„Wie unsensibel von der Stadt!“
Horst Willems ärgert Gebührenbescheid für Flutopfer

Horst Willems mit seinen beiden Gebührenbescheiden der Stadt Erftstadt, die er für unsensibel und so nicht gerechtfertigt ansieht. | Foto: Volker Düster
  • Horst Willems mit seinen beiden Gebührenbescheiden der Stadt Erftstadt, die er für unsensibel und so nicht gerechtfertigt ansieht.
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Erftstadt - Vor rund zwei Monaten erlebten zahlreiche Menschen in Erftstadt
einen nicht für möglich gehaltenen Albtraum. Die Wassermassen von
Erft und Swist stiegen in Folge des Starkregens auf Rekordhöhen.
Einige Einwohner mussten per Boot oder sogar per Helikopter aus ihren
Häusern evakuiert werden, weil sie von diesen Hochwasser-Massen
völlig überrascht wurden. Einer von diesen Betroffenen war Horst
Willems. Der Bliesheimer hatte versucht, seiner 86-jährigen
Vermieterin zu helfen, als das erste Wasser in ihren Keller gelaufen
war. Vor einigen Wochen erhielt Horst Willems dann Post von der Stadt
Erftstadt, über die er sich sehr ärgerte, und die ihn immer noch
beschäftigt:

„Gut vier Wochen nach der Katastrophe erhielt ich als privat
Krankenversicherter einen Gebührenbescheid von der Stadt Erftstadt
– für die Benutzung beziehungsweise den Einsatz der Einrichtung des
Rettungsdienstes der Stadt Erftstadt. Mit dem Hinweis auf die geltende
Gebührenordnung und der Satzung zur Erhebung der Leitstellengebühr
für den Rettungsdienst des Rhein-Erft-Kreis wurde ein Gesamtbetrag in
Höhe von 364,13 Euro veranschlagt“, fasst Horst Willems zusammen.
Der Ärger über falsche Angaben wie „Frau“ Horst Willems oder den
„falschen“ Einsatzort „Gestüt Waldsee, Heerstraße“ hielt
sich dabei noch in Grenzen, die Forderung an sich verursachte
allerdings ein ungläubiges Staunen:

„Wie kann man den Menschen, die da unverschuldet zum Teil in
Lebensgefahr geraten sind und die in vielen Fällen massive Schäden,
finanziell wie auch seelisch erlitten haben, solche Gebührenbescheide
zusenden.“

Die Stadt Erftstadt erklärt dazu: „Die Gebührenbescheide wurden
gemäß der Benutzungs- und Gebührenordnung für den Rettungsdienst
der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt Erftstadt vom 18.10.2017 für die
Personen erstellt, die entweder eine notärztliche
Behandlung/Untersuchung erfahren haben oder mit einem
Rettungswagen/Krankentransportwagen der Stadt Erftstadt transportiert
wurden.“

So weit, so gut, aber Horst Willems kann die Rechnungsstellungen
dennoch nicht nachvollziehen: „Die beiden Hauptkostenpunkte sind der
Einsatz eines Notarzteinsatzfahrzeuges einschließlich Fahrer mit
183,30 Euro und der Einsatz des Notarztes mit 176,26 Euro. Mich hat
aber gar kein Notarzt behandelt“, erklärt Horst Willems.

Stadt Erftstadt beruft sich auf Gebührenordnung

Der 71-Jährige war zusammen mit seiner 86-jährigen Vermieterin und
deren Pflegekraft am frühen Nachmittag des 15. Juli
per Helikopter aus dem Hof
des Hauses an der Merowinger Straße 57 ins Trockene geflogen

worden. „Den Rettungsflug müssen wir dabei nicht bezahlen, da dies
ein Bundeswehreinsatz war“, betont Horst Willems. Als das Trio und
die zwei Nachbarn von nebenan schließlich an der Merowinger Straße /
Ecke Lange Heide wieder abgesetzt worden waren, mussten sie alle in
den Rettungswagen, „obwohl ich gesagt habe, dass es mir gut geht und
ich nicht untersucht werden muss“, sagt Horst Willems.

Dazu erklärt die Stadt Erftstadt: „Die Indikationsstellung zur
notärztlichen Untersuchung wurde großzügig gestellt, da
beispielsweise Windenrettung mittels Helikopter, Rettung aus
Strömungsgewässern und andere außergewöhnliche Maßnahmen
notwendig wurden. Um hier Verletzungen bzw. negative Auswirkungen
auszuschließen, wurden die so geretteten Personen notärztlich
versorgt.“

"Zehn Minuten im Krankenwagen zur Blutdruckmessung"

Diese Versorgung sah im Fall von Horst Willems wie folgt aus: „Ich
habe insgesamt vielleicht rund zehn Minuten im Krankenwagen gesessen.
Ein Helfer hat mir den Blutdruck gemessen, das war es. Dafür eine
solche Rechnung zu stellen, finde ich schon arg heftig“, ärgerte
sich Horst Willems nach dem Erhalt des Gebührenbescheids vom 18.
August. Er legte Einspruch ein, „wegen der falschen Angaben und ganz
allgemein." Die „falschen“ Angaben wurden in Folge des Einspruchs
korrigiert und Horst Willems erhielt einen neuen Gebührenbescheid.
"Aber auch da wurde die Uhrzeit weiter mit 9:56 Uhr angegeben. Ich
habe erneut Einspruch eingelegt. Schließlich meldete sich jemand von
der Stadt Erftstadt bei mir, der den Gebührenbescheid erläuterte und
beispielsweise darauf verwies, dass die Uhrzeit der Zeitpunkt der
Alarmierung gewesen sei. Wir haben aber ja gar keinen Rettungsdienst
alarmiert“, sagt Horst Willems. Und dennoch: „Die Forderung muss
nun bis zum 3. Oktober beglichen werden. Wenn ich die Rechnung bei
meiner Krankenkasse einreiche, muss diese das bezahlen. Für mich
bleibt da aber ein ordentlicher Beigeschmack. Wenn ich alleine unsere
kleine Gruppe nehme, sind das fünf Personen gewesen, jeweils mal 360
Euro, dann sind wir bei 1.800 Euro.“

Seitens der Stadt heißt es: „Gemäß der Benutzungs- und
Gebührenordnung für den Rettungsdienst der Freiwilligen Feuerwehr
der Stadt Erftstadt sind zur Zahlung der Gebühr die Benutzer des
Krankenkraftwagens; Personen, denen nach den Bestimmungen des
Bürgerlichen Gesetzbuches gegenüber dem Benutzer die
Unterhaltspflicht obliegt sowie Krankenkassen, welche für Versicherte
ein Kostenanerkenntnis abgegeben haben, verpflichtet. Sollte es in
Ausnahme- und Härtefällen unmöglich sein, die Gebühren zu
begleichen, bestehen neben Stundung auch andere Möglichkeiten.
Sollten die originären Kostenträger die Kostenübernahme ablehnen,
steht die Stadt Erftstadt zur Klärung jederzeit zur Verfügung.“

Gesetzlich Versicherte muss Rettungswagen-Einsatz erklären

Auf die Frage, ob man diese außergewöhnliche Situation nicht
beispielsweise über einen der Hilfsfonds hätte auffangen können,
heißt es: „Für eine explizite Übernahme von Kosten des
Rettungsdienstes über Hilfsfonds oder Spendentöpfe besteht keine
Kenntnis.“

Und so muss sich beispielsweise die 86-jährige Vermieterin von Horst
Willems „nun gegenüber ihrer gesetzlichen Krankenversicherung
erklären, die natürlich ebenfalls eine Rechnung erhalten hat, warum
sie am 15. Juli einen Rettungswagen in Anspruch genommen hat. Das
reißt bei den Betroffenen wieder Wunden auf, die gerade etwas
verheilen, und das in einer Situation, wo gerade diese Menschen sicher
noch ganz andere Sorgen haben“, sagt Horst Willems.

Er wird die Rechnung nun widerwillig an seine Krankenkasse senden,
auch wenn er es nicht für richtig hält. Sein Fazit: „Den Menschen,
die es eh schon so hart getroffen hat, auch diese Abwicklung noch
aufzubürden - wie unsensibel von der Stadt Erftstadt!“

Redakteur/in:

Düster Volker aus Erftstadt

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