Schulsozialarbeit in Eitorf
Neue Beratung nach Beschwerden

Eitorf - Erneut wird sich der Rat mit dem Thema "Fortführung und Finanzierung
der Schulsozialarbeit" beschäftigen müssen. In seiner letzten
Sitzung hatte der Rat mehrheitlich eine Kürzung der hierfür
finanzierten Wochenstunden an allen Schulen, von früher 173,5 auf
künftig 105 Stunden beschlossen (wir berichteten). Nicht nur
die Schulleiter verwahrten sich gegen den in der Sitzung entstandenen
Eindruck sie hätten dieser Kürzung zugestimmt, empört reagierten
auch Eltern und Schulpflegschaften.

Sowohl die SPD- Fraktion wie auch die Schulpflegschaften legten
Beschwerde bei der Kommunalaufsicht ein, die BFE-Fraktion beantragte
eine Aussprache zum ergangenen Ratsbeschluss in der nächsten Sitzung.
Dieser Antrag wird in der Ratssitzung am 5. November um 18 Uhr im
großen Sitzungssaal behandelt. Aus Gründen der Rechtssicherheit
schlägt die Verwaltung vor, den alten Beschluss aufzuheben, aber mit
gleichem Inhalt neu zu beschließen. Die Betroffenen hoffen hingegen
auf ein Umdenken der Entscheidungsträger und eine Beschlussfassung
nicht nach Kassenlage, sondern orientiert an den tatsächlichen
Bedarfen der Schulen und vor allem den Bildungschancen der Eitorfer
Kinder.

Grundlage der SPD-Beschwerde bei der Kommunalaufsicht ist ein dem
Bürgermeister unterstellter Verfahrensfehler im Zuge der ersten
Beschlussfassung, verknüpft mit dem Vorwurf, dem Rat seien
entscheidungserhebliche Fakten vorenthalten worden. Auch der
BFE-Antrag zur Aussprache über den strittigen Beschluss fußt auf
scheinbaren Widersprüchen zwischen Aussagen von Verwaltung und
Schulleitungen.

Kurz vor der Beschlussfassung hatte die als Besucherin im Sitzungssaal
anwesende Schulleiterin des Siegtal-Gymnasiums, Dagmar Philipps,
signalisiert, dass sie sich gerne selbst zum Standpunkt der Schulen
äußern möchte. Eine daraufhin von Andreas Hubert (SPD) beantragte
Sitzungsunterbrechung scheiterte daran, dass Bürgermeister Dr.
Rüdiger Storch (FDP) den Geschäftsordnungsantrag abwies (wir
berichteten
). Eine abschließende Stellungnahme der
Kommunalaufsicht liegt noch nicht vor, dem umfangreichen
Schriftverkehr ist jedoch zu entnehmen, dass der Antrag hätte
Berücksichtigung finden müssen, dieser Verstoß den gefassten
Beschluss jedoch nicht ungültig mache.

Ob der Antrag eine Mehrheit gefunden und eine Erklärung der
Schulleiterin Einfluss auf das Abstimmungsverhalten des Rates gehabt
hätte, bleibt ohnehin ungewiss. Inhaltlich lässt sich dem
Schriftverkehr entnehmen, dass nicht zuletzt unterschiedlich
interpretierte Begrifflichkeiten zu Missverständnissen geführt
hätten. So weist Storch darauf hin, dass bezüglich der
vorgeschlagenen Minimallösung, verwaltungsseitig der Begriff „mit
den Schulleitungen abgestimmt" benutzt worden sei und dies nicht mit
einer Zustimmung durch die Schulleitungen gleichgesetzt werden dürfe.

Vorangegangen seien Gespräche mit CDU- und FDP- Fraktion, die er
selbst geführt habe, mit dem Ziel, eine Kompromisslösung zu finden,
die es beiden Fraktionen ermögliche, für Erhalt und Fortführung der
Schulsozialarbeit zu stimmen. Dieser Kompromiss habe sich abgezeichnet
bei einer Finanzierung durch Anhebung der Grundsteuer um nur neun
statt wie zunächst geplant 15 Prozentpunkte und damit einem Budget
für etwa 105 Stunden. Der „mit den Beteiligten abgewägte
Mindestbedarf" beruht demnach nicht auf Bedarfsmeldungen der Schulen,
sondern auf den diesen unterbreiteten Verwaltungsvorgaben, wie ein
„Erhalt der Schulsozialarbeit unter diesen Bedingungen möglich
sei".

Diese Vorgaben habe man zur Kenntnis nehmen müssen, so die
Schulleiter unisono, aber dennoch immer wieder deutlich gemacht, dass
der Erhalt im bisherigen Umfang, besser noch eine Erhöhung  der
bisherigen Stundenzahl, wichtig wäre. Eine Zustimmung zur
Verwaltungsvorgabe habe es nicht gegeben, und genau diese Diskrepanz
hatte Philipps in der letzten Ratssitzung aufklären wollen.

Eine Stellungnahme bei der anstehenden Neuberatung soll jetzt jedoch
ermöglicht werden, ist sich Philipps sicher. Da aber gerade die
vermeintliche Zustimmung der Schulen zur abgespeckten Variante für
manches Ratsmitglied Grundlage der eigenen Zustimmung war, bleibt
abzuwarten, ob die Aufklärung zu einem geänderten
Abstimmungsverhalten führen wird.

Inzwischen haben sich auch die Eltern zu Wort gemeldet. Die
Schulpflegschaften aller Eitorfer Schulen haben sich
zusammengeschlossen und ihre Meinung in Briefen an alle Eltern, die
Eitorfer Politik, die Kommunalaufsicht und den Landrat deutlich
gemacht. Sie wollen die zu Lasten ihrer Kinder gehende Kürzung der
wertvollen Unterstützung durch die Schulsozialarbeiter nicht
hinnehmen. Der Bedarf sei bereits 2011 gesehen worden und seitdem
nicht geringer geworden, so Andreas Reisinger,
Pflegschaftsvorsitzender der Sekundarschule und Sprecher der
vereinigten Pflegschaften. Inklusion, Flüchtlingsproblematik,
zunehmende Kinderarmut, Kinder mit besonderem Förderbedarf,
bildungsferne Elternhäuser, Analphabetismus, psychisch kranke
Elternteile oder außerhäusliche Unterbringung führt Reisinger an,
die der Schulsozialarbeit immer größere Bedeutung verleihen.

Die Wiederanhebung der Wochenstunden auf die ursprünglichen 173,5
Stunden sehen die Pflegschaftsvertreter nur als ersten Schritt. In
einer anschließenden Bedarfsanalyse sollte danach der tatsächliche
Bedarf ermittelt und entsprechend umgesetzt werden, fordern die
Elternvertreter ebenso wie die Entfristung der Verträge der
Schulsozialarbeiter. Mit nachhaltig gesicherter Schulsozialarbeit
steigen nicht nur die Bildungschancen der direkt betroffenen Kinder,
ist sich Reisinger sicher, auch die Lernatmosphäre für alle Kinder
profitiere vom Einsatz der Fachkräfte.

Gedanken machen sich die Eltern aber auch um die Gründe, die zur
geplanten Kürzung geführt haben. Zum Kostenargument rechnet ein
Vater vor, dass die Gemeinde durch die Stundenreduzierung zwar knapp
40.000 Euro spart, sie damit aber gleichzeitig knapp 60.000 Euro
Landesmittel zurückweist, die in die Zukunft Eitorfer Kinder
investiert werden könnten und unbedingt müssten. Auch das Argument,
bei Finanzierung des Eigenanteils der Gemeinde über Erhöhung der
Grundsteuer würden junge Familien über Gebühr belastet, ist für
viele Betroffene nicht nachvollziehbar. Denn gerade die jungen
Familien profitierten ja von der Schulsozialarbeit.

Denn mit jährlich rund sechs Euro eingesparter Grundsteuer für einen
durchschnittlichen Haushalt, könne keine Familie die wegfallende
Unterstützung für ein, geschweige denn mehrere Kinder einkaufen,
zweifelt eine Mutter an Wirtschaftskompetenz und Realitätsbezug der
Gemeindevertreter.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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