Zimmer mit Aussicht auf Häuserwand
Schock am Freitag, den 13.

Anwohner der Kapfenbergerstraße 5 sind sauer: Seit Freitag, 13, November, wird ihre Sicht auf Frechen und Umgebung durch eine über acht Meter hohe Mauer geblockt. | Foto: Lars Kindermann
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  • Anwohner der Kapfenbergerstraße 5 sind sauer: Seit Freitag, 13, November, wird ihre Sicht auf Frechen und Umgebung durch eine über acht Meter hohe Mauer geblockt.
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Frechen - Von wegen Aberglauben: Ihren ganz persönlichen „Freitag, den 13.“
haben Anwohner der Kapfenbergerstraße 5 in Frechen erlebt, als ihnen
plötzlich eine über acht Meter hohe Mauer die Aussicht aus Wohn- und
Schlafzimmern versperrte.

„Ein Zimmer frei mit Blick auf Häuserwand“, schießt mir der Song
von Fettes Brot-Sänger König Boris durch den Kopf, als ich die
Wohnung von Andrea Firley betrete. Schon im Hausflur kann ich einen
Blick auf die trist-graue Betonmasse von Wand werfen, die jetzt die
Aussicht im Wohnzimmer der Familie dominiert.

Gemeinsam mit ihren Eltern und weiteren, betroffenen Mietern der
Kapfenbergerstraße 5, hat sie mich eingeladen, damit sich auch das
Wochenende einen Eindruck von der „Bausünde“ machen kann,
mit der die Betroffenen am Freitag, 13. November, konfrontiert wurden.

„Ich habe morgens um 8 Uhr meine Wohnung verlassen, da war noch
alles in Ordnung. Als ich dann gegen 15 Uhr zurückkam, hat mich fast
der Schlag getroffen“, erzählt die Mieterin und deutet auf die etwa
zehn Meter lange und über acht Meter hohe Mauer, die sich jetzt über
die gesamte Breite ihres Wohnzimmers und darüber hinaus erstreckt. Wo
früher der Blick auf das REWE-Gelände, die Hubert-Prott-Straße und
die Bäume an der Holzstraße möglich war, schauen die Firleys jetzt
vor eine Wand.

„Baurechtlich einwandfrei, die vorgeschriebenen Abstände wurden
eingehalten, für die betroffenen Anwohner natürlich nicht schön“,
sagt Mitinvestor und Mitinhaber von REWE Rahmati,  Paul Höhne, der
für den Neubau des 2018 abgebrannten REWE-Marktes an der der
Hubert-Prott-Straße zuständig ist.

Auch die Stadtverwaltung meldet: „Die Verwaltung hat bislang keine
Hinweise, dass die Genehmigung, die auf Basis des Bebauungsplans
erteilt wurde, fehlerhaft war.“ Nach Bekanntwerden der Problematik
und medialer Berichterstattung wurde festgestellt, dass die Mauer etwa
30 Zentimeter höher geraten ist, als genehmigt. Ein Baustopp wurde
verhängt.

Die Diskrepanz zwischen Bauantrag und tatsächlicher Mauerhöhe wird
vermutlich aber nicht dazu führen, dass sich die Wohnsituation für
Andrea Firley und ihren Sohn im Erdgeschoss, Andrea Rodenbach im 1.
Obergeschoss sowie Helmut Firley und Ute Firley im 2. Obergeschoss
erheblich verbessern wird.

Laut dem Investor befände man sich, auch mit der etwas höher
geratenen Mauer, immer noch im gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen. Es
bedürfe nur eines Nachtrags zur Baugenehmigung. Paul Höhne ist
überzeugt, dass niemand beim Erstellen und Genehmigen des Baus, die
tatsächlichen Auswirkungen für die Bewohner des Hauses
Kapfenbergerstraße 5 richtig eingeschätzt hat. Höhne: „Was wir
jetzt nur noch tun können, ist die Auswirkungen für die betroffenen
Anwohner, abzumildern.“ Eine neu entwickelte, begrünte Variante der
Westfassade mit Rankgittern wird Donnerstagabend (nach
Redaktionsschluss) im Planungsausschuss der Stadt Frechen vorgestellt.

Etwas beruhigen kann Höhne die Anwohner der 2. Etage. Die Firleys
wohnen dort schon seit fast 40 Jahren. Bisher konnten sie von ihren
Balkonen die Aussicht über die Dächer von Frechen und Bachem bis
nach Köln genießen, jetzt schauen sie auf die obere Mauerkante. Ihre
Befürchtung, dass auf das Dach jetzt noch die Lüftungs- und
Kühlungsanlagen des neuen REWE Supermarktes kommen, kann der Investor
entkräften: „Da kommt nichts mehr drauf!“, sagt er.

Weniger positiv ist aber, dass der Mauerbau an der Westfassade noch
nicht abgeschlossen ist. Es folgen weitere Betonelemente mit
Fensteraussparungen und die Einhausung für die Lastwagenzufahrt. Die
Aussicht der Anwohner wird dadurch weiter stark eingeschränkt.
„Warum haben die den neuen Markt nicht an der Stelle gebaut, wo der
alte stand“, wundert sich Helmut Firley. „Da hat ihn doch niemand
gestört und viel größer ist der neue auch nicht“, wundert sich
der 79-Jährige.

„Der neue REWE-Markt wurde entsprechend heutiger Anforderungen etwas
größer geplant, als das alte Vorhaben, damit er auch marktgängig
und nachhaltig am Standort verbleiben kann“, bestätigt der
Technische Beigeordnete der Stadt Frechen, Robert Lehmann. Der REWE
sollte von der Hubert-Prott-Straße und der Kapfenberger Straße
anfahrbar sein, um die Erreichbarkeit zu verbessern und die
Verkehrsbelastung für die Anlieger zu reduzieren. Lehmann: „Daher
war eine größere seitliche Verschiebung des Baukörpers nicht
möglich, da sonst die Zufahrtssituation zu eng geworden wäre.“

Des Weiteren habe es in der Vergangenheit Lärmbeschwerden
hinsichtlich des Parkplatzes gegeben. „Im südlichen Teil des
Grundstückes verläuft ein großer öffentlicher Abwasserkanal, der
durch das alte Gebäude unzulässiger Weise überbaut worden war. Eine
erneute Überbauung war nicht möglich, damit der Kanal bei Problemen
erreichbar ist“, erklärt Lehmann weiter.

Eine vollständige Verlegung des Kanals wäre technisch und finanziell
sehr aufwendig gewesen und hätte das Projekt unwirtschaftlich
gemacht. Zusätzlich wären einzuhaltende Abstände zur Holzstraße
als Landesstraße sowie Zufahrtsbeschränkungen und Abstände zur
Hubert-Prott-Straße als Kreisstraße zu berücksichtigen.

Widersprüchlich sind die Aussagen von Mitinvestor Höhne und der
Stadt Frechen in einem Punkt: Während Höhne die Standortverlegung
unter anderem auf „den ausdrücklichen Wunsch der Stadt“, in dem
zu bebauenden Raum auch Wohnraum zu schaffen, zurückführt, erklärt
die Verwaltung, dass sich der „Wunsch“ nach Wohnraum „bereits in
den ersten Gesprächen zwischen der Stadtverwaltung und dem Investor
entwickelt“ habe. Dies habe aber nichts mit der räumlichen
Anordnung des Gebäudes auf dem Grundstück zu tun.

Im Gespräch mit den Anwohnern wird schnell klar, dass sich ihr Frust
nicht gegen die REWE oder das Bauunternehmen, sondern größtenteils
gegen die Stadtverwaltung und die Politik richtet, die den Bau in
dieser Form abgesegnet hat.

„Die Mauer muss weg!“, skandiert die Bewohnerin eines
Anrainerhauses und Andrea Firley sagt: „Als Frechenerin kann ich
doch von meiner Stadt erwarten, dass sie sich für mich einsetzt. Ist
es nicht deren Aufgabe, sich zum Wohle aller Bürger einzubringen?“

Die vor-Ort-Besichtigung der Sachlage durch den Dezernenten Robert
Lehmann und teilweise auch die mediale Berichterstattung haben den
Frust der Frechener sogar noch vermehrt. Andrea Firley: „Zum Teil
fühlte ich mich vorgeführt und verarscht!“

Gewünscht hätten sich die Firleys einen direkten Austausch mit
Bürgermeisterin Susanne Stupp. Diese habe sich die Sache vor Ort
angeschaut, erklärt die Stadt. „Bei uns war sie aber nicht“,
wundern sich die Firleys und Andrea Firley ergänzt: „Dabei sind wir
in die selbe Klasse gegangen. Der Name Firley hätte ihr eigentlich
etwas sagen müssen.“

Bedeckt hält sich bisher der Vermieter der Immobilie Kapfenberger
Straße 5, die Zentral Boden Vermietung und Verwaltung GmbH (ZBVV).
„Die Mieter sind direkt auf die Hausverwaltung zugegangen. Und ihre
Argumentation ist für die ZBVV nachvollziehbar. Vor diesem
Hintergrund ist die Verwaltung derzeit hinsichtlich der Angelegenheit
in der Klärung mit der Stadt und dem Bauamt“, so ein Sprecher auf
die Presseanfrage der Redaktion.

Redakteur/in:

Lars Kindermann aus Rhein-Erft

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