1968: Sex, Drugs & Rock’n Roll
Theaterpremiere an der FWS Oberberg

Foto: Melanie Kurz

Gummersbach. Mitten in das studentenbewegte Deutschland der 60er Jahre entführte das Theaterprojekt der 12. Klasse an der Freien Waldorfschule Oberberg (Kirchhellstraße 32) die Besucherinnen und Besucher. Als die Tür zum Saal sich öffnete, waberten den Zuschauern aus dem dunklen Raum Nebelschwaden entgegen. Wo sich sonst Sitzreihen befanden, fiel der Blick auf die Überreste einer scheinbar wilden Party. Auf Teppichen, Sofas und Sesseln lagen junge Frauen und Männer, zwischen ihnen zahlreiche Flaschen. Die Zuschauer nahmen stattdessen auf der grün ausgeleuchteten Bühne Platz. Als David Bowies „Space Oddity“ ertönte, formierten sich die Darsteller zu einer Gruppe, jeder stellte seine Figur mit einem starken Satz wie „Ich habe mit Menschenleben gespielt“ oder „Ich bin schuldig geworden“ vor. Dann verteilten sich die jungen, teils farbenfroh im Stil der 1960er Jahre gekleideten Menschen und zogen das Publikum tanzend mit sich in die Swinging Sixties.

Für die Zuschauer entfaltete sich rasch ein Panorama aus unterschiedlich miteinander verbundenen Charakteren. Sie tauchten immer wieder auf und entwickelten sich im Laufe des Stückes, teils sprunghaft, teils kaum merklich. Jeder für sich wurde überzeugend dargestellt: Da gab es den Schlosser, der Künstler werden wollte und zum Opfer eines Komplotts von Persönlichkeiten der Kunstszene wurde. Da war der Grieche mit Sprachbarriere, der bei Elisabeth eine neue Arbeit, zwei Verehrerinnen und viele Feinde fand. Da waren die beiden jungen Frauen, die sich in andere Welten träumten und doch nie ihr „Kaff“ verließen. Paare, gefesselt an ihren jeweiligen Süchte und Beziehungsgeflechte. Und nicht zu vergessen: kontroverse Persönlichkeiten wie Antoine oder Mrs. Robinson aka „Mutti“. Geschickt verschmolzen Text-Fragmente von Rainer Werner Fassbinder, Peter Turrini, Wolfgang Bauer und Peter Handke zu einem bunten Sprach-Teppich. Was zunächst wirkte wie ein unterhaltsamer Ausflug in die gesellschaftlichen Kontroversen der 1960er Jahre, bebildert mit liebevoll gestalteten Plakatwänden im Stil zeitgenössischer Platten-Cover und ausgestattet mit Kostümen, die viel Sinn für Details verrieten, wies schnell erschreckende Parallelen zu unserer Zeit auf. Etwa wenn sich die Figuren in Fremdenhass oder sexualisierte Gewalt hineinsteigerten. Oder wenn der junge Poet fragte: „Vielleicht sollte ich ein Stück schreiben, in dem alle so reden wie wir?“

In „1968“ werden Grenzen im menschlichen Miteinander permanent überschritten und sogar Mord- und Rachepläne geschmiedet. Das geschieht zur bloßen Belustigung aus Langeweile, aber auch aus purem Hass gegenüber dem Unbekannten. Diese Grenzgänge erkundeten die Schülerinnen und Schüler der 12.Klasse in ihrem Spiel. Das war nichts für schwache Nerven und schon gar nichts für Kinder. Aber die Auseinandersetzung mit Gewalt in Wort und Tat ist schließlich die Voraussetzung für das Ringen um ein gutes, friedliches und menschliches Miteinander.

Für die gelungene Umsetzung dieses Theaterprojekts waren, neben den jungen Darstellerinnen und Darstellern, Marcus Lachmann und Melanie Monyer verantwortlich.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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