Ein Stück Ortsgeschichte
Ehemaliger Schüler veröffentlicht eine Schul-Chronik
VOLKHOVEN-WEILER - (cd). Am Anfang stand eine DVD, die Heinz-Dieter Goerres im Sommer
2016 von einem Freund angeboten bekam, der wie er die Volksschule
Köln-Volkhoven besucht hatte. Auf dieser DVD fand sich die komplette
Chronik der Volksschule, bis zurück zu ihrer Gründung 1892,
digitalisiert in Form von PDF-Dateien.
Als ehemaliger Leiter der Elektrotechnik eines Chemiewerkes hatte sich
Goerres zuvor zwar nie intensiv mit Geschichte oder Sprache
auseinandergesetzt. „Deutsch war immer meine Schwachstelle in der
Schule“, sagt er selbst. Doch vor allem die ältesten Teile der
Chronik waren in der lange veralteten Schreibschrift Sütterlin
gehalten, die heute viele nicht mehr entziffern können – Goerres
jedoch schon. „Mein Vater hatte mir damals Sütterlin beigebracht,
und als ich das gesehen habe, habe ich mich entschlossen, den
handschriftlichen Text in eine Datei zu übertragen und der
Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“
Goerres arbeitete den ganzen Winter an der Übertragung. Dabei
eröffnete ihm die Chronik einen erstaunlich lebendigen Blick auf die
Ortsgeschichte, denn gerade die Einträge der Schulleiter aus den
ersten Jahren beschreiben nicht nur den Schulalltag, sondern auch
wichtige Ereignisse für das damalige Dorf. So zum Beispiel den
Anschluss an Wasserversorgung und Stromnetz, Wetterereignisse und
Feste. „Wenn hier eine Goldene Hochzeit gefeiert wurde, dann war der
ganze Ort auf den Beinen“, so Goerres. Auch weltgeschichtliche
Ereignisse, wie der Ausbruch des ersten Weltkrieges, finden ihre
Erwähnung. „Man merkt dabei, wie sich der Ton ändert. Vom
anfänglichen Siegestaumel bis zur Desillusionierung in den späteren
Jahren. Sogar die Handschrift wird schlechter“. Natürlich wird auch
das furchtbare Attentat von 1964 beschrieben, das weit über die
Stadtgrenzen hinaus traurige Berühmtheit erlangte: Ein geistig
Verwirrter hatte eine Klasse mit einem selbstgebauten Flammenwerfer
angegriffen, wobei mehrere Kinder und Lehrkräfte ums Leben kamen und
viele weitere verletzt wurden. Auch dieses Ereignis wird detailliert
beschrieben, doch Goerres hebt es in seiner Bearbeitung nicht hervor.
„Darüber ist schon so viel geschrieben worden, wer mehr darüber
erfahren möchte, findet eine Menge Material“, meint Goerres.
Was hingegen fehlt, sind die Jahre zwischen 1933 und 1945. „Die Zeit
der NS-Diktatur bleibt im Dunkeln. Angeblich wurde die Chronik 1945
von einer Lehrerin wiedergefunden, als sie sie zufällig beim Umgraben
des Schulgartens ausgrub“, erinnert sich Goerres.
Letztlich hatte Heinz-Dieter Goerres den kompletten Text in seinen
Computer getippt, doch wollte er auch die Fotos verwenden, die in die
Chronik eingefügt worden waren. „Dafür musste allerdings das
Original her, doch das war lange nicht aufzufinden.“ Daher nahm er
Kontakt mit dem Historischen Archiv Kölns auf – dieses besaß zwar
die Chroniken vieler Kölner Schulen, nicht jedoch die der Volksschule
Volkhoven. „Die waren deswegen ebenfalls sehr daran interessiert,
das Original aufzuspüren.“ Gemeinsam gelang es Goerres und
Vertretern des Archivs schließlich, die Tochter des letzten
Schulleiters ausfindig zu machen, die ihnen das Original tatsächlich
überlassen konnte – und außerdem auch viele alte Klassenbücher.
100 Exemplare hat Goerres zunächst drucken lassen, die über ihn zu
beziehen sind. Die Sprache des Originals hat er dabei weitgehend
beibehalten, auch dort, wo die Orthographie von der heute üblichen
abweicht - nur die Namen, die in den letzten Jahrgängen vor 1964
erwähnt werden, hat er abgeändert. „Das Attentat ist Teil der
Stadtgeschichte“, meint Goerres, „aber an dieser Chronik sieht man
eben, dass die Volksschule Volkhoven lange eine wichtige Rolle im
Dorfleben und in der Geschichte des Ortes gespielt hat.“
Die Originalchronik hat mittlerweile ihren Platz im Archiv gefunden
und kann dort eingesehen werden. Wer sich ein Exemplar in den Schrank
stellen möchte, kann dieses bei Hein-Dieter Goerres direkt erwerben:
Die Bücher verkauft er jeden Donnerstag zwischen 10 und 12.30 Uhr im
Cafè Cuccus-Mocca in Heimersdorf.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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