Reise in den Tod
Dauerausstellung erinnert an die Gräueltaten gegen Hennefer Juden
Hennef -
Schon sehr oft seien sie an der Ruine der Synagoge in Geistingen
vorbeigegangen, sagten Schüler der Gesamtschule Hennef-West. Dass sie
die zerstörten Überreste einer ehemals lebendigen, fest in der
Hennefer Gemeinschaft verankerten jüdischen Gemeinde ist, das wussten
sie bis dato nicht.
Heinrich Kneip hat es sich zum Ziel gesetzt, dem Vergessen
entgegenzuwirken. Mit seinem Kunstwerk für die Hennefer
Dauerausstellung im Rathausneubau möchte er auf das Schicksal der
Hennefer Juden aufmerksam machen, die in das Vernichtungslager Malyj
Trostenez im heutigen Weißrussland deportiert und ermordet wurden.
Zur Vorstellung kamen Schüler der Gesamtschule Hennef-West und des
Kunstkollegs in das Rathaus und hörten dem Künstler aufmerksam zu.
„Die Reise in den Tod mussten sie selber bezahlen“, beschrieb
Kneip den Zuhörern leise und eindringlich die Fahrt ins Ungewisse,
die am Hennefer Bahnhof begann und mit dem grausamen Tod fern ihrer
Heimat an der Sieg endete. Aus Messing schuf Kneip ein Reliefmodell,
welches den Vernichtungsort mit all seinen Gräueln symbolisch
darstellt. „Die Bäume mit den spitzen Kronen stellen die
männlichen, die mit den runden die weiblichen Opfer dar“, erklärte
Kneip und zeigte auf einen Baum, der ihn besonders berührt. Dieser
Baum stehe stellvertretend für den Hennefer Bürger Isidor Simon, der
bei seiner Ermordung 77 Jahre alt war, im selben Alter wie der
Künstler heute.
Es sei wichtig, dass es Menschen wie Heinrich Kneip gäbe, die mit
Authentizität das Gedenken aufrecht erhalten und damit nicht nur die
geschichtliche, sondern auch die menschliche Dimension beschreiben,
betonte Bürgermeister Klaus Pipke und dankte auch den Lehrern und
Schülern für ihr Interesse. „Geben Sie weiter, dass es neben den
Hennefer Stolpersteinen, der Synagoge und dem jüdischen Friedhof auch
diese Gedenkstätte hier im Rathaus gibt“, bat Pipke die Besucher.
„Natürlich haben wir schon mal was davon gehört, aber dass so
etwas auch in Hennef passiert ist, hätten wir nicht gedacht“,
sagten Jan, David, Nils und Mari, Schüler der achten Klasse der
Gesamtschule, einstimmig über die Taten der Nazis. Sie alle wohnen in
Geistingen und seien schon unzählige Male an der Ruine der Synagoge
vorbeigegangen, ohne recht zu wissen, für was sie genau stehe.
Das 1862 errichtete Gotteshaus fiel dem Novemberpogrom 1938 zum Opfer.
Die Ruine erinnert heute als Gedenkstätte an die jüdische Gemeinde
in Geistingen. Ganz besonders schlucken mussten die Schüler, als
Kneip vom Schicksal der jüdischen Kinder berichtete. „Das hat mich
sehr traurig gemacht“, sagte die 14-jährige Mari.
„Wir werden als Einstieg in das Thema mit den Schülern die
Geistinger Gedenkstätten und die Stolpersteine abgehen und auch noch
einmal die Ausstellung hier im Rathaus anschauen“, sagten ihre
Lehrerinnen Miriam Kronenberg und Marion Blasum. Die Ortsbezüge und
Einzelschicksale seien unheimlich wichtig und eine große Chance,
Empathie bei den Schülern zu wecken, sagte Kronenberg. Man hätte
ganz deutlich die Betroffenheit der Schüler gesehen, als vom
Schicksal der getöteten Kinder gesprochen wurde, betonte Marion
Blasum. Auf Initiative von Heinrich Kneip wurde 1999 auf der
Freifläche in der ersten Etage des Rathauses eine Gedenkstätte für
die ermordeten Hennefer Juden eingerichtet. Noch weitere vier Wochen
wird das Reliefmodell die Ausstellung ergänzen, die außerdem Modelle
der Synagoge und des Thoraschreins der Synagoge zeigt, eine Stele mit
einem Originalstein der Synagoge, eine Menora, Bronzeskulpturen, Fotos
des Inneren sowie der zerstörten Synagoge und eine Tafel mit Namen
der verfolgten und ermordeten Juden. Am 9. November jährt sich die
Reichspogromnacht zum 80. Mal.
Öffnungszeiten des Rathauses: Montags bis mittwochs 8 bis 16 Uhr,
donnerstags 8 bis 17.30 Uhr, freitags 8 bis 12 Uhr.
- Aysegül Yasari
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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