"Eigenes Spüren schafft anderes Verständnis"
Demenz nacherleben
Merten - Im Rahmen der dritten Demenzwoche, die im September in der Region
Bonn/Rhein-Sieg stattfand, bot der Trägerverein „kivi“, der für
den Rhein-Sieg-Kreis das Projekt „Mitten im Leben (MiL)“
koordiniert, einen Demenzparcours im Spiegelsaal von Schloss Merten
an.
Die interaktive Ausstellung gab den Besuchern die Möglichkeit einen
Eindruck davon zu bekommen, wie sich die Symptome einer
Demenz-Erkrankung anfühlen, wie schwierig Alltagssituationen unter
veränderten Bedingungen zu meistern sind und wie frustrierend für
die Betroffenen die Erkenntnis ist, lebenslang geübte Tätigkeiten
nicht mehr bewältigen zu können.
Alltagssituationen nachgestellt
Der aufgebaute Demenzparcours vermittelte die Erfahrungen hautnah
anhand von 13 Stationen, die alltägliche Situationen simulierten, vom
Anziehen oder Zubereiten des Frühstücks über den Einkauf auf dem
Markt oder Haushaltstätigkeiten bis zur Orientierung in der Stadt
oder der Teilnahme am Straßenverkehr.
Zeichnen mit Blick in den Spiegel
Allerdings mussten dabei beispielsweise die winzigen Knöpfe einer
Kittelschürze mit klobigen Arbeitshandschuhen geschlossen oder Texte
und Zeichnungen mit Blick in einen Spiegel erstellt werden. Auch die
Benutzung von Messer und Gabel oder die Verteilung von Murmeln in
Becher erfolgte ausschließlich mit Blick in den Spiegel, um eine
veränderte Realität zu simulieren.
Neben Belastungen durch fortschreitende Demenz wurden dabei auch
zusätzliche Einschränkung wie das Nachlassen von Beweglichkeit oder
Seh- und Hörvermögen berücksichtigt. Hilfestellung zum Verständnis
der Aufgabenstellung und auch bei der Reflexion der eigenen Erfahrung
leisteten Fachkräfte des Alten- und Pflegeheims Schloss Merten und
ehrenamtliche Helfer des Eitorfer MiL-Teams.
Klangen die Aufgabenstellungen auch zunächst einfach, stießen alle
Teilnehmer doch schnell an ihre Grenzen. Die Einzeichnung einer
Streckenführung in einen Stadtplan, die Handhabung von Messer und
Gabel oder das Erstellen einer Einkaufsliste wurden zur Mammutaufgabe.
Jede Tätigkeit erforderte höchste Konzentration, benötigte
erheblichen Zeitaufwand und war trotz allem vielfach zum Scheitern
verurteilt. Die eigene Überforderung, das eigene Versagen, weckten
schnell Verständnis für die Nöte Betroffener, die sich in einer
veränderten Realität zu orientieren suchen und immer wieder neu den
Hindernissen selbst, aber auch dem Gefühl von Ohnmacht und Niederlage
stellen müssen.
Zu den Besuchern zählten Angehörige von Demenzkranken ebenso wie
interessierte Senioren oder auch Pflegepersonal verschiedener
Einrichtungen. Insgesamt sei die Besucherresonanz nicht so groß
gewesen wie erhofft, so der Eindruck der MiL-Teamer, die Teilnehmer
seien jedoch von den gemachten Erfahrungen beeindruckt gewesen. Dabei
sei nicht nur vielen spürbar bewusst geworden wie schwierig allein
die Gestaltung des Alltags für Demenzkranke ist, intensiver noch
empfanden viele ein neues Verständnis für die Verzweiflung der
Betroffenen über die Erkenntnis, dass man etwas einfach nicht mehr
schafft.
So beschrieb die rüstige Seniorin Eva Zwickel (83) ihre Erfahrung mit
dem Parcours als zunächst anregend und herausfordernd. Dem Ehrgeiz
die Aufgaben zu meistern sei die Reflexion über tatsächlich
Betroffene gefolgt, für die die Schwierigkeiten nicht enden, die aus
der Situation nie mehr herauskommen. Theoretisch sei ihr vieles im
Kopf auch vorher bewusst gewesen, doch durch die Erfahrung des
Parcours könne sie die Auswirkungen jetzt auch nachfühlen. Eigenes
Spüren schaffe ein ganz anderes Verständnis als bloßes Wissen.
- Renate Deitenbach
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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