Frechen bereitet sich vor
Hallen aktuell „alternativlos“

Im Besprechungsraum der Feuerwehr sprachen Fachdienstleiter Georg Becker, Bürgermeisterin Susanne Stupp, Kämmerer Dr. Patrick Lehmann und der Technische Beigeordnete Robert Lehmann mit Pressevertretern über die aktuelle Lage zur Unterbringung von bis zu 600 Kriegsvertriebenen aus der Ukraine.  | Foto: Lars Kindermann
  • Im Besprechungsraum der Feuerwehr sprachen Fachdienstleiter Georg Becker, Bürgermeisterin Susanne Stupp, Kämmerer Dr. Patrick Lehmann und der Technische Beigeordnete Robert Lehmann mit Pressevertretern über die aktuelle Lage zur Unterbringung von bis zu 600 Kriegsvertriebenen aus der Ukraine.
  • Foto: Lars Kindermann

Mit der Unterbringung von bis zu 600 Kriegsgeflohenen aus der Ukraine rechnet die Stadt Frechen. Dazu werden vorrübergehend Notunterkünfte eingerichtet und dringend geeigneter Wohnraum gesucht.

Frechen. Seit einem Monat herrscht Krieg in der Ukraine. Der Zerrstörungskrieg, in der Großstädte von russischer Artillerie „reif geschossen“ werden, um sie anschließend zu erobern, kostet täglich Menschenleben. Gleichzeitig berichten westliche Geheimdienste von einem logistischen Debakel auf Seiten der russischen Invasoren: Vorräte und Treibstoff sollen knapp werden. Die russische Führung im Kreml drängt auf Erfolge. Ähnlich wie im Syrienkrieg sollen, nach Medienberichten, immer mehr zivile Ziele angegriffen werden, um die ukrainische Bevölkerung zu demoralisieren.

Frauen, Kinder, Jugendliche und Senioren versuchen der Hölle der umkämpften Städte zu entkommen. Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind inzwischen 6,5 Millionen Menschen aus umkämpften Gebieten geflohen, 3,5 Millionen haben das Land verlassen.

Laut Wissenstand der Stadt Frechen rechnet die Regierung in Deutschland mit der Aufnahme von einer Million Flüchtlinge. „Für Frechen würde dies die Unterbringung von 550 bis 600 Menschen aus der Ukraine bedeuten“, erklärt Dr. Patrick Lehmann, 1. Beigeordneter der Stadt Frechen und Leiter des städtischen Krisenstabes.

Mitte der Woche waren bereits 160 Menschen aus den umkämpften Gebieten in Frechen angekommen. 49 sind privat bei Freunden und Verwandten untergekommen, 111 wurden Frechen von der Landesregierung NRW zugeteilt. „Diese Menschen kommen hierher, sie haben Angst, sie haben zum Teil Schlimmes erlebt und sie haben nichts dabei als eine Plastiktüte und eine Jogginghose“, erzählt Stadtsprecher Thorsten Friedmann.

Die freistehenden Unterkunftsplätze für Vertriebene sind jetzt alle belegt. Bis weiterer Wohnraum zur Verfügung steht, müssen vorrübergehend Notunterkünfte eingerichtet werden. Die Willi-Giesen-Halle in Frechen-Habbelrath ist bereits wieder hergerichtet (wir berichteten). Dort können 80 Personen untergebracht werden. Auch die Gerhard-Berger-Halle in Frechen-Königsdorf soll in den kommenden Tagen erneut zur Notunterkunft werden. Dort soll Platz für maximal 220 Kriegsgeflohene geschaffen werden.

Aus Sportkreisen wird diese Entscheidung der Stadt nicht unbedingt begrüßt. Leserbriefe, E-Mails an die Stadtverwaltung und Kommentare im Netz lassen eine gewisse „Not-in-my-Backyard“ (Nimby)-Position erkennen, die vielerorts auch schon in der Flüchtlingskrise 2015/2016 zutage trat: Hilfe ja, aber bitte nicht in meiner Gegend!

Stattdessen werden Alternativstandorte vorgeschlagen, um Sport in der Königsdorfer Halle weiter möglich zu machen. „Wir haben diese Entscheidung nicht leichtfertigt getroffen“, stellt Dr. Patrick Lehmann klar. Man prüfe jedes zur Verfügung stehende Gebäude aus dem städtischen Bestand, spräche mit Inhabern von Gewerbeimmobilien und habe Frechener Bürger darum gebeten, der Stadt freistehenden Wohnraum zur Verfügung zu stellen. „Denn eins ist sicher: Wir geben uns alle Mühe, diese Notunterkünfte so herzurichten, dass die Geflohenen dort menschenwürdig untergebracht sind, aber Spaß macht das Wohnen in so einer Halle niemandem“, so Lehmann weiter.

Zwei Großunterkünfte, in der 2015/2016 Menschen untergebracht wurden, stehen aktuell nicht zur Verfügung: In der ehemaligen Anne-Frank-Schule an der Burgstraße ist die Lindenschule noch mindestens bis zum Sommer untergebracht und die Dreifeldsporthalle am Frechener Gymnasium ist so stark sanierungsbedürftig, dass Schüler die Sanitäreinrichtungen und Umkleiden der Halle nicht mehr nutzen dürfen. Zudem sei die Brandmeldeanlage defekt. Die Sanierungsarbeiten beginnen in den kommenden Wochen.

Kurzfristig soll die „Alte Feuerwache“ an den Schützenstraße zur Unterbringung von 40 Personen hergerichtet werden. Geprüft wird zudem, ob die Fahrzeughallen und Verwaltungscontainer auf dem Gelände ebenfalls zu Wohnraum umgestaltet werden können.

Selbst der Stadtsaal wurde als mögliche Notunterkunft geprüft: „Die zentrale Lage wäre zwar Ideal, aber die sanitären Einrichtungen sind nicht auf eine Dauernutzung ausgelegt“, erklärt Lehmann.

Große Erleichterung herrscht bei Bürgermeisterin Susanne Stupp, die in ihrer Amtszeit schon die zweite Flüchtlingswelle managen muss und Sozialamtsleiter Georg Becker, dass die Stadt auf ein bestehendes Netzwerk an engagierten ehrenamtlichen Helfern zurückgreifen kann: „Das Flüchtlingsnetzwerk Frechen, Miteinander-Füreinander in Königsdorf, die Dorfgemeinschaft in Habbelrath, die Frechener Kirchengemeinden und viele mehr haben uns schon ihre Hilfe angeboten“, freut sich Becker. Sogenannte „Willkommens-Teams“ begrüßen die Kriegsgeflohenen in Frechen und begleiten sie in den kommenden Wochen.

Gesucht werden noch Menschen mit ukrainischen oder russischen Sprachkenntnissen sowie weiterer geeigneter Wohnraum.

Wer helfen kann und möchte erfährt mehr über das kostenlose Bürgertelefon unter 08 00 – 5 01 77 00. Sprechzeiten sind montags bis freitags von 9 bis 12 Uhr.

Redakteur/in:

Lars Kindermann aus Rhein-Erft

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