"Schandfleck" statt Flaniermeile
Kölner Verkehrsverein verleiht Saure Zitrone
Ehrenfeld - (cb). Der Kölner Verkehrsverein hat der Deutschen Bahn und der
Bahnbögen Köln GmbH die „Saure Zitrone“ verliehen. Damit
zeichnet der Verein seit rund zehn Jahren misslungene Bauprojekte,
unverträgliche Stadtarchitektur oder vernachlässigte öffentliche
oder private Plätze aus.
Grund für die Negativauszeichnung an die Deutsche Bahn und ihren
Pächter sind die seit Jahren andauernden städtebaulichen Missstände
an den Ehrenfelder Bahnbögen. Ein industrie- und
verkehrsgeschichtliches Denkmal aus den 1920er Jahren, das sich als
Viadukt mit rund 50 Gewölbebögen quer durch Ehrenfeld zieht. Marodes
und feuchtes Mauerwerk kennzeichnen die Bogengewölbe. Eigentümer ist
die Deutsche Bahn AG. Seit mehr als einem Jahrzehnt verzögert sich
die notwendige Sanierung. Eine Nutzbarmachung durch den Pächter, die
Bahnbögen Köln GmbH, ist seit 2012 nicht mehr möglich. Bislang sah
sich die Deutsche Bahn AG aufgrund der komplexen Herausforderung nicht
in der Lage, ein passendes Sanierungsverfahren auf den Weg zu bringen.
So verkamen die Ehrenfelder Bahnbögen im Verlauf der Hüttenstraße
und Bartholomäus-Schink-Straße zu Dauerbrachen, teilweise mit Unrat
vermüllt. Ein Schandfleck für Köln und besonders für Ehrenfeld, so
die Meinung des Kölner Verkehrsvereins. „Der Deutschen Bahn und der
Kölner Bahnbögen GmbH scheint es offensichtlich gleichgültig zu
sein, dass die Bahnbögen verkommen und einen äußerst
vernachlässigten Eindruck machen“, sagte Martin Schwieren,
Vorsitzender des Kölner Verkehrsvereins bei der Verleihung vor Ort in
der Hüttenstraße. Wild plakatierte Bauzäune, Bahnbögen mit Müll
und Unrat hinterließen kein schönes Bild. „Insgesamt machen die
Bahnbögen einen hässlichen, verdreckten Eindruck. Dies ist unwürdig
für unsere Heimatstadt Köln“, so Schwieren weiter. Bereits vor 15
Jahren sei vom Pächter eine „Flaniermeile“ mit Läden, Cafés und
Restaurants geplant gewesen. Stattdessen habe sich die Gegend negativ
entwickelt. Der Kölner Verkehrsverein hatte per Online-Voting ihres
Medienpartners Kölner Express über vier Kandidaten für die
diesjährige „Saure Zitrone“ abstimmen lassen. Neben den
Bahnbögen mit im Rennen: der Tunnel Kalk, die Müllumladestation
hinter dem Haus Neuerburg in der Innenstadt und der Tunnel
Johannisstraße unter dem Hauptbahnhof. Die Bahnbögen hatten mit
großem Abstand die Nase vorn.
Ganz schmecken dürfte das saure Früchtchen den Verantwortlichen
nicht. Daher waren sie gleich mit drei Vertretern angerückt, um die
gelbe Zitrusfrucht in Empfang und gleichzeitig Stellung zum Zustand
der Bögen zu nehmen. Auch der Chef der Kölner Bahnbögen GmbH, Lutz
Figge, war gekommen. „Uns ist bewusst, dass der Bereich der
Bahnbögen Ehrenfeld aktuell keinen schönen Anblick bietet und dass
hier etwas geschehen muss. Das Thema ist hochkomplex, auch aus
finanzieller Hinsicht. Wir haben nach zähem Ringen eine Freigabe
über dieses zweistellige Millionen-Projekt erreichen können“,
sagte Ulf Heywang, Planungsleiter bei der DB Netz AG. Anfang November
habe die Deutsche Bahn das EU-weite Ausschreibungsverfahren für die
Wiederherstellung der Bahnbögen auf den Weg gebracht. Anfang des 2.
Quartals 2019 rechnet die Bahn damit, die Planungsleistung für das
Projekt vergeben zu können. Dann soll ein Ingenieurbüro mit den
Planungen für die Sanierung von rund 50 Bögen beginnen. Um das
Feuchtigkeitsproblem in den Griff zu bekommen, soll ein flüssiges Gel
per Hochdruck in Bohrlöcher im Gewölbemauerwerk gepresst werden.
Dieses Gel härtet nachher zu einem festen Kunststoff aus. Vorteil
dieser Methode, der darüberliegende Bahnverkehr kann uneingeschränkt
weiterlaufen und das Sichtmauerwerk der denkmalgeschützten Gewölbe
bleibt erhalten. So soll die Lebensdauer der Bahnbögen um 50 Jahre
verlängert werden. Die Vertreter der Deutschen Bahn bekräftigten
auch weiterhin in enger Abstimmung mit der Stadt sowie dem Pächter zu
sein. Letzterer macht die Bahn für die Verzögerung bei der
Entwicklung der Bahnbögen verantwortlich. „Seit 2012 konnten wir
hier nicht weitermachen, da unklar war, welche Sanierungsvariante die
Deutsche Bahn plant“, sagte Lutz Figge. Auch wenn nun weiterhin
offen ist, wann die eigentliche Sanierung nun wirklich startet – auf
einen Sanierungsbeginn wollte sich Ulf Heywang nicht festlegen –
bleibt Pächter Lutz Figge zuversichtlich, bereits Mitte 2020
zumindest die Bögen an der Bartholomäus-Schink-Straße in Nutzung zu
haben. „Für alle Bögen an der Bartholomäus-Schink-Straße haben
wir Mietverträge mit Nutzern abgeschlossen. Anträge für
Baugenehmigungen würden derzeit vorbereitet und der Stadt
vorgelegt“, so Figge. Angaben über die Nutzungen wollte er
allerdings gegenüber der Presse nicht machen.
Bereits im Sommer hat die Initiative „Künstler für Bickendorf“
ein Konzept zur kurzfristigen Nutzbarmachung einzelner Bögen
vorgestellt. Die Künstler schlagen eine „Haus in Haus“-Lösung
vor. Dabei sollen einzelne Bausegmente zu Raummodulen zusammengesetzt
und auf Schienen in die Tonnengewölbe „geschoben“ werden.
Technisch an die vorhandenen Anschlüsse und den Schmutzwasserkanal
angeschlossen, könnten diese Module in Serie gebaut werden. Der
Zugang bliebe durch einen begehbaren Zwischenraum möglich. Die
Raummodule könnten verschieden genutzt und bespielt werden. Der
Vorschlag zur Nutzbarmachung der Bahnbögen käme ohne aufwändige
Sanierung seitens der Bahn aus und sei zeitnah zu realisieren, so die
Argumente der Künstlerinitiative. Bislang hatte die Initiative
allerdings noch keine Gelegenheit, ihr Konzept Ulf Heywang von der
Deutschen Bahn vorzustellen. Kölns Baudezernent Markus Greitemann
zumindest fand die innovative Idee bei einem Besuch der
Künstlerinitiative im Sommer „charmant“. Das Konzept scheint aber
zwischenzeitlich bei den verschiedenen Akteuren der Stadt und der Bahn
diskutiert worden zu sein.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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