90. Geburtstag
Ein Leben hinterm Tresen

Die Jubilarin mit Prinzenpaar und Familienmitgliedern hinter der Theke, links Sohn Fidi, der aktuelle Wirt. | Foto: Deitenbach
  • Die Jubilarin mit Prinzenpaar und Familienmitgliedern hinter der Theke, links Sohn Fidi, der aktuelle Wirt.
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Eitorf - Irmgard Huberti, Seniorchefin der Gaststätte „Jägerheim“, ist
mit Leib und Seele Wirtin. Oft zapft sie mit ihren 90 Jahren auch
heute noch das eine oder andere Kölsch, obwohl das Familiengeschäft
inzwischen in den Händen von Sohn Fidi (Friedrich) ruht. Die Seniorin
ist nicht nur die Seele der Traditionskneipe, sie ist auch die
„Mutter der Kompanie“ der „Jägerheimfreunde Eitorf“, der
rührigen Karnevalsgesellschaft, die sich vor 22 Jahren hier
gegründet hat und in diesem Jahr das Prinzenpaar stellt.

Für Prinz Michael und seine Prinzessin Jana, wie auch die zahlreichen
Vereinsmitglieder, hat sich die Gaststätte längst zu einem zweiten
Zuhause entwickelt. Auch das Mottolied, vom Prinzen selbst komponiert,
ist der Stammkneipe gewidmet und besingt ebenso die Jubilarin.

So ließen es sich die Jägerheimfreunde nicht nehmen, ihrer Wirtin
zum 90. Geburtstag in großer Besetzung ihre Aufwartung zu machen.
Mitgebracht hatten sie neben dem Prinzenpaar auch eine Abordnung des
Festausschusses Eitorfer Karneval, darunter der Vorsitzende Jürgen
Siebigteroth und der Ehrenvorsitzende Erwin Korzonek. Begeistert und
ohne sichtbare Aufregung nahm die Jubilarin Glückwünsche, Blumen und
Geschenke entgegen. Auch die Verleihung des Prinzenordens und ein
Ständchen ihrer sangesfreudigen Gäste brachten die Seniorin nicht
aus der Ruhe, mit damenhafter Gelassenheit genoss sie die
Aufmerksamkeit, plauderte lächelnd mit den Gratulanten und sorgte
für deren leibliches Wohl.

Unterstützt wurde sie dabei von ihrer Familie, mit der sie auch
bereits mittags, gemeinsam mit Nachbarn und Freunden ihren Ehrentag
gefeiert hatte. Trotz Abend-, Wochenend- und Feiertagsarbeit, die bei
einer Wirtin zum Alltag gehört, war Irmgard Huberti stets ein
Familienmensch, berichtet Sohn Andreas, und auch heute noch steht
diese an erster Stelle. Zur Familie gehören ihre drei Söhne, Karl,
Andreas und Fidi, und vier Enkelkinder, im Februar wird der erste
Urenkel erwartet.

Irmgard Huberti ist ein humorvoller, zufriedener und ausgeglichener
Mensch der gerne lacht, weiß jeder der sie kennt. Befragt nach dem
Rezept für ihre körperliche und geistige Vitalität im hohen Alter,
verweist sie auf ihre Freude beim Zusammensein mit Menschen, ihr reges
Interesse an ihrem Umfeld und auch den Spaß an Gesprächen und
Diskussionen. So wundert es auch nicht, dass die Seniorin noch
regelmäßig einmal im Monat ihre eigene Stammtischrunde pflegt, ein
knappes Dutzend Damen und Herren um die 80, die sich seit rund 20
Jahren treffen.

Huberti strahlt rheinischen Frohsinn aus, gepaart mit der vornehmen
Zurückhaltung einer Dame aus den gutbürgerlichen Kreisen ihrer
ostpreußischen Heimat. Den elterlichen Hof musste sie im Januar 1945
verlassen, schloss sich mit ihrer Mutter einem Treck nach Westen an,
der Bruder war Soldat, der Vater beim Volkssturm. Es war ein mühsamer
Weg, erinnert sie sich, mit Pferd und Wagen bei Eis und Schnee und
Temperaturen von minus 25 Grad. Unterwegs wurden sie mehrfach
eingekesselt und kämpften ums Überleben, bis sie schließlich im
Frühjahr 1945 Pommern erreichten und dort für eineinhalb Jahre ein
Dach über dem Kopf fanden.

Später ging es weiter nach Schleswig-Holstein und schließlich 1952
zu Verwandten nach Solingen. Schon in St. Peter-Ording hatte die junge
Irmgard erste Erfahrungen in der Gastronomie gesammelt und so fand sie
auch in Solingen Arbeit als Kellnerin. In ihre Wirkungsstätte
verschlug es eines Tages einen Eitorfer Kegelklub, erzählt die
Jubilarin und erinnert sich noch namentlich an alle Mitglieder des
Vereins. Die Herren zeigten sich erstaunt, dass eine so hübsche junge
Frau noch ledig war und kündigten an, ihr einen Ehemann zu besorgen,
schmunzelt die Seniorin heute. Tatsächlich kehrten sie Monate später
erneut bei ihr ein, diesmal in Begleitung von Fritz Huberti, ihrem
späteren Ehemann.

Schnell fanden die jungen Leute Interesse aneinander, doch Fritz
führte in Eitorf mit seiner Mutter ein Gasthaus und Irmgard wollte
nicht weg aus Solingen. So blieb es jahrelang bei gegenseitigen
Besuchen, bis Irmgard schließlich 1959 in die Verlobung einwilligte
und 1961 nach der Hochzeit in das Stammhaus am Eitorfer Markt einzog.
Schon seit 1922 führte hier die Familie Huberti ihre Geschäfte, bis
im Krieg die Bäckerei mit Weinstube völlig zerstört wurde. Im an
gleicher Stelle neu gebauten Familiensitz mit Gasthaus führte
zunächst noch Schwiegermutter Elisabeth das Regiment, doch Irmgard
lernte das Jägerheim, das ihr schnell viele Kontakte verschaffte, und
die neue Heimat Eitorf rasch lieben.

Mitte der 1980er Jahre wurde sie dann selbst Chefin des Lokals, in dem
sie auch heute noch gerne gelegentlich hinter der Theke steht. Ihre
scherzhaft geäußerte Ankündigung, das Familienlokal mit 100 Jahren
nur noch halbtags zu öffnen, nimmt ihr keiner ab. Schließlich räumt
sie selbst ein, sich zu langweilen, wenn das Gasthaus mal geschlossen
bleibt.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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