Gut gemeint, aber nicht machbar
Bürgermeister bringt 1km-Tunnel für Bahn ins Spiel

Lange Schlangen bilden sich mehrmals pro Stunde vor dem Bahnübergang Brückenstraße. | Foto: Deitenbach
  • Lange Schlangen bilden sich mehrmals pro Stunde vor dem Bahnübergang Brückenstraße.
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Eitorf - Die Beseitigung des höhengleichen Bahnübergangs Brückenstraße
beschäftigt Politik und Verwaltung schon seit Jahrzehnten. Wurde
zunächst lange Zeit eine Bahnüberführung verfolgt, kam bereits vor
rund zehn Jahren die Idee einer Bahntieferlegung auf. Dieser standen
nicht nur große Teile der Politik, sondern auch Vertreter von Bahn-
und Bezirksregierung positiv gegenüber. Grundlegende Bedenken der
beteiligten Fachleute bestanden nicht, allerdings wurden die Kosten
auf rund 100 Millionen Euro geschätzt und die Variante daraufhin
nicht mehr weiter verfolgt. Aktuelle Beschlusslage ist der Bau einer
Bahnüberführung die derzeit von der Bahn geplant wird. Im
Bürgermeisterwahlkampf griff der spätere Wahlsieger Rainer Viehof
die Idee einer Bahntieferlegung wieder auf. Jetzt schlug er dem
Fachausschuss ein ruhend stellen der aktuellen Planungen zu Gunsten
einer Tieferlegung vor.

Mit einer Tunnellösung über einen Kilometer plus nötige
Gefällestrecke und unterirdischem Bahnhof möchte er vier
höhengleiche Bahnübergänge gleichzeitig beseitigen und die
Zerschneidung des Mittelzentrums Eitorf durch die Bahnstrecke ebenso
beenden wie die langen Standzeiten des Verkehrs vor den Schranken.
Seine Sorge gilt der deutlichen Zunahme des Güterverkehrs durch
Verlagerung von der Rheinschiene auf die Siegstrecke. Vom geplanten
zweigleisigen Ausbau der Bahnstrecke Köln-Siegen, für den 4,3
Milliarden Euro in den Bundesverkehrswegeplan eingestellt sind,
erwartet Viehof eine Zunahme auf mindestens 120, aber auch bis zu 240
Güterzügen innerhalb von 24 Stunden. Die damit einhergehende
Lärmbelästigung müsste ertragen, alternativ kilometerlange
Lärmschutzwände quer durch den Ort geführt werden. Mit der
geplanten Bahnüberführung sieht Viehof keine Verbesserung der
Situation. So drohe dem Bahnübergang Siegstraße ohnehin die
Komplettschließung für den Kfz- Verkehr, am Übergang Spinnerweg
erwartet Viehof lange Schließzeiten, am Kurscheid‘s Eck ein
Verkehrschaos und eine starke Zunahme des Durchgangsverkehrs „Am
Eichelkamp“ mit Erhöhung der Gefahrenlage vor Gymnasium, Schwimmbad
und Jugendcafé. Von einer Bahntieferlegung verspricht er sich
hingegen Potential für eine zukunftsorientierte Ortsentwicklung durch
Optionen wie die mögliche Verlegung der Landstraße 333 auf den
Tunnel der Bahntrasse oder den Rückbau der Hochstraße.

Eine günstige Gelegenheit zur Umsetzung sei der anstehende
zweigleisige Ausbau der Siegstrecke samt Ertüchtigung dreier
Siegbrücken, für den die Strecke ohnehin gesperrt werden müsse.
Doch selbst wenn eine Tieferlegung sich als nicht realisierbar
erweisen sollte, seien für die Wiederaufnahme der Bahnüberführung
maximal zwei Jahre verloren, ist Viehof überzeugt.

Ganz anders sieht das der Erste Beigeordnete Karl-Heinz Sterzenbach.
Für Viehof völlig unerwartet distanzierte sich Sterzenbach in aller
Öffentlichkeit vehement vom Vorschlag des Bürgermeisters. Er könne
diesen weder unterstützen noch verantworten, bezog er im Ausschuss
noch vor Einstieg in die Debatte Stellung. Die Tunnellösung koste
mindestens 200 Millionen Euro, habe kaum Chancen auf Umsetzung und
falls doch, dauere diese mindestens 30 Jahre. Die Gemeinde habe die
Pflicht, die bestehende Gefahrensituation zeitnah zu beheben. Es sei
reiner Zufall, dass bisher dort noch kein größerer Unfall zu
beklagen sei und er könne nur nachdrücklich empfehlen, die
beschlossene Planung weiter zu verfolgen, erklärte der Beigeordnete
unter Beifallsbekundungen aus der Politik. Damit könne er leben,
reagierte Viehof sichtlich erschüttert ob des Vorgehens, hätte
jedoch eine solche Erklärung im Vorfeld und nicht erst in
öffentlicher Sitzung erwartet. Sterzenbach wiederum betonte, dass es
die gegeben habe.

Dietmar Tendler (SPD) äußerte Unverständnis darüber, dass eine
solche Vorlage nicht vorab in der Verwaltung abgestimmt worden sei.
Auch seien einige Fakten aus der Vorlage so nicht richtig,
insbesondere sei nicht mit stärkerem Güterverkehr zu rechnen. In der
Sache appellierte auch er dafür, die jahrelange Arbeit nicht durch
eine unrealisierbare Vision zu konterkarieren. Sein Fraktionskollege
Bernd Thienel konnte Viehofs Idee hingegen einiges abgewinnen, glaubt
aber auch nicht an Umsetzbarkeit. Einem Stopp der laufenden Planung
könne die SPD keinesfalls zustimmen, aber es sei das gute Recht des
Bürgermeisters, parallel dazu Gespräche zu führen. Ähnlich
argumentierte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Laura
Fassbender für die CDU. Es mangele an belastbaren Fakten und sei zu
begrüßen, wenn Viehof etwas Konstruktives aus Gesprächen mit den
Beteiligten mitbringe. Viehofs Idee könne sie ganz viel abgewinnen,
bestätigte auch Anna Haas, appellierte aber ebenfalls, die laufende
Planung nicht zu gefährden und schlug vor, parallel alle Beteiligten,
einschließlich Vertreter des Gemeinderats, an einen Tisch zu bringen.
Für die BfE hielt der Fraktionsvorsitzende Hans Dieter Meeser fest,
Viehof sei nicht zuletzt wegen seiner guten Ideen gewählt worden, die
Tieferlegung sei langfristig sicher die beste Lösung. Auch er sprach
sich für eine parallele Weiterverfolgung aus. Der
Fraktionsvorsitzende der Grünen, Jochen Scholz, fasste schließlich
den Tenor zu dem Vorschlag zusammen, der Bürgermeister möge seine
Vorlage zurückziehen und zunächst durch Gespräche eine bessere
Datenbasis schaffen.

Damit erklärte sich Viehof einverstanden und gab zu Protokoll, dass
er entsprechende Gespräche aufnehmen werde. Wenn der Ausschuss
dahinter stehe, sei das für ihn auch ohne Beschluss okay. Er habe
keinen Beschluss gebraucht, sondern eine Positionierung der Politik,
erklärte Viehof nach der Sitzung gegenüber dem Extra-Blatt. Er sehe
sich nicht als Alleinunterhalter, sondern als Teamplayer, der Kräfte
bündele. Ohne Rückhalt der - genau wie er - gewählten
Volksvertreter wäre eine Weiterverfolgung seiner Planung für ihn
nicht infrage gekommen.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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