Der Wald in Engelskirchen
Mit der Försterin unterwegs auf dem Rommersberg
Engelskirchen war eines der waldreichsten Gebiete in ganz NRW. Wie haben der Borkenkäfer, die Pandemie und der Klimawandel den Wald verändert? Um dieser Frage nachzugehen, habe ich mich an einem Nachmittag im Oktober zu einem Waldspaziergang verabredet. Frau Rösch, die Forstbetriebsleiterin des Forstbezirks Engelskirchen, begleitete mich. Gemeinsam spazierten wir durch das Waldgebiet, das sowohl vom Rommersberg als auch von der Blumenau, Bickenbach und Remshagen eingegrenzt wird und sich im Westen über den Stürzenberg bis nach Burg und Eichholz erstreckt.
Jeder kann sehen, dass sich der Wald verändert hat. Einwohner, die von sich behaupten würden, dass sie den Wald von Kindesbeinen an wie ihre Westentasche kennen, verlaufen sich plötzlich beim Spazierengehen. Baumfällungen und Sturmschäden haben sein Aussehen stark beeinflusst.
Dass es dem Wald jetzt offensichtlich so schlecht geht, liegt an der Häufung der Ereignisse. Schon immer hat der Wald stressige Phasen erlebt und sich wieder erholt. Im Januar 2018, als der Sturm Friederike in Teilen von NRW mit bis zu 140 km/h wütete, schlug der Wind große Schneisen in die Wälder. Der warme, trockene Sommer und der anschließende milde Winter schufen ideale Bedingungen für den Borkenkäfer. Das Weibchen legt seine Eier unter die Rinde der Fichte ab. Durch die Dürre und den dadurch entstehenden Wassermangel gerät der Baum in zusätzlichen Stress und ist nicht mehr in der Lage, Harz zu produzieren. Der Baum hat dem Schädling nichts mehr entgegen zu setzen. Die logische Folge wäre jetzt, keine Fichte also auch kein Borkenkäfer. Aber das kleine Tier ist flexibel und hat seinen Speiseplan umgestellt auf andere Nadelbaumarten wie Kiefer und Lärche. Glücklicher Weise gelingt es diesen Arten bisher dem Käfer einigen Widerstand zu leisten. Weitere negative Ereignisse wie Hitze und Dürre lassen den Baumbestand ebenfalls zurück gehen. Wenn solche schädlichen Einflüsse von außen großflächige Waldbereiche zerstören, dann spricht der Experte von Kalamitätsflächen.
Gesunde Wälder sind Erholungsgebiete für Menschen und Tiere, sie bieten Schatten, kühlen die Landschaft und fungieren als Wind – und Lärmschutzwall, außerdem bieten sie Schutz vor Erosionen und Lawinen. Die Fähigkeit des Waldbodens Wasser wie ein Schwamm aufzusaugen, schützt vor Überschwemmungen und sichert zugleich unser Trinkwasser. Nicht zuletzt reduziert ein Baum den CO2 Gehalt in der Luft, auch totes Holz kann das noch leisten, ein Haus oder ein Möbelstück aus Holz dient weiterhin als CO2 Speicher. Kohlendioxid wird erst wieder während des Zersetzungsprozesses abgegeben, oder in dem Moment wo der Mensch seine Feuerschale oder seinem Kamin anheizt.
Das alles sind gute Gründe, den Wald zu schützen und zu pflegen.
Die gute Nachricht dabei ist, dass der Wald ein großes Potential hat, sich selbst zu regenerieren. Seine vielen Bewohner, zum Beispiel das Eichhörnchen und der Eichelhäher, sind ihm dabei behilflich, so kann auch auf den Kalamitäten wieder neues Wachstum entstehen. Nicht alles ist jedoch erwünscht. Das Springkraut zum Beispiel, das im Sommer sicherlich manches Auge mit seinen lila Blüten erfreut hat, zählt zu den invasiven Arten, die den Wald und seinen Baumbestand verdrängen. Das Reitgras, das man in unterschiedlichen Arten in unserem Wald findet, birgt ebenfalls Probleme. Mäuse leben gerne in seinem Schutz und sind so für Raubvögel und andere Fressfeine nur schwer zu finden. So können auch sie sich stark vermehren und weitere Schäden an Wurzelwerk und Rinde der Bäume anrichten.
Der Bockkäfer, befällt in erster Linie Totholz, ist aber dennoch ein Schädling, den man im Blick behalten muss. Er bohrt seine Löcher bis tief in das Holz hinein, so dass es nur noch als Brennholz verkäuflich ist. Der wirtschaftliche Schaden für die Waldbesitzer ist enorm. Allein der Preis pro Festmeter Fichtenholz unterlag in den letzten 4 Jahren Schwankungen zwischen 5€ und 95€.
Um den Bedarf an Holz zu decken, müssen neue Kulturen angepflanzt werden. Auf dem Rommersberg ist dies bereits im Jahre 2020 geschehen, als alleine im Frühjahr mehr als 40.000 neue Jungpflanzen gesetzt wurden. Doch auch von diesen Neuanpflanzungen sind viele Setzlinge durch Hitze und Dürre verendet. Im Jahr 2020, der als der 3. Dürresommer in Folge gilt, haben Untersuchungen des Waldbodens gezeigt, dass bis zu einer Tiefe von 1,80 m kein verfügbares Wasser zu finden war. Auch das Hochwasser, von dem Engelskirchen im Jahr 2021 betroffen war, hat an diesem Zustand nichts geändert. Hitze setzt dem Ökosystem Wald ebenfalls massiv zu. Auf dem Waldboden beheimatete Kleinstlebewesen leiden stark unter dem Klima. Im Hochsommer 2022 wurden Messungen durchgeführt, um die Temperatur des Waldbodens auf den Kahlflächen zu ermitteln. Dabei wurden Werte von über 50 °C erreicht, die für die Kleinsten seiner Bewohner tödlich sind.
Wie man den Wald bestmöglich bei seiner Regeneration unterstützen kann, sollen Versuche und Tests den Forstwirten zeigen. Eine Möglichkeit dazu bieten Weisergatter. Die Holzgatter, die man an unterschiedlichen Stellen im Wald finden kann, zersetzten sich im Laufe der Zeit selbst. In geschützten Bereichen wachsen Testkulturen, daneben entstehen Vergleichsflächen. So lassen sich Erkenntnisse gewinnen, wie sich der Wildbestand auf das Wachstum der Jungpflanzen auswirkt.
Feststellen lässt sich schon jetzt, dass der Wald in Engelskirchen in Zukunft eher ein Mischwald wird. Robinie, Kiefer und Douglasie werden die Fichte zum Teil ersetzen. Tiefwurzler werden sich durchsetzen, weil sie eine höhere Standfestigkeit besitzen und auch tiefliegende Nährstoffe erreichen können. Der Erhalt der Artenvielfalt in unseren Wäldern bildet die Grundlage für ein ausgewogenes Ökosystem zwischen allen Lebewesen, in das auch der Mensch gehört.
Viele Menschen haben die Wälder durch die Pandemie wieder für sich entdeckt. Wanderer, Sportler und Spaziergänger, sie alle tummeln sich dort. Mountainbiker, die abseits der regulären Wege unterwegs sind, werden nicht gerne gesehen, aber im Regelfall werden sie toleriert. Wild Camping im Wald ist in Deutschland verboten, Müll abzuladen aus gutem Grund ebenfalls. Die Reinigung der Wälder und die Müllentsorgung geht zu finanziellen Lasten der Allgemeinheit. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass Unbekannte regelrechte Müllhalden anlegen, die die Umwelt massiv schädigen und für die Waldbewohner ein großes Verletzungsrisiko darstellen. Im Juli beispielsweise musste am Hohenstein in Ründeroth ein Höhenretter eingesetzt werden, um Dutzende benutzte Erwachsenenwindeln aus dem Wald zu entfernen.
Obwohl weite Flächen des Waldes in Engelskirchen durch Windwurf, Schädlinge und Dürre rund 45% des Baumbestandes (so die Schätzung der Försterin) verloren haben, zählt Engelskirchen immer noch zu den Gebieten mit der größten zusammenhängenden Waldfläche in ganz NRW. Denn Wald wird nicht nach seinem Baumbestand berechnet, sondern nach seiner Bodenfläche und die ist unverändert groß.
Abschließend lässt sich sagen, dass das milde Klima dieser Tage uns zwar in der Energiekrise entgegen-kommt, für den Wald, insbesondere für die Buche, bahnt sich jedoch schon die nächste Katastrophe an.
LeserReporter/in:Klaudia Poggemann aus Engelskirchen |
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