Der große Friedhofsklau
Jeder Diebstahl ist wie ein Stich ins Herz hinein
Diebstähle auf Friedhöfen – eine bekannte Geschichte, von
der wir wohl alle schon mal gehört haben. Aber beim Ortstermin auf
dem Liblarer Friedhof wird schnell klar, dass das, was sich derzeit
hier abspielt, in Art und Umfang aus dem Rahmen fällt.
Erftstadt-Liblar. Denn einige hart gesottene Mitmenschen
scheinen den Friedhof mit einem Gartencenter zu verwechseln, in dem
man sich nach Herzenslust bedienen kann – ohne zu bezahlen. Die
Geschichten, die Sylvia Kautz erzählt, sind zahlreich und alle
ähnlich: So schnell wie bunte Pflanzen auf die Gräber gesetzt sind,
sind sie auch schon wieder weg. Und das meist am hellichten Tag. Kautz
steht am Grab ihres im März 2017 hier beerdigten Vaters und kann die
Tränen nicht zurückhalten. Zunächst hatte sie blaue Glockenblumen
zwischen die immergrünen Pflanzen gesetzt. Die verschwanden innerhalb
kürzester Zeit spurlos. Auch an den weißen Glockenblumen konnte sie
sich nicht lange erfreuen. Geblieben von der liebevoll ausgesuchten
Dekoration sind nur die Pflanzlöcher zwischen den Grünpflanzen.
„Sie können fragen, wen Sie wollen, nahezu alle machen hier die
gleichen Erfahrungen. Aber die Leute resignieren und pflanzen nur noch
Stiefmütterchen und Bellis. Die bleiben meist stehen, sind den Dieben
wohl zu billig“, klagt sie. Sie erzählt von einer Bekannten, die
ein großes Grab mit bunten Blühpflanzen schmücken wollte, zu Mittag
damit halb fertig war und zu Hause eine Pause einlegte. Als sie
zurückkam, war schon alles weg. Geklaut. Auf dem Nachbargrab zeugt
ein leerer grauer Korb von einem gescheiterten Dekorationsversuch mit
einer Lavendelpflanze.
Kautz will jedoch nicht in der Opferrolle verharren. Dabei brachten
Anzeigen bei der Polizei und Anrufe beim Ordnungsamt bislang gar
nichts. „Bei der Polizei riet man mir, mich doch selbst auf die
Lauer zu legen.“ Beim Ordnungsamt bittet man um Verständnis, dass
eine permanente Kontrolle auf der großen Fläche nicht möglich sei
und empfiehlt, gegenseitig die Augen offen zu halten. Zudem sei
Diebstahl ein Tatbestand für die Polizei.
„Jeder Diebstahl ist wie ein Stich ins Herz“, sagt auch Rosemarie
Kalscheuer. Sie will festgestellt haben, dass das Ausmaß an
Diebstählen in den vergangenen zwei Jahren extrem zugenommen hat und
zeigt auf eine frisch erblühte Hortensie: Drei Blüten sind
abgerissen worden, rundherum verteilt grüne Blätter. Die Blüten
stehen jetzt wohl in irgendeiner Blumenvase.
Pflanzen, die nicht mehr benötigt werden, aber durchaus noch
ansehnlich sind, werden ebenso wie Pflanztöpfe an der Müllablage
deponiert. „Hier bedient sich allerdings keiner“, weiß
Kalscheuer.
Einstweilen ist Kautz aktiv geworden und hat einen Zettel am Grab
ihres Vaters angebracht, auf dem sie den oder die Grabschänder mit
einem bösen Schimpfwort anspricht. „Wenn sie kein Geld haben, sich
selbst Pflanzen zu kaufen, sprechen Sie mich an. Ich schenke Ihnen
dann welches. Das erspart mir den Anblick meines geschändeten
Grabes.“ Um die 40 Pflanzen sind Kautz in diesem Jahr bereits
gestohlen worden. „Ich bin ein äußerst friedliebender Mensch“,
sagt Kautz von sich. „Aber wenn ich den- oder diejenigen erwische
…“, den Rest des Satzes lassen wir offen. Kautz weiß nur eines:
„Das muss aufhören!“
Redakteur/in:REDAKTEURIN Gabriele Rupprecht aus Erftstadt |
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