Diakonie-Stadtteilbüro Medinghoven
„Mensch, bin ich froh...“
Hardtberg-Medinghoven - Ein Stoßseufzer entringt sich der Besucherin im Stadtteilbüro:
„Mensch, bin ich froh.“ Farah ist iranischer Herkunft, mit ihrer
Familie seit 2006 in Deutschland. „Zwischendurch hatten wir immer
Angst, Panik. Panik davor, kein Asyl zu bekommen, Panik, keine Wohnung
zu ergattern, Panik, nicht arbeiten zu können, Panik, keine Hilfe zu
erhalten.“
Und jetzt hat sie auch dank der Arbeit des Stadtteilbüros Medinghoven
nach langen Jahren endlich alles geklärt. Sogar ihr Sohn, der
studieren sollte, hat heute dank der städtischen Erziehungsberatung
im Stadtteilbüro einen Ausbildungsplatz im Bereich der Informatik.
„Den hat er selbst ausgesucht“, sagt die Mutter stolz.
Ein Tag in Medinghoven. Mehr als die Hälfte der 4.000 Einwohner ist
auf Hartz IV angewiesen, es gibt vergleichsweise extrem viele Kinder.
Die Hälfte der Bewohner hat keinen deutschen Pass. Hier wirken Irini
Dieck und Reinhard Jansen: „Wir haben pro Jahr rund 250 bis 300
Gespräche, meist von Bedarfsgemeinschaften, also von ganzen
Familien.“ Die Arbeit bezieht sich auf die allgemeine Sozialberatung
und die Gruppen- und Gemeinwesenarbeit.
Das Stadtteilbüro ist erste Anlaufstelle für Probleme bei der
Bewältigung des Alltags. „Oft haben wir mit Hartz IV und der damit
zusammenhängenden Bürokratie zu tun“, sagt Irini Dieck. „Das
teils jahrelang bestehende Vertrauensverhältnis zu unseren Klienten
gibt uns die Möglichkeit, die Hintergründe der Probleme zu
beleuchten“, meint Reinhard Jansen. „Wir sind die erste
Anlaufstelle. Kommen wir nicht weiter, weil wir fachliche Hilfe
brauchen, nutzen wir unser Netz und koordinieren und vermitteln.“
Die Schuldnerberatung hat im Stadtteilbüro ihre Sprechstunde.
Psychische Probleme werden besprochen und unter Umständen an einen
Facharzt weiter gegeben. Gerade läuft ein Deutschkurs für Frauen,
die seit Jahren in Deutschland leben aber nie die Notwendigkeit
gesehen hatten, die Sprache intensiv zu lernen. Eine sehr erfolgreiche
Mieterinitiative geht auf die Veranlassung des Stadtteilbüros
zurück. Sie ist nach den Bränden im Vorjahr gegründet worden und
veranstaltet neben den regelmäßigen Problemlösungsrunden ein
Mieterfest.
Die psychologische Erziehungs- und Familienberatung der Stadt Bonn hat
hier eine Außensprechstunde. Alleinerziehende sind häufig zu Besuch.
Es gibt Förderkurse für Grundschüler. Die Kleiderkammer für
Kinderkleidung findet reißenden Absatz.
Das Stadtteilbüro verringert Schwellenängste, bietet angstfreie
Beratungs- und Gesprächsmöglichkeiten. Und das für alle
Lebenslagen. Vielfach ist man informiert über Spannungen innerhalb
der Familien. Somit kann man auch den Ursachen von Konflikten bereits
im Entstehen entgegenwirken.„Nehmen Sie die Familie mit zwei
Töchtern. Die sind beide in Ausbildung zur Friseurin. Und verdienen.
Einen Teil des Gehalts müssen sie für die Miete der elterlichen
Wohnung abzwacken. Und sie brauchen Berufskleidung, wollen wie alle
anderen ein Smartphone und Klamotten“, erzählt Irini Dieck einen
konkreten Fall. „Das alles sorgt für Spannungen innerhalb der
Familie.“
Manche fürchten sich, Behördenbriefe zu öffnen und sind dann im
Stadtteilbüro, um evtl. eingestellte Zahlungen wieder aufleben zu
lassen. Die Sprache und die Kultur sowie die eigene Psyche, das sind
neben den konkreten Geld- und Wohnungssorgen die Arbeitsfelder des
Stadtteilbüros Medinghoven. Irini Dieck und Reinhard Jansen wissen,
dass sie gebraucht werden, auch deshalb, weil ihre Arbeit keinen
Anfang und kein Ende kennt. Die Stadt will bald in Medinghoven ein
Quartiersmanagement einführen. Dazu gibt es erstmal ein
Interessensbekundungsverfahren. Wieder ein Begriff, mit dem kein
Migrant etwas anzufangen weiß. Gut, dass es das Stadtteilbüro gibt.
Mögen noch recht viele Medinghovener auch in Zukunft sagen:
„Mensch, bin ich froh!“
Infos kompakt
Wohnortnahe Allgemeine Sozialberatung Diakonie Bonn und Region
Briandstraße 5, 53123 Bonn
Telefon: 0228 2428966
- Harald Weller
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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