Gedenken mit Saitensprung
Jiddische Musik auf höchstem Niveau
Eitorf - Vor zwei Jahren war die „Biologische Station" als Spielort für
„Saitensprung" noch eine Notlösung.
Diesmal hatte sich das Windecker Ensemble ganz bewusst für den
ehemaligen Güterbahnhof als Rahmen für ihr Konzert zum Gedenken an
die Opfer der Reichskristallnacht entschieden. Von hier aus wurden die
meisten Eitorfer Juden abtransportiert, erinnerte Ute Krämer-Bönisch
an das Schicksal der jüdischen Familien.
Mehr noch als der einfühlsame Gedenktext zog die Musik das Publikum
im Saal in den Bann der wechselvollen Geschichte eines
traditionsreichen Volks.
Klagelied und Hochzeitstanz, melancholische Weisen und fröhliche
Melodien erklangen in stetem Wechsel. Neben klassischer Klezmer-Musik
und Zigeunerweisen präsentierte „Saitensprung" auch ein breites
Repertoire an traditioneller Musik aus dem Balkanraum, ergänzt durch
freie Improvisationen.
Das siebenköpfige Ensemble startete mit dem berühmten
Hochzeitsstück „Mazl Tov", mitreißend und tanzbar, getragen vom
Geigenspiel der Brüder Jakobus und Andreas Bönisch. Walzerklänge
charakterisierten den Klezmer-Klassiker „Erster Tants", der
„Bulgar (Rundtanz) aus Odessa", „Karapyet", ein Paartanz aus
Russland oder „Sherele", eine Art jiddischer Squaredance, zeigten
die Bandbreite der Tanzweisen.
Eine Doina (Klagelied) bot Gelegenheit für ein virtuoses Solo von
Jakobus Bönisch auf der Fidl, dezent untermalt von Martin Schulte am
Akkordeon. Beim „Wedding Walz" und dem russischen Lied „Son"
glänzte Corinna Schenker mit beeindruckenden Klarinettensoli und
Martin Schulte verdiente sich Sonderapplaus mit einem rasanten
Trommelsolo beim „Brottanz" aus dem Donaudelta.
Während die meisten Stücke instrumental vorgetragen wurden,
bereicherte Neuzugang Ralf Merian das Saitensprung- Repertoire mit
Gesangsstücken. In „Die griene Kusine" besingt er auf jiddisch die
Erfahrungen russischer und polnischer Auswanderer in Amerika,
stürmischen Applaus erntete er für den als Filmmusik bekannt
gewordenen Song „Bubamara" in der Sprache der Sinti gesungen.
Mit „Tsen Brider" erinnerte er an das Elend der osteuropäischen
Juden, sein Gesang einfühlsam untermalt von Ute Krämer-Bönisch am
Kontrabass und ihrem Sohn Niko mit der Mandoline. Der 24jährige Niko
ist seit rund eineinhalb Jahren Mitglied des Ensembles, spielt neben
der Mandoline vor allem Gitarre, sorgt aber auch für Rhythmus mit
Perkussionsinstrumenten.
Zerrissen zwischen Ergriffenheit und Begeisterung folgte das Publikum
dem Programm und honorierte das Konzert mit nicht enden wollendem
Applaus. Das Ensemble bedankte sich mit dem Jazz-Klassiker „Bei mir
bistu scheen" als Zugabe bevor der Abend mit einer Hutsammlung endete.
- Renate Deitenbach
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.