Alte Kamelle
Im Wald, da sind die Räuber

Foto: Pixabay

Königsdorf - Der Königsdorfer Forst auf dem Rücken des Ville-Höhenzugs ist, mit
etwa 330 Hektar, einer der größten zusammenhängenden Laubwälder
der Region. Dort, wo heute Springfrosch, Nachtigall, Wespenbussard und
Hirschkäfer leben, hausten zur Zeit des 30-jährigen Krieges
(1618-1648) auch Jakob Becker –‚Gronewald von Hemmersbach‘
genannt – und seine Räuberbande.

Aus ihrem Versteck „im Busch“ heraus schlugen sie in der gesamten
Region bis Stommeln, Düren, Kerpen, Kirdorf und Köln zu. Begnügten
sie sich anfangs noch mit Pferdediebstählen und dem Stehlen von
Kleidungsstücken, spezialisierten sie sich später auf die
lukrativere Lösegelderpressung. Waren beim „Ausspannen“ von
Pferden, meist nicht mehr als 20 Reichstaler zu verdienen, konnten
für einen entführten Bauern, Händler oder Kurier bis zu 250
Reichstaler abgepresst werden. Und wer nicht zahlen wollte, der wurde
„am Baum aufgehängt, bis er schwarz wurde“.
Töpfer aus Frechen dienten als Informanten und Kuriere. Für ein paar
Reichstaler versorgten sie die Räuberbande mit Vorräten und
lieferten Informationen über wohlhabende Reisende. Auch vor
kaltblütigem Mord schreckten Gronewald und seine Meute nicht zurück.
Dabei reichte es dem Anführer schon, wenn jemand ihm „trotzige
Antwort“ gab. Auf der Straße nach Hüsten tötete er einen Mann,
der gerade „die Heimlichkeiten ausfegte“ (sein Bedürfnis
verrichtete), mit einem Stein.

Vergewaltigungen waren ebenfalls keine Seltenheit: Einem Mädchen aus
Elberfeld wurden „die Hände ans Haar und die Füße an einen
Haselstrauch gebunden“, bevor Gronewald und zwei Kumpane „ihren
Willen an ihr taten“. In der Nähe von Stotzheim „notzüchtigte“
er ein Mädchen aus Ichendorf. Als sie einen Jungen fesselten und ihm
die Hose herunterzogen, „damit vorbeikommende Soldaten für ein
Trinkgeld ihre Kurzweil mit ihm haben konnten“, wurden sie von
Kölnischen Schützen festgenommen.
Aber dem Bandenführer gelang die Flucht aus der Brühler Burg. Er
kletterte im Inneren eines fünfkantigen Turmes nach oben und entkam
durch das verfaulte Dachgestühl. Im Auftrag von Hilbrand aus
Habbelrath und der Prangen Nell von Hemmersbach stahlen er und seine
Bande in Sindorf Schriften und Steuerunterlagen des Junkers zu
Raesfeld. Doch bei dem Bruch ging etwas schief: Gronewalds Vater
Jorgen wurde gefasst, vor Gericht gestellt und enthauptet. Gewaltsame
Tode starben in den folgenden Monaten auch seine Brüder Wilhelm
(hingerichtet), Peter (erschossen) und sein Stiefbruder Wilhelm
(hingerichtet). Und am 7. November 1635 ging auch Gronewald in die
Falle: Reinhard von Geldern zu Arcen aus dem Haus zu Frechen nahm ihn
in Haft.

In seinem Buch „Frechen damals - von der Römerzeit bis zur
Stadtwerdung“ (Rheinland-Verlag, 1977) veröffentlichte der
ehemalige Stadtarchivar Karl Göbels, im Kapitel „Bandenunwesen in
der Zeit des Dreißigjährigen Krieges“, ein Gerichtsprotokoll der
Befragung des Bandenführers. Es zeichnet das Bild eines Mannes, der
augenscheinlich verroht durch eine sechsjährige Dienstzeit als
Landsknecht (Söldner) in der Kompanie des Grafen Wilhelm, ohne Reue
stahl, vergewaltigte und mordete; das Bild einer grausamen Zeit in der
Mord und Totschlag zur Tagesordnung gehörten und nur das Recht des
Stärkeren galt.
Im Alter von 29 Jahren wurde Jakob Gronewald von Hemmersbach – nach
fleißiger Nachprüfung – wegen „Landstraßen-Schinderei, Morden,
Rauben, Plündern, Knebeln und anderer Übeltaten“ zum Tode
verurteilt. „Er soll als öffentlicher Straßenräuber am Galgen mit
dem Strang vom Leben zum Tod, ihm zu wohlverdienter Straf, anderen
aber zum abscheulichen Exempel, hinzurichten sein“, heißt es in der
Urteilsverkündung vom 14. November 1635. Das Urteil wurde durch den
Schafrichter Meister Arnold in Königsdorf vollstreckt.

Seine Räuberbande war somit vielleicht zerschlagen, aber der
30jährige Krieg währte noch 13 weitere Jahre. „Als 1648 endlich
der Friede geschlossen wurde, war Deutschland politisch, kulturell und
wirtschaftlich in seiner Entwicklung um Jahrhunderte
zurückgeworfen“, schreibt Karl Göbels in seinem Buch.
 

- Lars Kindermann

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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