Widmung Anton-Engermann-Weg
Zu viele offene Fragen

Jetzt ist es offiziell: Der Verbindungsweg zwischen Kreuzbergstraße und Toni-Ooms-Straße heißt jetzt Anton-Engermann-Weg. Nicht alle sind darüber glücklich. | Foto: Lars Kindermann
  • Jetzt ist es offiziell: Der Verbindungsweg zwischen Kreuzbergstraße und Toni-Ooms-Straße heißt jetzt Anton-Engermann-Weg. Nicht alle sind darüber glücklich.
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Frechen - Die Widmung des unscheinbaren Fußweges zwischen Kreuzbergstraße und
der Stichstraße „An der Ziegelei“ sorgt weiter für Unruhe in der
Frechener Politik und zieht Konsequenzen nach sich.

Im Oktober 2016 hatte eine Mehrheit im Frechener Stadtrat beschlossen,
dem Antrag der Linksfraktion zu folgen, und den Feldweg nach dem
ehemaligen Frechener Kommunisten Anton Engermann zu benennen.

Vor und nach der Beschlussfassung hatten sich allerdings drei
Frechener Historiker gegen die Widmung ausgesprochen: Dr. Wilhelm
Schröder, Professor für Neuere Geschichte an der Universität zu
Köln und Dr. Franz-Joseph Kiegelmann, Vorsitzender des Frechener
Geschichtsvereins, wiesen im Vorfeld auf die „großen Lücken“ und
die „vielen offenen Fragen“ im Lebenslauf Anton Engermanns hin und
warnten, dass nichts peinlicher sei, als im Nachhinein die Widmung
wieder rückgängig machen zu müssen.

Auch für den Lokalhistoriker und Denkmalbeauftragten Egon Heeg war
die historische Begutachtung im Vorfeld zu „dürftig und
lückenhaft“.

Trotzdem stimmten 25 Ratsmitglieder für die Widmung, neun
Ratsmitglieder waren dagegen und zehn Mitglieder enthielten sich ihrer
Stimme.

„Ein Rat, der in den letzten Jahrzehnten für jeden Mist ein
externes Gutachten in Auftrag gegeben hat, hört hier nicht auf die
Experten aus den eigenen Reihen“, ärgert sich ein ehemaliges
Ratsmitglied, das namentlich nicht genannt werden will. Der Prophet
gelte halt nichts im eigenen Lande.Für Peter Singer,
stellvertretender Vorsitzender der Frechener Linksfraktion, ist der
„verbitterte Kampf gegen die Ehrung rational nicht erklärbar.“
Die Widmung des „recht kleinen Verbindungsweges“ nach Anton
Engermann sei stellvertretend für alle durch die Nazis gequälten und
verfolgten Kommunisten in Frechen. Den Kritikern des Beschlusses wirft
er grenzwertiges und ehrenrühriges Verhalten vor. „Ich sage es ganz
deutlich: Wir lassen nicht zu, dass das Ansehen und die Ehre von Anton
Engermann in den Dreck gezogen werden“, erklärte Singer bei der
offiziellen Wegwidmung.

Er habe den Geehrten noch persönlich gekannt. Singer: „In meiner
Jugend und bis heute, ist mir seine aufrechte Haltung und sein
humanistisches Menschenbild Vorbild und Verpflichtung zu gleich.“

Nach den Diskussionen und Medienberichten zur umstrittenen Widmung,
erstellt die Stadt – in Zusammenarbeit mit den Professoren Dr.
Sylvia Knecht (CDU) und Dr. Wilhelm Schröder (SPD) – jetzt einen
Kriterienkatalog für zukünftige Straßenbenennungen.

Wer war Anton Engermann?

Anton-Engermann-Weg, ja oder nein? Wir fassen die von den
Historikern zusammengetragenen Fakten zur Person Anton Engermann kurz
zusammen:

Anton Engermann war in den 1930er-Jahren Mitglied der KPD Ortsgruppe
Frechen und Gründungsmitglied des Frechener Rotkämpferbundes (dem
kommunistischen Gegenstück zur SA der NSDAP). Vor der Machtergreifung
der Nazis war Engermann bereits mehrfach Vorbestraft wegen
Körperverletzung, schweren Diebstahls, Misshandlung,
Sachbeschädigung, Jagdvergehen und Abgabenhehlerei. In den 30er
Jahren war er zudem an zahlreichen Schlägereien gegen die
SA-Schlägertrupps der Nazis beteiligt. Eine Teilnahme an dem Angriff
auf das „Braune Haus“ – die Parteizentrale der NSDAP in der
Hüchelner Straße – am 30. Januar 1933 bestritt er. Im Juli 1933
wurde er von der Polizei und Hilfspolizisten der SA so schwer
misshandelt, dass er sich mit einer Glasscherbe die Pulsader an der
linken Hand durchtrennte. Der ebenfalls gefolterte Kommunist Heinrich
Bühr starb an den Folgen seiner Misshandlung. Bühr ist damit –
nach Aussagen der drei Historiker - der einzige, aufgrund seiner
politischen Überzeugung, getötete Kommunist aus Frechen. 1934 wurde
Engermann wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu drei Jahren
Zuchthaus verurteilt. Kurz nach seiner Entlassung wurde er erneut
verhaftet und „zur Umschulung“ ins KZ Sachsenhausen verschleppt.
Mit einer sehr geringen Häftlingsnummer (000175) gehörte er dort zu
den ersten Insassen. Als Mauerer wurde er im und außerhalb des
Konzentrationslagers eingesetzt. Seine Häftlingsakte liegt im
Militärarchiv Moskau. Eine Einsicht war nicht möglich. Engermann
saß bis zur Befreiung durch amerikanische und russische
Truppenverbände im KZ. Er kehrte 1945 zurück nach Frechen, trat
wieder in die katholische Kirche ein und arbeitete bis zu seiner
Pensionierung bei der Rheinbraun. Anton Engermann verstarb 1983.

- Lars Kindermann

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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