Zaun soll geklaut worden sein
Historische Herbol-Zaunanlage verschwunden
Bickendorf - (red). „Das kann doch nicht wahr sein“, dachte sich Dieter
Brühl, Vorsitzender der Bürgervereinigung Köln-Ehrenfeld, als er am
10. April nachmittags an der Vitalisstraße am ehemaligen
Herbol-Verwaltungsgebäude vorbeifuhr. Der über 100 Meter lange
schmiedeeiserne Gitterzaun, der seit 1937 das Hauptgebäude der
weltbekannten Lackfabrik Herbig-Haarhaus AG wehrhaft einfriedete, war
weg.
Sofort alarmierte Brühl den Ehrenfelder Bezirksbürgermeister. Doch
der wusste auch nichts von der plötzlichen Abbruchaktion. Noch am
selben Abend schreibt er eine Brandmail an die Ehrenfelder
Bezirksvertreter und die Verwaltung. Die Bezirksvertretung Ehrenfeld
hatte vor genau zwei Jahren auf Initiative von Dieter Brühl ein
Abrissmoratorium für das Gebäude und die Zaunanlage beschlossen. Der
Stadtkonservator hatte den Denkmalschutz der ehemaligen
Verwaltungszentrale zwar aufgrund von baulichen Veränderungen
abgelehnt, das Ensemble an sich aber wegen seines ortsbildprägenden
Charakters als erhaltenswert eingestuft. Da hatte der Eigentümer und
Investor des Geländes, die Segro Germany GmbH, bereits große Teile
der alten Produktions- und Lagerhallen und Bürogebäude auf dem
weitläufigen Herbol-Gelände dahinter abreißen lassen. Denn dort
entsteht nach Segro-Plänen ein Gewerbepark. Auch für die
Herbol-Zentrale hatte Segro den Abriss bis auf die straßenseitige
Fassade Ende 2015 beantragt und dafür die Genehmigung erhalten. Die
Zaunanlage war nicht Antragsgegenstand und unterlag im Zweifel auch
nicht der Abbruchgenehmigungspflicht. Baurechtlich also alles
rechtens.
Dennoch hatte Segro immer wieder mit dem Erhalt der Erinnerung an die
die große, industrielle Vergangenheit der ehemaligen Lackfabrik
Herbig-Haarhaus geworben. Zumindest die Fassade der alten Verwaltung
und der vorgelagerte Garten mit Zaunanlage sollten erhalten bleiben.
Segro brachte sogar Pläne ins Spiel, die rückwärtig der
erhaltenswerten Bestandsfassade eine Kita, eine Kantine und ein
Fitnessstudio vorsahen. Zwei weitere Jahre gingen ins Land, das
Gebäude verfiel zusehends. Und nun plötzlich ist der Zaun weg. Ein
Vorgehen, das nicht nur den Vorsitzenden der Bürgervereinigung
Köln-Ehrenfeld und die Geschichtsinteressierten der IG Künstler für
Bickendorf ärgert, sondern auch den Bezirksbürgermeister Josef
Wirges: „Wir fühlen uns ehrlich hinters Licht geführt. Wir wollen
nun von der Segro wissen, was Sache ist mit dem Gebäude“, so
Wirges. In einem ersten offiziellen Schreiben der Segro an den
Bezirksbürgermeister heißt es: „Über das Verschwinden des Zaunes
sind die zuständigen Mitarbeiter von Segro äußerst verwundert.
Weder hat Segro den Zaun entfernt noch ein anderes Unternehmen
beauftragt, diesen entfernen zu lassen.“ Auch die von Segro auf dem
Gelände mit Baumaßnahmen beauftragten Unternehmen hätten keine
Informationen zum Verbleib des Zaunes. Die Segro hat nun Anzeige wegen
Diebstahls gegen Unbekannt erstattet. Das zuständige Kommissariat in
Ehrenfeld ermittelt. Zeugen und Beteiligte sollen in den nächsten
Tagen und Wochen vernommen werden, um diesen unglaublichen
„Zaundiebstahl“ aufzuklären.
Die Diebstahltheorie klingt auch für Dieter Brühl äußerst skurril:
„Es müssten schon dreiste Metalldiebe gewesen sein, die am
helllichten Tag und über mehrere Stunden mit Flex und Tieflader eine
solch massive Zaunanlage über fast 100 Meter entfernt haben sollen.
Ich bin selbst an dem Tag dort vorbeigefahren und habe gesehen, wie
sich Arbeiter an dem Haupttor des Zaunes zu schaffen machten“, so
Brühl. Am nächsten Tag sei er frühmorgens zur Baustelle gefahren,
um Fotos zu machen. Da hätte noch ein Teilstück des umlaufenden
Zaunes an der Kreuzung Vitalisstraße/ Vogelsanger Straße gestanden,
und es sei auch schon ein Sicherungsbauzaun mit dem Transparent einer
vor Ort tätigen Baufirma aufgestellt gewesen. Erst die Tage danach
muss der restliche Zaun „gestohlen“ worden sein. Aber nicht nur
der Zaun ist in Etappen „gestohlen“ worden, sondern auch die
massiven Platten aus Basaltstein auf der Mauerkrone, auf der der Zaun
befestigt war, sind mittlerweile verschwunden. Waren nach den
Zaundieben, nun auch noch Natursteindiebe am Werk?, fragt sich Brühl.
„Da fällt mir nichts mehr zu ein. Hätte ich gewusst, dass jetzt
die Rede von Diebstahl ist, hätte ich statt den Bezirksbürgermeister
direkt die Polizei angerufen“, so Brühl. Nun, da der Zaun
verschwunden ist, ist guter Rat teuer. Fieberhaft läuft die Suche
nach den „Tätern“ und dem Zaun. Auch Michael Schmitz von der IG
Künstler für Bickendorf ist schockiert: „Es ist eine Schande, was
mit dem Zaun passiert ist. Zusammen mit dem Gebäude prägte er an
dieser Stelle das Ortsbild über viele Jahrzehnte maßgeblich. Das ist
jetzt kaputt gemacht worden“, so Schmitz. Abgesehen vom historischen
Wert habe so ein Zaun auch einen monetären Wert. „Das Metall ist
die eine Sache. Als historischer Baustoff aber hat so eine Anlage in
der Länge einen Wert von mehreren zehntausend Euro“, meint Schmitz.
Die ehrenamtlichen Geschichtsinteressierten aus Ehrenfeld und
Bickendorf lassen nun nicht locker und recherchieren weiter. Eine
Suchanfrage über das Netzwerk historischer Baustoffhändler im
Rheinland läuft bereits.
Auch die Bezirksvertretung Ehrenfeld fordert in einem Antrag auf der
kommenden Sitzung von Segro und der Verwaltung Aufklärung und
Auskunft über den Umgang mit der historischen
Herbol-Verwaltungszentrale, die nun wie ein Torso ohne ihren Zaun
auskommen muss. Immerhin gibt es noch die Aufnahmen des berühmten
Kölner Architekturfotografen Hugo Schmölz, die den Bau und seine
Einfriedung kurz nach seiner Fertigstellung zeigen.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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