Restaurants und Kneipen freuen sich auf Gäste
Jetzt zählt jedes Kölsch

Der Wirt hinter Plexiglas. Mit Spuckschutz an der Theke, Mindestabstand an den Tischen, Gästelisten und Hygieneplan war Markus Reuter von der Gaststätte „Am Brauhof“ auf eine Wiedereröffnung nach der Corona-Schließung gut vorbereitet. | Foto: Lars Kindermann
  • Der Wirt hinter Plexiglas. Mit Spuckschutz an der Theke, Mindestabstand an den Tischen, Gästelisten und Hygieneplan war Markus Reuter von der Gaststätte „Am Brauhof“ auf eine Wiedereröffnung nach der Corona-Schließung gut vorbereitet.
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Frechen - Nach dem Shutdown wieder ins Stammlokal: Restaurants und Kneipen im
Rhein-Erft-Kreis sind wieder geöffnet, auch in Frechen. Doch „ein
lecker Kölsch“ oder ein romantisches Candle Light-Dinner sieht in
Corona-Zeiten anders aus, als früher und es stellt Gastronomie und
Gäste vor neue Herausforderungen.

„Wirte und Kellner freuen sich nach extrem harten Wochen auf
Kundschaft. Jetzt zählt jedes getrunkene Bier“, sagt Manja Wiesner,
Geschäftsführerin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten
(NGG). Einerseits solle die Gastronomie wieder Genuss und Geselligkeit
möglich machen, andererseits dürfe die Branche unter keinen
Umständen zum Infektionsherd werden.

Es komme nun vor allem darauf an, den Gesundheitsschutz penibel
einzuhalten. Hier sollten Gastronomen genug Personal einplanen. Manja
Wiesner: „Wenn eine Gaststätte halb so lang offen hat, heißt das
nicht, dass man nur die Hälfte der Service- und Küchenkräfte
braucht. Im Gegenteil: Hygiene kostet Zeit. Gerade dann, wenn es jetzt
zum Sturm aufs Schnitzel kommt.

„In Frechen waren die Verantwortlichen im Gastrobereich überwiegend
gut vorbereitet. Und das trotz der sehr kurzfristigen Hinweise, die
das Land durch eine angepasste Verordnung im Prinzip zwei Tage vor
möglicher Öffnung veröffentlicht hat“, teilt Stadtsprecher
Thorsten Friedmann mit.

Die Zusammenarbeit zwischen Ordnungsbehörde und Gastronomie sei
„grundsätzlich sehr kooperativ“. Die größte Einschränkung für
die Gastronomie bestehe sicherlich im Abstandsgebot. Friedmann:
„Dadurch muss im Innen- und Außenbereich mit deutlich weniger
Plätzen geplant werden.“

Die FDP Frechen fordert daher, dass – wie in Hürth geplant – die
Flächen für die Außengastronomie in Frechen ab sofort kostenlos
überlassen und nach Möglichkeit ausgedehnt werden können, um die
Einschränkungen durch die Abstandsregeln zu kompensieren.

FDP Partei- und Fraktionsvorsitzender Bernhard von Rothkirch: „Die
Restaurants und Kneipen gehören zum Leben unserer Stadt. Sie haben
eine verdammt schwere Zeit hinter sich. Daher müssen wir alles tun,
um sie bei der schrittweisen Rückkehr in den Normalbetrieb zu
unterstützen. Die kostenlose Nutzung der Außenflächen bis zum Ende
der Saison 2020 ist dabei ein kleiner Schritt.

„Es ist ein Kampf um jeden Gast“, beschreibt Elvis Dugandhodzic
vom Restaurant Schützenhaus die Situation. Die Hygienemaßnahmen und
Auflagen würden die Gastronomen vor „fast unlösbare Aufgaben“
stellen. Jetzt würden alle auf das Terrassengeschäft hoffen, aber
was immer noch bliebe, sei die Angst der Gäste.

Stephan Trebels vom Alten Brauhaus in Frechen-Königsdorf spricht von
einem „erheblichen Mehr- und Kostenaufwand“ durch die
Corona-Einschränkungen. Ein zusätzlicher Mitarbeiter würde die
Gäste in Empfang nehmen, sie über die Hygienemaßnahmen aufklären
sowie Kontaktdaten, Aufenthaltszeit und Tischnummer schriftlich
erfassen. Anschließend müsse alles desinfiziert werden.

Die Kosten für Desinfektionsmittel, Einmalhandschuhe und Mund- und
Nasenschutze seien – aufgrund der Nachfrage – stark gestiegen. Bei
einer „maximal 40prozentigen Auslastung der Tische“ sei aktuell
Geld verdienen schwer möglich. „Aber wir blicken positiv in die
Zukunft und sind froh unseren Gästen wieder etwas Abwechslung zum
derzeitigen Alltag bieten zu können“, so Stephan
Trebels abschließend.

„Es fühlt sich gut an wieder Gastgeber sein zu dürfen und endlich
wieder Menschen um sich zu haben“, freut sich auch Martin Temme vom
Restaurant Landbrenner am Gut Clarenhof. Bei aller Anfangseuphorie sei
man aber noch meilenweit von der Normalität entfernt.

Temme: „Wir verlieren gerade mehr als die zwei Drittel des
geplanten, und für die meisten Kollegen, existenziellen
Sommergeschäftes, bei minimaler Kostenentlastung.“ Auf die
tatsächliche Bedürftigkeit der Branche abgestimmte finanzielle
Hilfen oder krisenbedingte Rechtsansprüche seien bislang
größtenteils ungeklärt.

„Mir ist auch klar, dass es in solchen Zeiten Verlierer geben wird,
jedoch trifft es mich sehr, dass diejenigen, die über eine
entsprechende Lobby verfügen, reichlich und schnell von der Politik
versorgt werden“, ärgert sich der Restaurantbesitzer.

Gastronomie und Zulieferer würden zwei Millionen Arbeitsplätze zur
Verfügung stellen und rund 120 Milliarden Euro Umsatz machen. Ohne
„Wertschätzung des Staates“ und „passgenaue Hilfestellung“
würden es viele Betriebe „einfach nicht schaffen“.
Preissteigerungen in der gesamten Branche seien unvermeidlich. Eine
große Hilfe vom Staat wäre es, wenn die Mehrwertsteuer auf Speisen
und Getränke dauerhaft auf 7 Prozent gesenkt würde.

Auch im „Schiller“, An St. Maria Königin, ist man „froh und
dankbar“ wieder öffnen zu dürfen. „Obgleich die strengen
Auflagen, insbesondere die Abstände und Einschränkungen hinsichtlich
der Haushalte pro Tisch, einen erheblichen finanziellen Tribut
einfordern werden“, sind die Wirte Gerti und Winnie Diener
überzeugt.

Geselligkeit und Lebensfreude seien in letzter Zeit zu kurz gekommen.
„Wir werden unser Bestes dafür geben, dass sich bei uns alle
weiterhin wohl und sicher fühlen und den Alltag auch mal kurz hinter
sich lassen können“, so das Schiller-Team.

Traurige Wahrheit sei aber auch, dass viele „die schwierige Phase
der Wiedereröffnung“ nicht überleben würden, sollten die Gäste
das Angebot nicht annehmen.

In einer, für Gastronomiebetriebe, extrem herausfordernden Zeit haben
sich Markus und Nicole Reuter den Traum von einer eigenen Gaststätte
erfüllt. Erst einen Monat vor den Corona-Schließungen eröffneten
sie ihr Gasthaus „Am Brauhof“ auf der Keimesstraße.„An
Valentinstag ging es los. In der Karnevalszeit war der Laden immer
brechend voll“, erinnert sich der Wirt. Nach der Session wurde es
ruhiger und dann war „erstmal Schluss“. Auf einen Lieferservice in
den Wochen der Schließungen verzichteten sie. „Wir machen das ja
eher hobbymäßig und wollen Spaß haben. Wir haben den Laden nicht
aufgemacht, um ein Schnitzel irgendwo hin zu fahren“, erklärt der
Wirt und Chef des Malerbetriebs Konzept pro in Frechen. Die
geforderten Auflagen hatte er im Brauhof schnell umgesetzt. „Wir
haben uns mit der Stadt abgesprochen, das hat alles gut
funktioniert“. Und zum ersten Spiel des 1. FC Köln sei sein Laden
wieder gut gefüllt gewesen. Reuter: „Ich glaube, viele waren froh
endlich mal wieder – außerhalb ihrer eigenen vier Wände – ein
Kölsch zu genießen.“

Redakteur/in:

Lars Kindermann aus Rhein-Erft

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