„Schon wieder Gänsehaut“
Feuerwehr Bliesheim lädt besondere Fluthelfer ein

Zusammengehalten nach der Flut: Die Feuerwehr Bliesheim um Löschgruppenführer Winfried Corall (3.v.l.) hatte außergewöhnliche Helfer, die sich nach der Hochwasser-Katastrophe für den Ort engagierten, als Dankeschön zu einem gemütlichen Abend eingeladen. | Foto: Düster
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  • Zusammengehalten nach der Flut: Die Feuerwehr Bliesheim um Löschgruppenführer Winfried Corall (3.v.l.) hatte außergewöhnliche Helfer, die sich nach der Hochwasser-Katastrophe für den Ort engagierten, als Dankeschön zu einem gemütlichen Abend eingeladen.
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Erftstadt-Bliesheim - Die Bliesheimer Feuerwehr blickt auf ein außergewöhnliches Jahr
zurück. Das spiegelte sich auch beim Jahresausklang wider. Die
Löschgruppe hatte besondere Helfer eingeladen, die Bliesheim in der
Flutkatastrophe zur Seite standen – Gänsehaut garantiert.

Die Feuerwehreinheit in Bliesheim zählt 50 Feuerwehrmänner und
-frauen, Jugendliche und Kinder. Löschgruppenführer ist Winfried
Corall. Wenn sich die Löschgruppe zum gemütlichen Abend am
Jahresende versammelt, werden in der Regel als Höhepunkt die Jubilare
geehrt. In diesem Jahr war und ist aber immer noch vieles anders –
gerade bei der Feuerwehr in Bliesheim. Die Flutkatastrophe hat Spuren
hinterlassen, im Dorf ebenso wie bei den Menschen - schmerzliche, aber
auch welche, die Mut machen: „Nach dem Hochwasser herrschte eine
unbeschreibliche Hilfsbereitschaft. Uns war es als Feuerwehr Bliesheim
eine Herzensangelegenheit, stellvertretend für das gesamte Dorf
einigen besonderen Helfern noch einmal besonders ‚Danke‘ zu
sagen“, erläutert Winfried Corall.

"Herzensangelegenheit, noch einmal danke zu sagen!"

Und so hatte die Löschgruppe einige Ehrengäste eingeladen, die
allesamt für die Betroffenen der Flutkatastrophe und deren Helfer
gekocht, Getränke und vieles mehr organisiert hatten: syrische
Familien aus Erftstadt, Sascha Eich aus Frechen, Thomas Hembsch von
Fisch Feinkost Hembsch in der Kölner Südstadt, die Good Food Pirates
Eva & Mica Gerharz-Gonzalez aus Frechen sowie Familie Kuck vom
gleichnamigen Reibekuchen-Imbiss aus Weilerswist. „Alle waren
überrascht, wieder von uns zu hören. Sie haben sich riesig über die
Einladung gefreut. Alle haben direkt zugesagt“, so die Organisatoren
des gemütlichen Abends.

Syrische Freunde: "Ihr habt uns in der Not geholfen, jetzt helfen wir Euch!"

Zu den Ehrengästen gehörte auch eine Schar an Familie und Freunden
von Ali Al-Rubaiawi. Der Syrer kam als Flüchtling nach Erftstadt und
schloss sich der Bliesheimer Feuerwehr an. Nach dem Hochwasser stand
für seine Familie und deren Freunde fest: „Ihr habt uns damals in
der Not geholfen, jetzt helfen wir Euch. So können wir etwas
zurückgeben.“ Die syrischen Helfer übernahmen kurzerhand fünf
Tage lang die Mittagsverpflegung an der Feuerwehr und kochten für
Betroffene und deren Helfer: „Die syrische Küche war den meisten zu
Beginn noch fremd, aber als die ersten Gerichte probiert waren, war
die Begeisterung für diese leckeren und gesunden Speisen
riesengroß“, freut sich Winfried Corall auch über einen Beitrag
zur Völkerverständigung.

Thomas Hembsch aus Wesseling: "Ein Bild hat sich
eingebrannt!"

Ein außergewöhnlicher Helfer war zudem Thomas Hembsch. Er wohnt in
Wesseling-Berzdorf und betreibt in der Kölner Südstadt einen
Fisch-Feinkostladen: „Ich habe donnerstags und freitags die
schrecklichen Bilder aus der Region gesehen und zu meiner Mutter
gesagt: Ich möchte helfen. Sie hat nur gesagt: Dann mach das“,
erinnert sich Thomas Hembsch an den Startschuss seiner Aktion. „Ich
habe dann einen Transporter gemietet und meine Geschäftskolleginnen
und -kollegen der Severinstraße, Zulieferer und Freunde gebeten, zu
spenden und zu helfen. Viele waren sofort dabei. Ich hatte bestimmt
Waren für 3.500 Euro beisammen. Am Samstagmorgen habe ich den
Transporter mit Getränken und vielem mehr beladen sowie mit
vorbereiteten Fischleckereien. Mit meiner Mutter Marion und meinem
Kumpel Mike Rousisvalle bin ich dann los.“ Und warum nach Bliesheim?
„Ich habe einen Kollegen bei der Feuerwehr angerufen und gefragt, wo
ich hinfahren soll. Er hat nur gesagt, fahr einfach los und schau, wo
Du helfen kannst. Das haben wir gemacht. Blessem und die Ahr waren
überall in den Nachrichten und Hilfs-Portalen, da sind wir einfach
mal nach Bliesheim gefahren – und das war goldrichtig, denn hier war
am Samstag keiner!“ Und so baute er kurzerhand seine Stehtische an
der Feuerwehr auf, gab Fischbrötchen, Süßes, Getränke und mehr
über den Tag verteilt aus – und war am Ende heilfroh: „Diese
Gesichter der völlig fertigen Menschen, vergisst man so schnell
nicht. Und auch nicht die Dankbarkeit für unsere Hilfe. Mir hat sich
tatsächlich ein Bild eingebrannt, das ich heute noch vor Augen habe:
eine Puppe mit blonden Zöpfen, völlig mit Schlamm verschmiert. Die
steckte oben im Müllhaufen eines Containers. Das war für mich so ein
hartes Bild, dass auch Kinder und Familien alles verloren haben. Ich
habe wirklich drei Tage gebraucht, um das ganze Elend, dass ich
alleine in Bliesheim gesehen habe, zu verarbeiten“, gesteht Thomas
Hembsch. Auf Grund seiner Eindrücke sammelte er sonntags dann noch
einmal in seinem Heimatort Berzdorf: „Da haben wir noch einmal einen
7,5-Tonner für die Betroffenen der Flut zusammen bekommen.“

Hilfe durch Bachemer Feuerwehrmann - Sascha Eichs Handy stand nicht mehr still

Und dann war da noch Sascha Eich aus Frechen-Bachem. Dem
Berufsfeuerwehrmann liegt das Helfen im Blut. „Wir waren mit dem
Wohnmobil in Holland im Urlaub. Dann kamen die Nachrichten und
Wetter-Prognosen im Fernsehen. Da bin ich mit meiner Frau noch vor dem
Unwetter nach Hause gefahren, weil ich wusste, wir werden
gebraucht“, blickt Sascha Eich zurück. Und so kam es. Über seine
Kontakte durch die Feuerwehr Frechen und sein persönliches Netzwerk
kam irgendwann der Hinweis: „In Bliesheim geht die Welt unter. Dann
haben wir zunächst einen Getränke-Transport mit dem Getränkehandel
Meroh organisiert. Das war der Beginn einer langen Bliesheimer
Geschichte“, lächelt Sascha Eich heute. Vor rund einem halben Jahr
allerdings überschlugen sich in dieser Zeit bei ihm die Ereignisse:
„Kollegen der Polizei und der Feuerwehr schickten mir als nächstes
eine Info, dass erst einmal Getränke genug da seien, für die
Betroffenen und Helfer aber eine warme Mahlzeit fehle – für rund
100 Personen oder mehr. Da habe ich dann wieder mein Netzwerk
angezapft“, berichtet der Bachemer, den die riesige
Hilfsbereitschaft völlig überraschte: „Selgros und die Gaststätte
Pannes aus Frechen haben uns unterstützt, Santos aus Köln mit einem
Grill und viele andere mehr. Jetzt brauchte ich aber noch Helfer, die
alles kochen, nach Bliesheim bringen und dort verteilen konnten. Und
was dann passierte, war wirklich der Hammer: Ich habe mein Anliegen
vier Minuten im Status meines Handys angezeigt, da hatte ich schon
mehr Helfer zusammen, als wir benötigten. Nach zehn Minuten habe ich
es aus dem Status genommen, weil mein Handy nicht mehr stillstand.“

Zwei Helferinnen standen aber schon vorher fest, Ehefrau Jessica und
ihre Schwester Melanie Korth aus Alt-Hürth. „Es ist immer ein
blödes Gefühl, wenn Sascha ausrückt, um anderen zu helfen und man
selbst nichts tun kann. Jetzt konnte ich endlich mal helfen“, fasst
Jessica die damalige Lage zusammen. Kurze Zeit später wurde auf der
Feuerwehr Frechen bereits gekocht. „Dafür hat beispielsweise
Michaela Schmitz zwei Kräfte aus ihrem Cateringservice bereit
gestellt. Anschließend wurde dann alles nach Bliesheim gefahren“,
erklärt Sascha Eich und fügt hinzu: „Das waren wirklich sehr
emotionale fünf Tage dort. Die Menschen waren richtig fertig und
haben sich riesig über das Essen gefreut.“ Der Frechener hatte aber
noch eine Idee im Kopf: „Ich wollte eigentlich für die Kinder was
Süßes kaufen und habe wieder über meinen Status um eine kleine
Spende gebeten. Wir hatten ein PayPal-Konto eingerichtet und da
rappelte es dann ganz schnell. So hatten wir bald über 5.000 Euro
zusammen. Dann haben wir privat und die Feuerwehrkollegen noch mal
gesammelt und was drauf gelegt, damit wir 6666 Euro hätten übergeben
können. Doch es kamen weiter Spenden und so landeten wir letztlich
bei 7.777 Euro, die wir der Dorfgemeinschaft Bliesheim für ihre
Spendensammlung mitgeben konnten.“

Löschgruppe Bliesheim dankt weiteren Helfern und Spendern

Winfried Corall dankt außerdem „der Familie Kuck aus Weilerswist
mit ihren Reibekuchen und den Cook Pirates Eva & Mica Gerharz-Gonzalez
aus Frechen, die sonntags zum Abschluss unserer sozusagen
‚Erste-Hilfe-Woche‘ Paela gekocht haben. Nicht zu vergessen auch
unsere Bäckerei Horst hier im Ort, die Sparkasse und die Mc
Donald´s-Fili­ale Lechenich, die Essen geschickt hat.“ Denn
schnell zeigte sich, diese Hilfe ging weit über das eigentliche Essen
hinaus: „Wir konnten den Betroffenen und Helfern, die in diesen
Tagen wirklich am Limit waren, mit den Essens-Pausen eine Möglichkeit
geben, ein wenig zur Ruhe zu kommen, sich auszutauschen und neue Kraft
zu tanken. Das haben nicht nur die Bliesheimer den Köchen und Helfern
seinerzeit mit „La Ola“-Wellen zum Abschied gedankt“, beschreibt
Winfried Corall.

Die verschiedenen geladenen Helfer dankten nun wiederum der Feuerwehr
Bliesheim für die Einladung und erklärten allesamt: „Es war ein
ganz besonderes Gefühl, heute wieder nach Bliesheim reinzufahren, an
die Feuerwehr. Man kriegt sofort wieder eine Gänsehaut.“ Und so
stand an dem gemütlichen Abend fest, die Beziehung der Bliesheimer zu
ihren Helfern und umgekehrt wird eine ganz besondere bleiben.

Langjährige Mitglieder geehrt - 3. Platz beim Heimat-Preis für Feuerwehr Bliesheim

Selbstverständlich wurden an diesem Abend aber auch noch die
langjährigen Mitglieder von Löschgruppenführer Winfried Corall
geehrt: Jochen Sahm, Jörg Weiler, Florian Grommes, Jörg Wolf und
Jörg Mahn für 30 Jahre Zugehörigkeit, Dirk Jüssen für 35 Jahre,
Willi Bochenek für 45 Jahre und Lambert Schlösser für 50 Jahre.

Und für die Löschgruppe gab es zum krönenden Abschluss noch eine
gute Nachricht: „Bei der Vergabe des Heimat-Preis NRW 2021 in
Erftstadt wurde mittels einer Jury im Ausschuss für Kultur und
Partnerschaften auch die Feuerwehr Bliesheim bedacht. Die Alters- und
Ehrenabteilung wurde unter anderem für ihre Verdienste in der Flut
mit dem dritten Platz und 1.000 Euro ausgezeichnet“, erklärte
Ortsbürgermeister Frank Jüssen. Er hatte die Feuerwehr für den
Heimat-Preis vorgeschlagen und nun die schöne Überraschung zu diesem
in vielerlei Hinsicht außergewöhnlichen Abend mit im Gepäck.

Redakteur/in:

Düster Volker aus Erftstadt

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