der größten Sammlungen der
bildhauerischen Arbeiten Joan Mirós verfügt.
Traumhafte Welt lebender Monster
Miró gilt als der wichtigste Vertreter der abstrakten Richtung im
Surrealismus. Bereits in den1930er- und 4Oer-Jahren experimentiert
Mi16 mit den Möglichkeiten der Skulptur, um die malerische Bildwelt
in das Dreidimensionale hinauswachsen zu lassen. Er beginnt
mitungewöhnlichen Materialien zu arbeiten, wie Fundstücken, Holz
oder Ton. Im Schaffensprozesslässt er die Gegenstände unverändert
und fügt sie im Sinne der surrealistischen Kombinatorik zu
Objektcollagen zusammen. Er bemerkt in seinen Notizen von 1941/42:
„In der Plastikerschaffe ich eine wahrhaft traumhafte Welt lebender
Monster.“
In den 1960er- und 1970er-Jahren arbeitet Miró diesem Sinne
verstärkt an plastischen Werken, die er dann in Bronze gießen
lässt. Bei der Entstehung der Bronzen geht Miró nach dem „Prinzip
des Zufalls“ vor. Alltägliche, für jeden frei verfügbare
Gebrauchsgegenstände setzt er in einem spontanen Schaffensprozess
zusammen und entwickelt aus verrosteten Eisenteilen, verwitterten
Brettern, topflosen Deckeln, Löffeln oder Heugabeln komplexe
Hybridwesen. Einige der anschließend gegossenen Figuren bemalt er mit
intensiven, deckenden Farben.
Achim Sommer, Direktor des Max Ernst-Museums und Kurator der
Ausstellung, erklärte: „Wir freuen uns, dass nun zwei Meister
plastischer Werke bei uns im Museum zu sehen sind. Unsere nahezu
vollständige Sammlung der Bronzeplastiken von Max Ernst erscheint
unter einem Dach mit seinem Künstlerkollegen Joan Miró wieder in
neuem Licht. Mich fasziniert besonders, wie Miró Formen ‚sieht‘:
Wer erkennt schon in einem kleinen Tisch oder Schemel einen Leib? Wer
vermutet in einem kaputten Deckel ein Gesicht? Miró schafft eine neue
Einheit, die insofern paradoxal ist, als dass sie uns sowohl erkennen
lässt, was das Ursprüngliche war, als auch, was die neue Bedeutung
sein könnte. In seinen fast willkürlichen, buchstäblich verrückten
Kombinationen geht Miró noch weiter als Max Ernst.“
Olivier Kaeppelin, Direktor der Fondation Maeght, hat sich ebenfalls
schon lange mit Mirós Plastiken beschäftigt und war bei der Auswahl
der Werke für diese Ausstellung beratend beteiligt: „Miró steht in
gewisser Weise in der Tradition der Technik und der Ästhetik der
Collage, die Sinn stiftet, indem sie verschiedene Gegenstände
zueinander in Bezug setzt. Vor den Plastiken Mirós müssen wir daher
das Vokabular vergessen, mit dem wir einzelne Objektebezeichnen, und
uns vielmehr durch eine freischwebende Aufmerksamkeit für all das
leiten lassen, was sich aufgrund der ambivalenten Erscheinung der
Formen in unserem Geist und unserem Gedächtnis sammelt.“
Die Entstehung von Miró bizarren Wesen fällt in die Zeit des
Spanischen Bürgerkriegs und der Franco-Diktatur. Die Hinrichtung und
Inhaftierung mehrerer hunderttausend Gegner durch Francos Truppen
waren für Miró die Geburtsstunde seiner eigenen Dämonen. Bis in die
1970er-Jahre sind sie in seinem gesamten Werk als Mahnzeichen dieser
Schreckenszeit zu finden: „Als ich über den Tod nachdachte, kam ich
dazu, die Monster zu schaffen, die mich gleichzeitig anzogen und
zurückstießen“, sagte Miró rückblickend.
Patrick Blümel, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Museums des LVR
und ebenfalls Kurator der Ausstellung, wies auf den Widerstand Mirós
gegen die spanische Diktatur und seine Wut auf die zunehmende
Vereinnahmung seiner Kunst durch den spanischen Staat hin, der sich
verstärkt in seinem plastischen Wirken in den 1960er- und
1970er-Jahren ausdrückt. „Mirós Monster“ aus alltäglichen
Gegenständen und Fundstücken treten in direkte Konkurrenz zu
traditionellen Bronzestatuen, in kostbares Metall gegossene Denkmäler
von Herrschern, wie sie u.a. auch Franco an verschiedenen Orten von
sich errichten ließ. Sie stellen einen subtilen Angriff auf die
Symbole der spanischen Diktatur dar und ironisieren zugleich durch die
surrealistische Verwendung von Alltagsgegenständen die
institutionalisierte Kunst an sich.
Miró 2.0
Joan Miró ging es um eine „Kunst für alle“ mit einer direkten
und offenen Bildsprache. Die Ausstellung greift diesen Gedanken auf
und überführt ihn in unser digitales Zeitalter. Eigens dafür
entwickelte das Max Ernst-Museum in Zusammenarbeit mit dem Cologne
Game Lab (CGL) der Technischen Hochschule Köln die Puzzle-App
„Mirós Monster“. Ähnlich wie Miró für seine Plastiken
Alltagsgegenstände gesammelt und zusammengestellt hat, können
Besucher beim Ausstellungsrundgang mit der Augmented Reality-App per
Smartphone Aufkleber scannen, 3D-Objekte sammeln, zu einem virtuellen
3D-Monster ergänzen, farblich bearbeiten und ein Foto damit machen.
Begleitend zur Ausstellung erscheint außerdem ein Katalog mit einer
weiteren interaktiven App. Damit ist erstmals auch die vollständige
räumliche Betrachtung einiger darin abgebildeter Kunstwerke möglich.
Elf ausgewählte Plastiken können mit der App „Miró 360°“
virtuell umrundet und in ihrer Materialität erkundet werden.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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