Betroffener berichtet
Andreas Haepp: „Der Menschheit nicht mehr zugetraut!“

Andreas Haepp zieht zurück in sein altes, neues Zuhause, das vor einem Jahr nach der Flut von Schlamm und Zerstörung ­gezeichnet war. | Foto: Düster
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  • Andreas Haepp zieht zurück in sein altes, neues Zuhause, das vor einem Jahr nach der Flut von Schlamm und Zerstörung ­gezeichnet war.
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„Ich hätte es nicht gebraucht“, lächelt Andreas Haepp etwas bitter, „aber nach einem Jahr steht die Erkenntnis: Es geht doch irgendwie immer weiter!“ Sein Blick hellt sich auf und er fügt hinzu: „Ohne diese phänomenale Hilfe, wäre das aber unmöglich gewesen!“

Die Hochwasser-Katastrophe traf viele Menschen entlang der Erft schwer - auch die Anwohner der Frankenstraße in Erftstadt-Bliesheim. Das Haus von Andreas Haepp ist keine 50 Meter vom Fluss entfernt und stand mehr als einen Meter hoch unter Wasser. Heute, knapp ein Jahr später, zieht er zurück in sein Zuhause – was der 53-Jährige zunächst nicht für möglich gehalten hätte.

Rückblick zum 14. Juli 2021

Doch der Reihe nach: Es ist der 14. Juli 2021, es hat geschüttet, seit Stunden. Die Erft ist zwar noch in ihrem Bett, aber die Wiesen drum herum sind bereits voller Wasser. Andreas Haepps Grundstück liegt ein wenig höher als die der Nachbarn, „ich war dann wie auf einer Insel. Von den Seiten kam das Wasser, blieb aber Mittwochabend rund fünf Zentimeter unter der Haus- und der Gartentüre stehen.“ Es folgte eine unruhige Nacht voller Hoffen und Bangen. Um 5 Uhr bin ich aufgestanden, das Wasser war weder gestiegen, noch gefallen. Aber es regnete nicht mehr. Da habe ich gedacht: Glück gehabt - wenn die Erft nicht über die Ufer geht.“ Und so fuhr Andreas Haepp mit dem Rad runter zum Fluss: „Da war die Straße noch trocken, doch als ich an der Erft ankam, sah ich, die ist mittlerweile randvoll, es sieht nicht gut aus. Ein Goldfisch schwamm an mir vorbei und auf dem Weg habe ich noch einen Igel aufgelesen.“

"Ganz naiv" - mit Handtüchern und Silikon

Zuhause angekommen schaffte er die wichtigsten Dokumente und den Rechner zu seinem Schwager, der nebenan wohnt. „Das Auto habe ich zuerst an die Frankenstraße gebracht. Da sagte mein Schwager aber, das wird nicht reichen, park es höher.“ Mit seinem Sohn Marco versuchte er dann zunächst noch, dem ersten eindringenden Wasser Herr zu werden: „Wir haben ganz naiv mit Handtüchern Wasser aufgewischt und mit Silikon versucht, die Türen abzudichten. Wir konnten wie im Aquarium zusehen, wie die Erft an der Gartentür stieg und es war schnell klar, wir haben keine Chance. Wir haben uns dann noch ein paar Klamotten in die Hände genommen und sind raus. Zu guter Letzt haben wir noch mein Motorrad aus der Garage aus dem Wasser retten können. Da hatte ich schon nicht mehr dran geglaubt, dass das noch funktionieren würde.“

"Dann wurde es still!"

Am späten Vormittag stand dann rund eineinhalb Meter hoch das Schlammwasser in seinem Zuhause. Eingebrannt in sein Gedächtnis haben sich zudem besondere Rufe: „Auf der anderen Seite der Erft waren verschiedene Tiere auf einer Weide, die immer weiter gerufen haben. Aber dann wurde es nach und nach still.“

Und so kehrte Andreas Haepp am späten Mittag völlig konsterniert seinem Zuhause erst einmal den Rücken. „Ich habe dann bei einem Kumpel gesessen und echt geheult. Der einzige Weg raus aus Bliesheim, war zum Glück der zu meiner Mutter nach Stadtkyll. Da stand zwar auch Wasser, aber sie war nicht abgesoffen.“ Seinem Kumpel sagte er, „meld Dich, wenn das Wasser wieder sinkt.“

Am Freitagmorgen dann die erste große Überraschung: „Er rief mich an und sagte, Du kannst kommen, das Wasser ist weg. Wir können anfangen, aufzuräumen. Das konnte ich gar nicht glauben, wo sollte das ganze Wasser so schnell hin sein?“ Wieder zurück, zeigte sich das ganze schreckliche Ausmaß der Flut.

"Hätte ich nicht für möglich gehalten!"

„Man hat ja eine gewisse Lebenserfahrung, und als ich am Freitagmorgen ins Haus kam, war ich fassungslos angesichts der Zerstörung. Wo sollte ich anfangen? Wie sollte ich das schaffen? Was dann in den nächsten Stunden und Tagen geschah, hätte ich wirklich nicht für möglich gehalten!“ Denn neben Bekannten und Freunden strömten unzählige Freiwillige herbei, die tatkräftig mit anpackten: „Glücklicherweise kam das Wochenende. Samstags packten hier zig Leute mit an, von denen ich viele gar nicht kannte - auch eine Gruppe 20-Jähriger. Die haben keine Selfies gemacht, sondern verdreckte, kaputte Möbel geschleppt. Die hab ich dann gefragt, wer sie eigentlich sind und woher sie kommen: Einer kam aus Köln, der andere aus Wuppertal und ein Mädel sogar aus Portugal. Die war hier eigentlich in Urlaub. Da hatte ich wirklich die Tränen in den Augen. Die sind angereist und haben einfach in der Not geholfen – und das waren so viele, unvorstellbar. Das hätte ich der Menschheit ehrlich nicht mehr zugetraut“, erklärt er, in Gedanken zurück in dieser Zeit, seine Augen leicht feucht: „Das hat mir wirklich Mut gegeben.“ Zudem konnte er gerade noch ein wichtiges Andenken retten:

Papas Schaukelpferd gerade noch gerettet

„Ein Schaukelpferd, das mein 2019 verstorbener Vater vor 20 Jahren aus Massivholz für meine Tochter und meinen Sohn gebaut hat. Ich habe auf dem Hof gerade noch gesehen, wie das mit all dem zerstörten Inventar zur Straße zum Müll getragen wurde. Da bin ich dem Helfer hinterhergelaufen, und habe gesagt, das darf nicht weg. Jetzt habe ich vielleicht die Möglichkeit, es eines Tages auch an meine Enkeln weiterzugeben.“

Auf das große Ausräumen – Mobiliar, Treibgut und Schlamm - folgte dann direkt der Teilabriss: „Der Esstrich musste komplett raus und rund eineinhalb Meter der Wandverkleidung, um alles wieder trocken zu bekommen. Mehrere Container voller Schutt – und eine Menge meiner Existenz“, blickt Andreas Haepp zurück. „Da habe ich gedacht: Was alles im Wasser versunken und im Haus zerstört worden ist, das geht schnell über die 200.000 Euro. Ich hatte da noch keine Elementarversicherung und daher auch keine Idee, wo ich das hernehmen soll, um alles wieder aufzubauen? Da hatte ich für mich mit dem Thema abgeschlossen.“

"Spendengelder kamen schnell bei mir an!"

Doch es kam anders, denn: „Schnell wurde ja Hilfe versprochen, und die ist bei mir auch angekommen. Zuerst haben mich Freunde unterstützt, dann Spendengelder der Dorfgemeinschaft Bliesheim und der Kirchengemeinde, der Caritas und der Stadt Erftstadt sowie Hilfsaktionen der IG Metall und des Unternehmens, für das ich arbeite. Das hat gerade zu Beginn sehr geholfen, und ich habe gedacht: Vielleicht geht es ja doch.“ Zumal: „Ich habe nur ein paar hundert Meter von meinem Zuhause eine Wohnung gefunden. So war ich immer vor Ort. Und Organisation und Planung gehören sowieso zu meinem Job!“

Darüber hinaus kann Andreas Haepp die heftige Kritik an der Landesförderung nicht verstehen, denn: „Auch diese Fördergelder sind bei mir relativ schnell geflossen. Klar, das war viel Lauferei und die Anträge mussten digital gestellt und Gutachten eingereicht werden, aber das alles war auch für einen wenig Computer-affinen wie mich machbar.“

Zudem kam die Auszahlung einer Lebensversicherung gerade recht: „Die war zwar eigentlich für etwas anderes gedacht“, lacht Andreas Haepp, „aber das Geld konnte ich natürlich sehr gut gebrauchen!“ Ein weiteres Glück im Unglück: „Ich habe schnell verlässliche Handwerker für die wichtigsten Arbeiten bekommen: Heizung, Esstrich und Trockenbau. Das hat alles super gepasst. Im Februar war der Boden drin, die Wände waren zu und die Heizung lief.“ Nur „sein“ Sanitär-Unternehmen ließ ihn hängen, sodass ihm weiterhin ein Badezimmer fehlt. Aber: „Ich habe mir notdürftig ein WC und eine Dusche eingebaut, das geht für den Anfang.“ Und da an diesem Tag seine neue Küche eingebaut wurde, ist Andreas Haepp knapp ein Jahr nach der Flutkatastrophe wieder in seinem Zuhause.

"Heute überwiegt die Hoffnung!"

Und in der Nachbarschaft geht es auch voran: „Am Anfang hatte ich die Befürchtung, dass die Frankenstraße zu einer Geisterstraße wird, gerade da, wo Ältere wohnen. Heute überwiegt die Hoffnung, dass alle es schaffen – auch wenn es bei einigen noch etwas dauert.“ Der Stand des Wiederaufbaus ist noch sehr unterschiedlich. Andreas Haepp zollt gerade den Senioren Respekt: „Also wenn das noch einmal passiert, wenn ich 70 bin, dann mache ich das nicht mehr“, stellt er klar. Doch jetzt hat er sein großes Ziel erst einmal erreicht: „Zum Jahrestag wollte ich wieder hier sein“, erklärt er, grinst und geht gut gelaunt in sein altes, neues Zuhause.

Redakteur/in:

Düster Volker aus Erftstadt

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