"Endspurt" für die Unwetter-Hilfe-Erftstadt
Bis zum 30. Oktober läuft der "Ausverkauf"
Erftstadt - Sie waren für viele Betroffene nach der Katastrophe ein echter
Segen: Stefanie Schwarz und ihre zahlreichen Mitstreiterinnen und
Mitstreiter der Unwetter-Hilfe-Erftstadt. Genau drei Monate nach
dem verheerenden Hochwasser geht das Team jetzt quasi in den Endspurt:
„Zum 30. Oktober wird unser Standort in seiner jetzigen Form in den
RKG-Räumlichkeiten geschlossen“, erklärt Stefanie Schwarz. Bis
dahin können bescheinigt Betroffene, nicht nur aus Erftstadt,
weiterhin kostenfrei Waren mitnehmen. „Aber jetzt sind auch alle
anderen eingeladen, in unserem `Sortiment` zu stöbern und gegen
Spenden Waren mitzunehmen!“
Der Gebäudekomplex des ehemaligen Autohauses am Bonner Ring 57 in
Erftstadt-Lechenich stand im Grunde immer „unter einem guten
Stern“. Nach der Katastrophe durfte die Unwetter-Hilfe-Erftstadt die
ehemalige Werkstatt, das Lager und die Verkaufsräume relativ schnell
und unbürokratisch in eine zentrale Anlaufstelle für Bedürftige
verwandeln. „Dafür möchte ich mich noch einmal ganz herzlich beim
RKG-Management bedanken. Das war eine sehr vertrauensvolle
Zusammenarbeit, denn hier befindet sich ja auch noch vieles aus dem
RKG-Inventar, von Autoreifen bis hin zu Hebebühnen“, betont
Stefanie Schwarz. Doch jetzt ist es Zeit, diese Zentrale, in der
Bedürftige - nicht nur aus Erftstadt - Lebensmittel, Hygieneartikel,
Dinge für den täglichen Bedarf, Kleidung, Haushaltsgeräte und
vieles mehr erhielten, zu räumen: „Es ist relativ einfach: Im
gesamten Gebäudekomplex ist die Heizungsanlage defekt. Es wird also
überall sehr kalt und feucht. Das ist für viele unserer Waren gar
nicht gut. Deshalb haben wir den großen Spenden-Verkauf gestartet!“
4.000 Euro können bereits „weitergespendet“ werden
An klassischen Wühltischen kann seit wenigen Tagen jeder nach etwas
Passendem suchen und gegen eine Spende mitnehmen - bis auf einige
Waren, die Geschädigten vorbehalten sind, beispielsweise Matratzen
oder Konvektoren. „Das läuft jetzt schon seit knapp einer Woche -
mit großem Erfolg. Wir konnten so bereits 4.000 Euro einnehmen, die
wir gleich weitergeben: Jeweils 1.000 Euro gehen an den betroffenen
Kindergarten Kükennest in Bliesheim, die betroffenen
Flüchtlingsunterkünfte an der Radmacherstraße in Blessem, die uns
ähnliche Organisation ‚Eifel für Eifel‘ und nach Ahrweiler an
einen der wenigen noch offenen Kindergärten in der Region, der
unzählige Kinder aus dem Ahrtal aufgenommen hat“, fasst Stefanie
Schwarz zusammen. Angesichts des bisherigen Erfolgs und der
vielfältigen Vernetzung der Unwetter-Hilfe-Erftstadt ist sich die
Initiatorin sicher: „Hier wird nicht viel übrig bleiben!“ Ware,
die anderswo dringender benötigt wurde, hat man bereits anderen
gemeinnützigen Organisationen übergeben: Schlafsäcke an die
Straßenwächter Köln, Tiernahrung an das Futtertaxi, Kleidung und
mehr an den Verein für Tschernobyl-geschädigte Kinder „und ganz
viele Sachen haben wir auch schon in die Eifel und an die Ahr
weitergegeben, weil die Sachen dort dringend benötigt wurden. An
dieser Stelle gilt unser Dank auch der dpd, die uns immer zwei Fahrer
samt Sprintern bereitgestellt haben, und dem Unternehmen Adloq, das
uns Lagerraum, Umzugskisten und alles für den Transport
bereitgestellt hat. Zudem sind sie mit uns in ihrem 7,5-Tonner an die
Ahr gefahren.“
Wird der Standort zum Baustofflager für Betroffene?
In Erftstadt selbst gibt es weiterhin vor allem an Baumaterialien
Bedarf: „Tapeten, Estriche, Wandfarben, da würden wir uns sogar
noch über LKW-Ladungen freuen“, sagt Stefanie Schwarz. Denn selbst,
wenn diese nicht wieder bis zum 30. Oktober zu verteilen sind, wäre
das vielleicht nicht so schlimm: „Wir hoffen, dass hier noch eine
Art Baustofflager für die Betroffenen erhalten bleiben kann. Es
laufen Gespräche mit der RKG, der Stadt und den Johannitern, die das
Lager dann verwalten würden“, wirft der Kopf der Unwetter-Hilfe
einen Blick in die Zukunft. Apropos Zukunft: Was wird ab dem 30.
Oktober denn aus der Unwetter-Hilfe-Erftstadt? „Die Facebook-Gruppe
wird bleiben – für aktuelle Fragen und einen generellen Austausch.
Ansonsten hoffe ich, dass wir unser Potenzial in ein generelles,
soziales Helfer-Netzwerk umwandeln können. Erftstadt braucht ein
soziales Zentrum, das weiß auch die Stadt. Die Tafel, die
Kleiderkammer und die weiteren Organisationen sollten an einem Ort
gebündelt werden. Da wären dann sehr viele von uns gerne bereit,
sich weiterhin ehrenamtlich zu engagieren. Da ist jetzt die Stadt
Erftstadt gefordert, möglichst schnell eine Lösung zu finden, denn
noch stehen viele Helferinnen und Helfer Gewehr bei Fuß“, erklärt
Stefanie Schwarz.
„Das alles war die ganze Arbeit wert!“
Den Blick zurück werfen, auf das Erreichte, können Stefanie Schwarz
sowie ihre Helferinnen und Helfer mit einer gehörigen Portion Stolz.
Vieles wird in Erinnerung bleiben, Gutes und Schlechtes: „Wir haben
uns schon auch oft gefragt, was sind das für Menschen, die uns
kaputte Kaffeemaschinen, Trockner und mehr hier hin bringen? Wer hat
uns versiffte Kühlschränke gebracht, in denen zum Teil noch
Essensreste vor sich hin gammelten? Von manchen Kleidungsstücken will
ich erst gar nicht reden“, schaudert es Stefanie Schwarz nur bei den
Gedanken daran. Doch das Gute überwiegt: „Ich bin unglaublich
dankbar für alle, die ich kennen lernen durfte, egal, ob
‚Kundschaft‘ oder Helfer. Da war zum Beispiel Hermann aus
Ingolstadt, der bei ebay Waschmaschinen und Trockner gekauft,
repariert und geprüft hat, bevor er sie nach Erftstadt
transportierte. Oder die Seniorin, die all ihre Trachtenjacken in der
Flut verloren hatte und bei uns tatsächlich eine passende neue
gefunden hat. Die Freude, als sie sich darin dann ihrem Mann zeigte,
das alles war die ganze Arbeit absolut wert. Und dann war da ja immer
dieser große Zusammenhalt in unserem Team, auch wenn es mal
Unstimmigkeiten gab. Hier sind in dieser Zeit zum Teil echte
Freundschaften entstanden.“
Bis 30. Oktober vorbeischauen – und eine Bitte an alle
Nachbarn
Mit Blick auf den Endspurt hofft Stefanie Schwarz nun noch auf viele
„Kunden“: „Einige Betroffene haben auch erst jetzt von uns und
unserem kostenfreien Angebot erfahren. Denen möchte ich sagen: Kommen
Sie unbedingt bis zum 30. Oktober vorbei. Aber auch alle anderen sind
eingeladen, bei uns für einen guten Zweck noch nach Schnäppchen zu
stöbern.“
Die letzte Bitte von Stefanie Schwarz richtet sich an alle Menschen in
den von der Flut betroffenen Gebieten: „Schauen Sie noch mal bei
Ihren Nachbarn vorbei, gerade bei den älteren. Mancher hat versucht,
alleine Herr der Lage zu werden - und ist gescheitert. Manch einer war
zu stolz. Noch können wir helfen – auch Anträge für finanzielle
Hilfen liegen bei uns. Wir können an den ASB, die Stadt und andere
Stellen vermitteln.“
Und so bleibt das Fazit: Das Engagement der Ehrenamtler und der
Endspurt der Unwetter-Hilfe-Erftstadt haben jede Hilfe verdient.
Die Unwetter-Hilfe-Erftstadt (Bonner Ring 57) ist unter Telefon 02235/
7946857 sowie per Mail an
info@unwetter-hilfe-erftstadt.de
zu erreichen und für Betroffene wie „Kundinnen“ und „Kunden“
täglich von 12 bis 19 Uhr geöffnet.
Redakteur/in:Düster Volker aus Erftstadt |
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