Zwei Jahre nach der Flut: Familie Altengarten
Schicksalhafter Härtefall

Steht im wahrsten Sinne vor den Trümmern - in der Luft noch heute ein leichter Ölgeruch: Brigitte Altengarten weiß weiterhin nicht, wie ein rechtskonformer Neubau aussehen soll. | Foto: Düster
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  • Steht im wahrsten Sinne vor den Trümmern - in der Luft noch heute ein leichter Ölgeruch: Brigitte Altengarten weiß weiterhin nicht, wie ein rechtskonformer Neubau aussehen soll.
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Kein Tag ist seit dem 15. Juli 2021 vergangen, an dem sich die Altengartens nicht mit den Folgen der Flut beschäftigt hätten. Ihr Haus ist zu riechen: ein verölter Totalschaden – und kein Ende in Sicht!

Erftstadt-Blessem. Das hatten sich die Altengartens alles ganz anders vorgestellt. Seit 1993 leben sie im Eschenweg in Blessem. Die Doppelhaushälfte ist abbezahlt, der Ruhestand absehbar zu genießen, der Nachwuchs zu unterstützen. Doch dann kam die Flut - und mit ihr eine völlig neue Lebenslage. Auch da dachte Familie Altengarten in den ersten Tagen noch: „Na ja, Keller und Erdgeschoss entkernen und ­sanieren, alles wieder schön ­machen und das Ganze ist vergessen“ - weit gefehlt! Denn während die meisten Flutbaustellen in Erftstadt mittlerweile wieder geschlossen sind oder in den Endspurt gehen, zählen Altengartens zur Gruppe „Härtefall“: „Wir fangen im Grunde ja bald überhaupt erst richtig an!“

Der Blick zurückzum Beginn der Katastrophe

Der Eschenweg befindet sich in unmittelbarer Nähe zur Erft, wenige hundert Meter entfernt von der bekannten Abbruchkante. Die Wassermassen kamen mit Wucht, zerstörten alles in Keller und Erdgeschoss – inklusive des Heizöl-Tanks, gefüllt mit rund 7.500 Litern. Anders als die meisten anderen Flutbetroffenen mussten die Altengartens aber zunächst warten: „Der Eschenweg gehörte zur Sperrzone. Wir kamen zehn Tage nicht ins Haus.“ Das Öl aber war da, und es zog tiefer und tiefer ins Gemäuer. Nach den Abpump- und Aufräumarbeiten stellte sich die Frage: „Wie gehen wir vor? Manche Nachbarn haben Putz und Mauerwerk entfernt und saniert. Aufgrund des Ölgestanks haben uns erste Unternehmen vor Ort zu ­einem chemischen Gutachten ­geraten“, schildert Brigitte Altengarten den Beginn eines Bau­stellen-Dilemmas, das noch lange keine Ende nehmen wird. Nach drei Monaten des Suchens und Nachhakens war ein vom Land NRW anerkannter Gutachter da – und winkte schnell ab. Bei Probebohrungen tropfte immer noch ein Ölschmierfilm aus den Steinen. Fazit: Totalschaden, das Haus muss abgerissen werden.

Das Problem: „Aufgrund des Alters unseres Nachbarn hat er seine Doppelhaushälfte nur entkernt und saniert. Wir reißen unser Gebäude auf einer gemeinsamen Bodenplatte ab und müssen sicherstellen, dass dem Nachbarhaus nichts passiert!“ Und auch beim Wiederaufbau muss Familie Altengarten Rücksicht sowie Abstriche in Kauf nehmen: Der Wohnraum wird künftig kleiner, weil alle erdenklichen Richtlinien einzuhalten sind – zum Schutz des Nachbar- und des eigenen Hauses sowie der Bauordnung halber, bei der keine Ausnahme gemacht wird.

Warum tun sich die Altengartens das alles an? „Uns bleibt nichts anderes übrig“, lautet die bittere Wahrheit. „Wir wollen hier gar nicht wieder aufbauen, kriegen aber nichts anderes gefördert. Wir wären gerne in eine andere, vergleichbare Immobilie gezogen. Das wäre viel günstiger, ist aber leider nicht möglich.“

Die bittere Wahrheit: „Uns bleibt nichts anderes übrig!“

Und so hat sich Brigitte Altengarten seit den ersten Tagen in Förderanträge, Gutachten, Versicherungen und Expertisen eingelesen, „weil es für Ölschäden ­dieses Ausmaßes keine Erfahrungswerte gibt.“ Erfahren mussten die Altengartens aber, dass ihr Bauschutt verseucht und der Boden belastet ist: „Alles Sondermüll, jeder Erdaushub wird zunächst im Labor beprobt.“ Die Kosten schießen durch die Decke. Zahlt alles die Versicherung? „Wenn wir eine hätten. Wir haben im Januar 2021 noch einmal einen Versuch gestartet, eine Versicherung gegen Hochwasser abzuschließen – ohne Erfolg. Die Antwort der Versicherung: Sie liegen im unmittelbaren Überschwemmungsgebiet der Erft, leider nicht möglich“, lacht die 58-jährige Brigitte Altengarten bitter und ­betont: „Wir haben in unserem Leben nie öffentliche Hilfen in Anspruch genommen, außer Kindergeld. Jetzt sind wir Bittsteller auf allen Ebenen!“ Emotional besonders schwierig: „Wenn man mir sagt: Ist doch egal, Ihr kriegt das doch alles bezahlt – selbst, wenn es so wäre, was nicht der Fall ist, kostet uns das auch unglaublich viel Nerven, Kraft und Lebensjahre. Ich würde sofort tauschen, wenn jemand mit einer halbwegs vergleichbaren Immobilie käme“, erklärt Brigitte Altengarten.

Bei ihr ist es, wie bei ihrem Haus: Der äußere Eindruck offenbart nicht den Kern. „Ohne die Hilfe von Frau Borgolte vom DRK-Flutlotsenbüro und Frau Schnackertz von der Diakonie, hätte ich sicher schon aufgegeben. Ich darf mich zum Beispiel gar nicht persönlich an die Bezirksregierung für unseren Wiederaufbauantrag wenden, das darf nur Frau Borgolte. Die Unterstützung beim Kampf mit den Anträgen, Gutachten und entscheidenden Stellen ist für uns also überlebenswichtig – von der emotionalen Hilfe will ich gar nicht erst sprechen“, resümiert sie betroffen.

Lassen Betroffene wie Brigitte Altengarten nicht allein und versuchen, mit ihren Institutionen und persönlichem Engagement bestmöglich zu helfen: Andrea Schnackertz (l.) und Wiebke Borgolte (r.). | Foto: Düster
  • Lassen Betroffene wie Brigitte Altengarten nicht allein und versuchen, mit ihren Institutionen und persönlichem Engagement bestmöglich zu helfen: Andrea Schnackertz (l.) und Wiebke Borgolte (r.).
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Die beiden Helferinnen berichten von vielen noch offenen Baustellen

So, wie den Altengartens, geht es aktuell übrigens noch drei weiteren Familien allein im Eschenweg: „Die haben auch abreißen müssen und bauen jetzt erst neu. Die Doppelhaus-Konstellation haben aber nur wir.“ Und so stehen weiter oben im Eschenweg schon Krane zum Wiederaufbau, während Familie Altengarten noch entsorgt und nach einer realisierbaren Baulösung sucht. Brigitte Altengartens Fazit zwei Jahre nach der Flut: „Wir haben wirklich viel Hilfe erfahren, fühlen uns derzeit von Staat und Politik aber auch oft allein und im Stich gelassen mit unseren Problemen.“

Und eine Prognose? Kaum zu geben: „Wir hoffen, in zwei Jahren wieder hier wohnen zu können. Aber wer weiß, was noch alles kommt…“

Steht im wahrsten Sinne vor den Trümmern - in der Luft noch heute ein leichter Ölgeruch: Brigitte Altengarten weiß weiterhin nicht, wie ein rechtskonformer Neubau aussehen soll. | Foto: Düster
Lassen Betroffene wie Brigitte Altengarten nicht allein und versuchen, mit ihren Institutionen und persönlichem Engagement bestmöglich zu helfen: Andrea Schnackertz (l.) und Wiebke Borgolte (r.). | Foto: Düster
Redakteur/in:

Düster Volker aus Erftstadt

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