Premiere bei Szene 93
Die Fragilität der Vernunft
Erftstadt-Liblar - (cs) Das 1953 uraufgeführte Drama „Hexenjagd“ basiert auf
historischen Ereignissen aus der frühen amerikanischen Geschichte:
Die neuenglische Kleinstadt Salem wurde Ende des 17. Jahrhunderts
Schauplatz einer Jagd auf vermeintliche Hexen. Mit Arthur Millers
zeitlosem Lehrstück über die Aushebelung demokratischer Grundsätze
durch Intoleranz, Ignoranz und Fanatismus feierte Szene 93 die letzte
Premiere im Jubiläumsjahr. Unter der Regie von Simon Hellmich und
Daniel Forschbach lief das 14-köpfige Ensemble zu Höchstleistungen
auf.
Was kann es bedeuten, wenn junge Mädchen heimlich im nächtlichen
Wald ekstatische Tänze vollführen? Und was, wenn sie – vom
Gemeindepastor ertappt – in rätselhafte Zustände verfallen? Im
puritanisch-sittenstrengen Salem gibt es dafür nur eine Erklärung:
Der Teufel hat seine Hand im Spiel. So ruft man den bekannten
Exorzisten Pastor Hale zu Hilfe. Teils aus Angst vor Bestrafung, teils
berauscht von der neu erlangten Macht geben die Mädchen um
Wortführerin Abigail in Hales Verhören zu, verführt und verhext
worden zu sein. So werden aus den Beschuldigten schnell
Anklägerinnen, die, um sich selbst zu retten, immer mehr Salemer
Bewohner der Teufelsbuhlerei bezichtigen. Eine fatale Hexenjagd setzt
ein, an der sich so mancher, der eine unliebsame Person aus dem Weg
räumen will, bereitwillig beteiligt. Bald stellt sich die bange
Frage: Ist die tödliche Spirale aus Paranoia, Lügen und Verfolgung
überhaupt noch aufzuhalten?
Mit der Inszenierung von „Hexenjagd“ haben die Regisseure Simon
Hellmich und Daniel Forschbach ein Stück auf die Bühne gebracht, das
zu Recht zu den erfolgreichsten und meist aufgeführten Dramen Arthur
Millers gehört. Angesichts der Kommunistenjagd der McCarthy-Ära im
Amerika der frühen 1950er Jahre entstanden, ist das Drama aktuell wie
nie zuvor – zeigt es doch auf meisterhafte Weise, wie Angst und
Druck Lügen provozieren, die, zwar bar jeder Grundlage, durch
eigennützige Manipulation zu einer gefährlichen Massenhysterie
anwachsen können. Die Aktualität des Sujets war es auch, die die
Regisseure an dem Schauspiel faszinierte: „Das Stück ist zeitlos,
seine Themen sagen viel über heute aus. Für mich, der sich intensiv
mit Fragen von Rassismus und Toleranz beschäftigt, ist das
augenscheinlich gewesen“, betonte Simon Hellmich.
Um der Inszenierung des modernen Klassikers eine eigene, zeitgemäße
Handschrift zu verleihen, griffen Hellmich und Forschbach zu
raffinierten inszenatorischen Kniffen: So wurde die Vorgeschichte, der
rituelle Tanz, im Wald aufgenommen und als Video zu Beginn des
Stückes eingespielt. Die Figur der Tituba, bei Miller eine Sklavin
aus Barbados und unter den ersten Opfern der Hexenjagd, wich dem
Charakter des Mustafa. Der Zeitbezug spiegelte sich nicht zuletzt in
den Kostümen: Die strikte Einteilung der Charaktere in zwei Gruppen
– in Weiß- und Schwarzgekleidete – spielt unverkennbar auf
rechtspopulistische Vorgehensweisen an. Dass aber das Kleid auch die
Farbe ändern kann, zeige, erläuterte Daniel Forschbach, den Druck,
unter dem die Protagonisten stünden: „Sie entscheiden sich nicht
freiwillig für den ‚falschen‘ Weg. Auch da sollte man nicht
vorschnell urteilen.“
Die Aufführungen des sehenswerten Dramas „Hexenjagd“ sind in
diesem Jahr (24. und 25. November sowie 1. und 2. Dezember) bereits
ausverkauft. Eventuell sind Restkarten an der Abendkasse erhältlich.
Weitere Vorstellungen finden am Samstag, 12. und 19. Januar, 20 Uhr,
sowie am Sonntag, 13. und 20. Januar, 18 Uhr, in der Kleinen Bühne,
Poststraße 4 statt. Kartenreservierung und Informationen unter
www.szene93.de und ( (0 22 35) 92 28 34.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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