Karneval in der Corona-Session
„Einigen bricht gerade viel Lebensqualität weg“
Eigentlich hätten die beiden Karnevalisten in dieser heißen Phase
der Session wahrscheinlich kaum Zeit für ein ausführliches
Interview. Doch diesmal ist alles anders: Anstelle von Auftritten in
bunt geschmückten Festsälen oder der Planung von Sitzungen, Apellen,
Empfängen, Rathaussturm und Festumzug herrschen Tristesse und grauer
Arbeitsalltag. Karneval, ein wichtiger Bestandteil der rheinischen
Frohnatur, fällt in diesem Jahr so gut wie komplett aus. Das
Wochenende sprach darüber mit Stefan Hoeft, Präsident der
Prinzengarde Frechen, und dem Schriftführer des Frechener
Traditionsvereins, Christian Dobler.
Wochenende: Herr Hoeft, wie steht es um den rheinischen Karneval in
dieser Session?
Stefan Hoeft: Alles Essig! Nichts findet statt. Wir mussten unsere
fünf Großveranstaltungen Mädchensitzung, Herrensitzung, Prunk- und
Kostümsitzung, Afterzug-Party und Nubbelverbrennung absagen. Auch der
Jahresempfang, der Sessionsstart und der Korpsapell konnten nicht
stattfinden.
Wochenende: Ist dadurch der Gesellschaft ein finanzieller Schaden
entstanden?
Hoeft: Wir hatten zwar schon viele Vorbestellungen für unsere
Veranstaltungen, aber wir müssen jetzt nichts zurücküberweisen.
Hinzu kommt der glückliche Umstand, dass wir mit unseren Partnern
gute Lösungen erarbeiten konnten welche für beide Seiten
zufriedenstellend waren. Bisher haben wir auch keine Rücktrittswelle
in unserer Garde zu verzeichnen. Große Sorgen machen uns die
Langzeitfolgen der Pandemie.
Wochenende: Wie ist das zu verstehen?
Hoeft: Keiner kann doch mit Sicherheit sagen, dass wir nach der
Pandemie „1:1“ zurückkehren zum rheinischen Brauchtum wie wir es
kennen. Der Karneval lebt durch die Kneipenkultur. Doch wie viele
Eckkneipen wird es in Frechen nach der Pandemie noch geben? Das Hotel
Durst und „Bei Franzi“ gibt es bereits nicht mehr. Wir können nur
hoffen, dass nicht noch mehr Gaststätten in Frechen zumachen.
Auch die Zukunft unseres Sitzungskarnevals steht in den Sternen. Wir
stellen uns auch die Frage, wie sehr die Pandemie den Ablauf der
kommenden Sessionen beeinflusst.
Wochenende: Inwieweit steht die Prinzengarde Frechen dazu im Kontakt
mit den anderen Karnevalsgesellschaften in Frechen?
Hoeft: Das Festkomitee Frechener Karneval, als Dachverband, konnte nur
seine Veranstaltungen wie die Prinzenproklamation, die Eröffnung des
Straßenkarnevals auf dem Rathausplatz oder den Festumzug am
Karnevalssonntag absagen. Die Entscheidung, dass auch alle
Gesellschaften auf ihre Sitzungen verzichten, wurde gemeinschaftlich
beschlossen.
Wochenende: Wie werden sie persönlich Karneval an Tagen wie
Weiberfastnacht oder Karnevalssonntag feiern?
Hoeft: So genau weiß ich das noch nicht. Wir als Vorstand haben uns
das Ziel gesetzt, unseren Mitgliedern den diesjährigen Sessionsorden
persönlich zu überreichen. Da wären diese Tage natürlich
prädestiniert. Hoffentlich ist das dann Corona-konform möglich.
Wochenende: Fällt es aktuell schwer rheinischen Frohsinn zu
verbreiten?
Christian Dobler: Wir haben in diesem Jahr eine besondere Festschrift
vorbereitet, mit einem Rückblick der letzten zehn Jahre und vielen
tollen Bildern. Sie sollen den Menschen in dieser deprimierenden Zeit
ein wenig Freude bereiten. Das Heft wird auch an öffentlichen
Stellen, wie der Kreissparkasse Köln, ausgelegt. Damit wollen wir den
Frechenern wenigstens ein bisschen Karneval ins Haus bringen.
Wochenende: Was werden sie in den kommenden Wochen besonders
vermissen?
Hoeft: Die Kameradschaft.
Dobler: Ebenfalls die Kameradschaft und das gesellige nach einem
harten Wach-Wochenende. Auch die Gespräche mit den Jecken der anderen
Vereine fehlen. Trotz der unterschiedlichen Farben sind hier viele
Freundschaften entstanden.
Hoeft: Da sieht man, dass Karneval so viel mehr ist als bunte
Uniformen und Auftritte auf der Bühne. So ein Verein lebt durch die
vielen Treffen, das Planen, das gemeinschaftliche Training, die
Fahrten zu den Sitzungen. Und gerade das fehlt uns, das geht an die
Nieren. Wir haben uns in den vergangenen Jahren zwar verjüngt, aber
wir haben trotzdem noch viele ältere Mitglieder, die aktuell
besonders gefährdet sind. Sie sind normalerweise voll eingebunden in
unsere Gesellschaft. Ihnen bricht gerade besonders viel
Lebensqualität weg.
Wochenende: Vielen Dank für das Gespräch.
- Lars Kindermann
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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