Die "Kölsche Kraat" im Knast
Frauen im „Klingelpütz“ feiern Ramon Ademes
Ossendorf - (cb). Etwas verloren warten die Protagonisten des frühen Abends
vor der Justizvollzugsanstalt in Ossendorf. Für Ramon Ademes alias
„Kölsche Kraat“ oder „Der singende Türsteher“, seinen
jugendlich wirkenden Begleitrapper Nico und Schlagerneuling Bastian
Wolf steht heute ein Auftritt vor weiblichem Publikum im Kinosaal des
„Klingelpütz“ auf dem Programm.
Bis auf „den Kölsche Kraat“ Ramon wissen die wenigsten seiner
Begleiter, was heute auf sie zukommt. Aber Ramon Ademes weiß seine
jungen Künstlerkollegen zu beruhigen: „Das letzte Mal war ich vor
acht Jahren hier, damals zusammen mit Eco Fresh. Das war auch eine
geile Sache.“ Auch diesmal werde der Auftritt vor etwa 120
weiblichen Insassinnen der JVA „Bombe“, davon ist „die Kraat“
überzeugt. Berührungsängste hat der „kölsche Jung“ aus der
Südstadt nicht. Als TV-Schauspieler in einer Daily-Soap und
hauptberuflicher Türsteher führt er eine eigene Sicherheitsfirma.
Und schon wird die wartende Gruppe von Frank Prösdorf, JVA-Beamter
und Leiter der Sport- und Freizeitkoordination, vor der Tür abgeholt
und ins Innere der streng bewachten Einrichtung geführt. Personen-
und Taschenkontrolle stehen an. Mobiltelefone und Geld müssen
draußen bleiben. „Was wollt ihr euch hier drin denn kaufen“,
scherzt einer der kontrollierenden Beamten und packt Handys und
Geldbörsen zur sicheren Verwahrung in eine Plastiktüte. Schwerer
noch als der kurzfristige Verlust von monetären Werten und der
mobilen Erreichbarkeit wiegt spätestens nach Durchschreiten der
ersten vergitterten Sicherheitstür das Gefühl des
Weggeschlossenseins. Mehrmals noch rasten die Schließzylinder
klirrend ins Schloss.
Dann ist die Gruppe am Ort des Geschehens, dem holzvertäfelten
Kinosaal mit einer in die Jahre gekommenen Klappbestuhlung. Tageslicht
Fehlanzeige. Normal für einen Raum mit dieser Funktion. An den
Wänden künden Künstlerplakate von unzähligen Auftritten in den
vergangenen Jahrzehnten – Brings, Paveier, Gentleman, Norbert Blüm
und viele andere – sie alle haben hier vor den Gefangenen gespielt.
Nicht zu vergessen die vom Festkomitee Kölner Karneval veranstaltete
JVA-Sitzung immer am Mittwoch vor Weiberfastnacht. Für viele ein
Höhepunkt im tristen Knastalltag. Und schon entdeckt auch Ramon seine
Autogrammkarte von vor acht Jahren an der Tür zur
„Künstlergarderobe“. Ein tiefer gelegener Raum, der mit seinen
unverputzten Betonwänden und seinem vergitterten Fensterschacht an
einen Bunker erinnert. Es ist das Reich des „Kölner
Freizeitteams“ der JVA unter Leitung des Justizvollzugsbeamten
Wolfgang Bösl. Er ist seit 30 Jahren hier in der Einrichtung und
betreut die sechsköpfige Freizeit-Gruppe von Gefangenen, drei Frauen
und drei Männer, die für ihre Mit-Gefangenen die Konzerte und
Veranstaltungen im „Knast“ organisieren, ganz nach dem Motto
„Von Gefangenen für Gefangene“. In Sachen Knastkultur besitzt die
JVA Ossendorf damit eine Vorreiterrolle. Regelmäßig - ein bis
zweimal im Monat - finden hier solche Konzerte oder kulturelle
Veranstaltungen statt.
„Das ist sehr wichtig und hilft uns, den Alltag zu gestalten. Es ist
eine willkommene Abwechslung“, sagt Marina Ziegler, eine der
Insassinnen, die im Freizeitteam mitarbeitet. Weit im Voraus werden
Termine mit den Künstlern vereinbart. Wolfgang Bösl stellt den
Kontakt her, denn Zugang zum Internet und E-Mail haben die Gefangenen
nicht. Per Telefon arrangieren sie dann die verschiedenen Events im
Kinosaal. „Es gibt solche und solche. Manche Künstler sagen, dass
sie vor Kriminellen nicht spielen, andere freuen sich zu kommen“,
sagt Ziegler. Ramon Ademes hat da keine Berührungsängste. „Wir
sind nur ein paar Stunden hier, die Frauen mehre Jahre. Wir wollen
denen ein bisschen Abwechslung bringen“, so die „Kölsche Kraat“
routiniert. Es schwingt ein wenig Stolz mit, dass er schon vor acht
Jahren hier aufgetreten und nun wiedergekommen ist. Seine jüngeren
Kollegen Nico und Bastian Wolf ist dagegen die Nervosität angesichts
der besonderen Location etwas anzumerken. Etwas Zeit bleibt noch bis
zu den Auftritten. Liebevoll hat das Freizeitteam ein kleines Buffett
mit Schnittchen und Getränken für ihre Gäste vorbereitet. Locker
kommen die Künstler und ihre Begleiter mit den Jungs und Mädels vom
Freizeitteam ins Gespräch. Die Anspannung verfliegt schnell.
Kurz vor dem Auftritt bringt Ademes‘ Begleiter DJ HP die
mittlerweile im Saal versammelten Frauen mit Partymusik in Stimmung.
Den Anfang macht Bastian Wolf. Er hat leichtes Spiel und singt lässig
seine gecoverten Pop-Schlagerballaden runter. Dann macht sich Ramon
Ademes bereit, seine Mischung aus kölschen Karnevals- und Partyhits
unter die weiblichen Gefangenen zu bringen. Dafür hat er eigens ein
Transparent dabei und den Mallorca-Partyhit „Scheiß drauf“ ins
Kölsche übersetzt. „Ävver määt nix – Karneval is einmol im
Johr – Alaaf, alaaf und Tschalalala“ lautet sein Schlachtruf, mit
dem er Stimmung in den abgedunkelten Kinosaal zaubert. Da ist es egal,
dass viele der Gefangenen gar nicht aus Köln kommen. „Bis do ne
Kölsche oder bes do et nit“ lautet sein nächster Song, zu dem auch
Rapper Nico sich unter das Publikum mischt. Partystimmung im Saal.
Ramon holt einzelne Frauen auf die Bühne zum Tanzen und animiert zur
„Gefangenenpolonaise“. Ramon weiß sein Publikum zu begeistern und
mitzureißen. Den Insassinnen sieht man den Spaß regelrecht an –
ein paar ausgelassene Minuten, ein gemeinschaftliches Konzerterlebnis,
sich untereinander treffen. Eine Seltenheit im Knast. Umso wichtiger
sind solche Auftritte. Auch nach der Zugabe ist noch nicht Schluss.
Die „Kölsche Kraat“ und Sänger Bastian Wolf schreiben den Frauen
geduldig Autogramme. „Wie versprochen ein bombiger Auftritt“,
lautet das Fazit. Am Ende sind die Künstler froh nach vier Stunden im
„Knast“ wieder frische Luft zu schnappen und „endlich wieder
online“ zu sein.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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