Planungshoheit versus Fördermittel
Einzelhandelsentwicklung Thema im Gemeinderat

Erneut bot die geplante Aldi-Ansiedlung im ehemaligen Baumarkt Anlass zu Diskussionen. | Foto: Deitenbach
  • Erneut bot die geplante Aldi-Ansiedlung im ehemaligen Baumarkt Anlass zu Diskussionen.
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Eitorf - Erneut hatten sich Politik und Verwaltung, diesmal im Rat, mit der
Einzelhandelsentwicklung im Gewerbegebiet „Im Auel" zu
beschäftigen.

Auslöser war ein Antrag der BFE, die einen Sachstandsbericht
gefordert und deutliche Kritik an der bisherigen Informationspolitik
der Verwaltung geübt hatte. Die Kritik wies Bürgermeister Dr.
Rüdiger Storch entschieden zurück. Zu den Vorgängen äußerte er
sich zunächst nur durch Hinweis auf eine Tischvorlage, die die
Ratsmitglieder in der Kürze der Zeit nur bedingt, interessierte
Sitzungsbesucher gar nicht lesen konnten.

Zeitnah informiert

Im Tenor hält die Stellungnahme fest, dass die Verwaltung stets dann
zeitnah informiert habe, wenn Sachverhalte abschließend und
verbindlich feststanden. Die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens
für den Lidl-Neubau durch die Verwaltung rechtfertigt der Erste
Beigeordnete Karl Heinz Sterzenbach sinngemäß, man sei davon
ausgegangen, das Vorhaben sei bei Vorlage einer
Verträglichkeitsstudie im Rahmen des bestehenden Bebauungsplans
zulässig.

Bezirksregierung hat andere Rechtsauffassung

Diese Rechtsauffassung sei seitens der Bezirksregierung (Bez.-Reg)
dann überraschend nicht geteilt worden und habe das weitere Vorgehen
ausgelöst. Die Gemeinde befürworte das Lidl-Vorhaben, weil es der
nachhaltigen Sicherung eines ergänzenden Versorgungsbereichs auf
Basis des jetzigen Bestands diene, verweist Sterzenbach im Kontext auf
frühere Erklärungen.

Vermuteter Interessenskonflikt

Meeser gingen die schriftlichen Informationen nicht weit genug. So
vermisse er eine Stellungnahme zur Frage, ob das seitens der Gemeinde
beauftragte BBE-Einzelhandelsgutachten objektiv sein könne, wenn
diese gleichzeitig Gutachten für Lidl erstellten, um die
Voraussetzungen für den geplanten Neubau zu schaffen. Sterzenbach sah
hier keine Interessenskonflikte, verwies jedoch auf die Vorstellung
des Gutachtens im nächsten Planungsausschuss am 16. November, da
könne sich jeder ein eigenes Bild machen.

Extra-Baumarkt

Zur weiteren Frage Meesers, ob es ein gesetzliches Erfordernis zur
Überarbeitung des Bebauungsplans im Bereich des früheren
Extra-Baumarkts gebe, oder diese Notwendigkeit lediglich durch den
geplanten Lidl-Neubau entstanden sei, verneinte Sterzenbach ein
generelles gesetzliches Erfordernis. Für die Gemeinde könne sich
dennoch eine aktive Handlungspflicht ergeben, sollte sich zeigen, dass
der geltende B-Plan zwar rechtskräftig, aber praktisch nicht
vollziehbar sei. Dies könne der Fall sein, wenn der B-Plan zu
unkonkret wäre, dann müsse er entweder ersatzlos aufgehoben oder neu
aufgestellt werden, erläuterte Sterzenbach auf Nachfrage dieser
Zeitung.

Aktuelles Schreiben der Bezirksregierung

War auch der BFE-Antrag Anlass für den Sachstandsbericht, drehte sich
die Diskussion weit überwiegend um ein aktuelles Schreiben der
Bez.-Reg., in dem diese den Rat eindringlich davor warnt, durch die
Ansiedlung weiterer großflächiger Einzelhandelsbetriebe außerhalb
des Zentrums eine Förderung der Ortskernentwicklung aus Landesmitteln
aufs Spiel zu setzen. Eine die Innenstadt  schädigende Ansiedlung
sei mit den Zielen der Städtebauförderung nicht vereinbar.

Förderung in Frage gestellt

„Fehlgeleitete Einzelhandelsansiedlungen führen dazu, dass bei der
Bewertung der Vielzahl miteinander konkurrierender Förderanträge
eine Priorisierung zugunsten der Kommunen erfolgen wird, die ihre
innerstädtischen Strukturen konsequent und ganzheitlich stärken",
zeigte die Bez.-Reg. die Konsequenzen auf und lud Bürgermeister und
Fraktionsvorsitzende kurzfristig zu einem klärenden Gespräch ein.

"Spatz in der Hand"

Während Sascha Liene (FDP) betonte, dass es eben kein Anrecht auf
Fördermittel gebe und Sara Zorlu (SPD) ebenso wie Antonio Moreira
(UWG) plädierten, das Integrierte Handlungskonzept nicht zu
gefährden und sich bei der Einzelhandelsentwicklung auf das
innerörtliche Schulgassenareal zu konzentrieren, hielt Andreas Finke
(CDU) gerade dessen Entwicklung durch einen neuen Interessenten (wir
berichteten) für eine Fiktion, solange keine konkreten Verträge
geschlossen seien. Da setze seine Fraktion lieber auf den „Spatz in
der Hand" mit den sicheren Investoren in der Baumarktimmobilie.

Einschränkung der Entscheidungsfreiheit des Rates

Sein Fraktionskollege Lukas  Bönisch verwies auf das Beispiel
Drogeriemarkt, dessen anvisierter Wegzug bei Nichtumsetzung der
Baumarkt-Planung, ganz im Gegenteil, den Innerort sogar schwäche.
Jochen Scholz (GRÜNE) empörte sich mit Blick auf den klar bekundeten
Willen des Rates, die Ansiedlung von Aldi & Co im „Auel" zu
ermöglichen, die Bez.-Reg. verlange hier eine Rolle rückwärts. Sein
Fraktionskollege Michael Droppelmann wies darauf hin, dass man bei
Berücksichtigung der Warnung der Bez.-Reg. gegebenenfalls die
Aldi-Ansiedlung verhindere, ohne dadurch eine Garantie auf
Fördermittel zu haben. Zudem sieht er die Entscheidungsfreiheit des
Rates durch zunehmende Einschränkungen bedroht.

Rhein-Sieg-Kreis erachtet den geltenden Bebauungsplan als
unwirksam

Entscheidungen treffen müssen die politischen Gremien jedoch bald.
Nicht nur über den Förderantrag für den Ortskern, jetzt auch, wie
von Sterzenbach im Rat bereits angedeutet, über eine Änderung des
Bebauungsplans im Bereich des Baumarkts.  Auf Nachfrage teilte der
Rhein-Sieg-Kreis jetzt das Ergebnis seiner Monate dauernden Abwägung
mit.

Demnach kann von ihm als Entscheidungsbehörde über die laufende
Bauvoranfrage zur Aldi-Ansiedlung im Baumarkt keine Entscheidung
getroffen werden, da man den geltenden Bebauungsplan als unwirksam
erachtet. Es fehle eine Begründung, die die Nutzung  konkret
festlege, so Pressesprecherin Rita Lorenz.  Der Bürgermeister sei
aufgefordert worden den Plan zu ändern. Dafür bedarf es Beschlüsse
der Politik, in deren Hand es nun liegt, was auf dem Areal künftig
möglich sein soll.
Freia Johannsen, Pressesprecherin der Bez.-Reg erklärt auf
Nachfrage  die vielen Bürgern unverständliche unterschiedliche
Handhabung der beiden Einzelhandelsplanungen im Gewerbegebiet damit,
dass für das neue Vorhaben auf dem Petz/Rewe-Standort für einen
Bauantrag die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten
seien. Auch für den Lidl-Neubau bedürfe es zwar einer erneuten
Genehmigung samt vorgeschaltetem Bebauungsplanverfahren, aber hier
gebe es zumindest für die ausgeübte Nutzung und für eine
Erweiterung bereits eine Baugenehmigung.

- Renate Deitenbach

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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